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Exkurs: Zwischen den Welten (I)

Immer wieder erreichen uns Fragen, ob man denn die Bärtierchen nicht einfach auch ohne Mikroskop, zum Beispiel mit einer Lupe oder einer klassischen fotografischen Ausrüstung ablichten könne?

In den Fotografie-Foren finden sich Hinweise auf "echte" Makroobjektive, die winzige Objekte im Maßstab 1:1, das heißt in mit dem Original identischer Größe auf dem Bildwandlerchip der Digitalkamera abbilden.

Die älteren Leserinnen und Leser werden sich in diesem Zusammenhang sicherlich noch an ihre heißgeliebte analoge Spiegelreflexkamera aus den 1970er oder 1980er Jahren erinnern, zu der man selbstverständlich ein nicht minder teures, spezielles Makroobjektiv kaufen konnte - bis 1:1, versteht sich.

Wir haben für Sie nun in diversen Schubladen gewühlt. Als ersten spektakulären Fund und eindrucksvollen materiellen Zeugen aus den fotografiebesessenen 1970er Jahren möchten wir Ihnen zunächst ein interessantes Buch des damaligen Fototechnik-Papstes Alexander Borell vorstellen: "Konica - mon amour":


[ Schutzumschlag von Alexander Borells

Schutzumschlag von Alexander Borells "Konica - mon amour" (1974)



Das Büchlein ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zeigt es doch, wie sehr sich unser Denken und Fühlen über die Jahrzehnte hinweg verändern kann. Der Buchtitel sollte sicherlich, in der damals üblichen, flockig-lockeren Manier auf den Kinofilm "Hiroshima - mon amour" anspielen, der naturgemäß ein sehr viel ernsteres Thema behandelte. Wir können davon ausgehen, daß die Verballhornung in den 1970er Jahren keineswegs als unangemessener Mißgriff empfunden wurde, vielmehr statt dessen Sprachwitz und kulturelle Kennerschaft signalisierte.

Auf durchaus respektablen 175 Seiten führen die beiden Protagonisten Monica und Ronny plaudernd in die Konica-Fototechnik ein. Monica erklärt zunächst ihrem Ronny, sie hätte ihm eine Kamera der Marke "Konica" vor allem deshalb geschenkt, weil sie ihrem eigenen Namen so ähnlich sei! Je nach Gemütsverfassung bzw. mentalem Polarisierungsgrad können wir hier eine sympathische Liebeserklärung an Monicas erfreulich individuelles Querdenken oder aber einen typisch frauenfeindlichen Männerwitz der 1970er Jahre diagnostizieren. Vielleicht schließt ja auch das eine das andere nicht aus?

Ronny erläutert dem Leser anhand detailliert kommentierter Fotobeispiele, wie wichtig es doch sei, die Kamera stets schußbereit bei sich zu tragen: wegen etwaiger Autounfall-Fotos mit Honorarchancen, wegen zufälliger Minirock-Ansichten, eines gestrandeten Segelbootes oder gar einem Motorboot-Überschlag!

Summa summarum ein erfrischend ungewöhnlicher, damals zweifellos sehr innovativer Fotokurs, der uns allerdings auch in mancher Hinsicht nachdenklich stimmt, die 1970er Jahre als bereits vergangenen Zeitraum mit zeitgebundener Mentalität offenbart.

Irgendwann kommt das fiktive Gepräch des autodidaktisch weiterwandelnden Fotopärchens auch auf die Makrofotografie. Monica fragt ihren Ronny, warum denn Makrobjektive diesen merkwürdigen Namen trügen, "Makro" stünde doch eher für das Große? Ronny entgegnet seiner moderat lernwilligen Monica, es hätte damit zu tun, daß man eben kleine Dinge mit der Kamera groß aufnehmen könne. Nun, warum nicht?

Unserer geschätzten Leserschaft ist natürlich darüber hinaus klar, dass man mit "Makro" normalerweise noch eher moderate Vergrößerungsmaßstäbe bezeichnet (bis 1:1), jedoch erst den stärkeren Vergrößerungen (ab 10:1 bis 100:1) den Namen "Mikro" zuordnet.

In dieser Reihe "Zwischen den Welten" nähern wir uns den Bärtierchen zunächst mit einem klassischen Makroobjektiv der 1970er Jahre (Folge I). Das nächstfolgende Journal wird die, nun schon etwas erweiterten fotografischen Möglichkeiten mit Hilfe eines stationären Balgengeräts illustrieren (Folge II). Zuletzt schließt sich die klassische Mikrofotografie an (Folge III). Natürlich alles an Hand ein- und desselben Objekts, nämlich einem Moosblatt mit Echiniscus-Bärtierchen im Trockenzustand (sogenannte "Tönnchen").

Das hier thematische passende Konica "Hexanon" Macro-Objektiv reicht mit Hilfe des damals mitgelieferten Adapters bis zum Abbildungsmaßstab 1:1.


[ Konica "Hexanon" Makro-Objektiv (55/3,5) ]

Konica "Hexanon" Makro-Objektiv (55/3,5), rechts der mitgelieferte Adapter, ein rein mechanischer Zwischenring ohne optische Elemente, mit Hilfe dessen sich der Maßstab 1:1 erreichen läßt. Aufbewahrt wird das Objektiv in einem zeittypisch rot ausgekleideten Kunstleder-Köcher, der über ein separates Kompartiment für den 1:1 Adapter verfügt.

Dieses Objektiv läßt sich mit Hilfe eines einfachen mechanischen Adapters an moderne digitale Systemkameras adaptieren und spart uns auf diese Weise eine Menge Geld: Bei den Makroaufnahmen braucht man in der Regel keinen Autofokus und kann mit der Zeitautomatik der modernen Kamera immer noch komfortabel automatisch belichten. Das Ganze sieht dann so aus:


[ Sony Nex-5N Systemkamera mit Hexanon Makroobjektiv ]

Sony Nex-5N Systemkamera mit mechanischem Adapter und Hexanon Makroobjektiv (hier ohne den 1:1 Adapter, den man noch zusätzlich zwischenschalten kann).


An diesem Punkt überwältigten uns nostalgische Gefühle und es war schlichtweg unvermeidlich, zunächst einige klassische Makrofotos aufzunehmen, durchaus im Gedenken an die 1970er Jahre:


[ Makroaufnahme mit Sony Nex-5N und Hexanon Makroobjektiv ]

[ Makroaufnahme mit Sony Nex-5N und Hexanon Makroobjektiv ]

[ Makroaufnahme mit Sony Nex-5N und Hexanon Makroobjektiv ]


Bei den Bärtierchen wird naturgemäß alles noch viel kleiner, wie die folgende Übersichtsaufnahme illustrieren mag:


[ Bärtierchen und 1 Cent-Stück, aufgenommen mit Sony Nex-5N und Hexanon Makroobjektiv ]

Echiniscus-Bärtierchen im Trockenzustand (sogenannte "Tönnchen") auf Moosblatt, rechts davon zum Größenvergleich ein 1 Cent-Stück. Aufnahme mit Sony Nex-5N, Konica Hexanon Macro 55/3,5 und 1:1 Adapter.

Herausvergrößert sieht das aus wie folgt:


[ Bärtierchen, aufgenommen mit Sony Nex-5N und Hexanon Makroobjektiv ]

Echiniscus-Bärtierchen im Trockenzustand (sogenannte "Tönnchen") auf Moosblatt, fotografiert mit dem Konica "Hexanon"-Makroobjektiv aus den 1970er Jahren. Detailausschnitt vom obigen Übersichtsbild. Das Moosblatt ist ziemlich genau 2 Millimeter lang.

Im kommenden Journal werden wir uns wie versprochen schrittweise weiter annähern, und zwar zunächst mit Hilfe eines Balgengerätes samt speziellem Lupenobjektiv. Bleiben Sie dran!



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach