Das Bärtierchen-Journal
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Kleine Gerätschaften für unterwegs: Handlupen (II)

Im letzten Journal hatten wir die Linsen-Anatomie einer gut korrigierten Steinheil-Lupe aus Belarus  analysiert und benutzen diese hier stellvertretend für alle guten 10fach Lupen.


[ Lupe mit echtem Triplett-Linsensystem ]


"Steinheil"-Lupe aus Belarus. 40 Gramm leicht und 35 mm x 27 mm x 25 mm klein.

O.K., stellen Sie sich nun vor, Sie wären in ein fernes Land gefahren und hätten lediglich diese eine Klapplupe als Bärtierchen-Spürgerät mitgenommen.
Was würden Sie sehen?


Zur Veranschaulichung haben wir ein quasi ideales Bärtierchen-Szenario zusammengestellt, d.h. unser bewährtes   Mikroaquarium  mit unterschiedlich großen Bärtierchen verschiedener Arten besetzt und den Tardigraden nur ganz wenig vegetabiles Material als Versteck gegönnt. Durch die Belarus-Lupe betrachtet sieht das dann in etwa so aus:


[ Bärtierchen unter der Lupe bei 10facher Vergrößerung ]


Blick durch die Belarus-Lupe auf eine Wasserfläche von 0,45 cm Durchmesser.
Komplettes Gesichtsfeld.

Wenn wir uns ganz intensiv auf den zentralen Bildbereich konzentrieren, sehen wir Folgendes:


[ Bärtierchen unter der Lupe bei 10facher Vergrößerung ]


Subjektiver Bildeindruck beim Blick durch die Belarus-Lupe auf eine Wasserfläche von 0,45 cm Durchmesser. Konzentration auf die Bildmitte.

Jetzt erahnen wir immerhin, was alles im Mikroaquarium lebt:

1  Milnesium tardigradum, auf Moospflänzchen kletternd.
2  Mittelgroßer Heterotardigrade (Echiniscus sp.)
3  Kleiner Eutardigrade, mit orangegelber Magenfüllung.
4  Mittelgroßer Eutardigrade, ventral, eingekrümmt.
5  Eutardigrade und sehr kleines Echiniscus-Bärtierchen, nebeneinander.
6  Mittelgroßer Eutardigrade, mit grünem Mageninhalt
7  Großes Echiniscus-Bärtierchen, lebhaft strampelnd
8  Großes Echiniscus-Bärtierchen, weniger lebhaft
9  Zwei Bärtiercheneier, Durchmesser ca. 65 µm (=0,065 mm)


Nun kommt allerdings die Ernüchterung: Auch mit einem recht bescheidenen Kursmikroskop könnten wir das gesamte Szenario und insbesondere die Bärtierchen-Eier viel genauer studieren! Das Bild unten zeigt dieselben zwei Eier wie oben, durch das 20er Objektiv und 10er Okular eines Kursmikroskopes betrachtet:


[ Bärtierchen-Eier unter dem Mikroskop ]


Bärtierchen-Eier unter dem Mikroskop, nun nicht mit der Lupe sondern mit Hilfe eines Mikroskopes betrachtet.


In Zusammenhang mit den Mikroskopen gewisser Discounter wird immer wieder gerne betont, daß nicht die Vergrößerung, sondern das optische Auflösungsvermögen den Gebrauchswert eines Instruments bestimmt.
Leider benötigen wir jedoch bei den Bärtierchen sehr wohl eine gewisse Minimalvergrößerung. Was hilft es uns, wenn die Optik zwar hervorragend korrigiert ist, das Bärtierchen für unser Auge jedoch immer noch viel zu wenig stark vergrößert wird?
Das Auflösungsvermögen des bloßen Auges beträgt etwa 0,12 mm. Ein Bärtierchen von 0,2 mm Länge besteht somit (wohlgemerkt unter optimalen Beobachtungsbedingungen!) gerade mal aus zwei Bildpunkten. Wenn wir nun mit der Lupe 10fach vergrößern, werden daraus maximal 20 Bildpunkte in der Körperlängsachse, ca. 7 in der Breite. Das ist nicht mehr Bildinhalt als der eines Windows-Sanduhr-Icons. Und, Reserven für die in der Praxis stets ungünstigeren Beobachtungsbedingungen haben wir noch nicht eingerechnet. Langer Rede kurzer Sinn:

10fache Vergrößerung reicht nicht aus!

Nun gibt es aber auch stärker vergrößernde Lupen. Wir haben bereits im letzten Journal darauf hingewiesen, daß die höheren Lupenvergrößerungen jedoch massive Nachteile mit sich bringen. Gesichtsfeld, Beleuchtungsqualität und verwertbarer Schärfebereich werden immer geringer und schon ein geringes Verkippen der Lupe aus der Horizontalen verdirbt uns die Bildqualität.
Haben Sie sich übrigens mal überlegt, wozu die Löcher in manchen Lupengriffschalen dienen könnten, wie wir sie im letzten Journal gesehen haben? Hier ist die Lösung:



[ Lupenstativ ]


Lupenstativ mit aufgesteckter Einschlaglupe. Aus Henry Scherrens Buch "Through a Pocket lens", London 1897.


Dr. Hagers Präpariermikroskop treibt die Entwicklung noch ein wenig weiter:


[ Lupenstativ ]


Hagers Präpariermikroskop, um 1880.


Die gezeigten Geräte haben für uns allerdings einen schwerwiegenden Nachteil: Es gibt sie seit einigen Jährchen leider kaum mehr zu kaufen.

Schauen wir deshalb, was es an modernem Ersatz gibt. Ein besonders fesches und leider nicht ganz billiges Teil ist z.B. die "Betamag"-Klapplupe, welche das Stativ quasi schon im Gehäuse eingebaut hat:


[ Betamag-Lupe ]


"Betamag"-Klapplupe. Hohe Vergrößerung (20x), dementsprechend geringer Arbeitsabstand.
Die mit Hilfe des Schraubgewindes fokussierbare und per Kontermutter arretierbare Optik links verschwindet beim Transport unter dem massiven, verchromten Metalldeckel (hier im aufgeklappten Zustand gezeigt).


Es geht aber auch ganz billig: Manche ausgediente Webcams der ersten Generation haben hochwertige Glasobjektive, welche ausgebaut werden können, geradezu irrsinnig scharf zeichnen und bis zu 30fach vergrößern.
Häufig ist noch dazu eine Schraubfassung vorhanden, welche für uns als Fokussiervorrichtung wertvolle Dienste leisten kann.


[ Webcam-Objektiv als Lupe ]


Webcam-Objektiv als stark vergrößernde Lupe. Halterung: Glühbirnenfassung aus altem Fahrradscheinwerfer. In Verbindung mit einem kleinen Dialeuchtpult als ultraminiaturisierte Durchlichtlupe einsetzbar.


In der nächsten Ausgabe des Bärtierchen-Journals werden wir diskutieren, inwieweit diese Powerlupen uns ans Ziel bringen.


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© Text und Fotos von  Martin Mach