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[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
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Ein 4cm-Mikroskop

Natürlich ist es immer wieder faszinierend, einen Blick in die transparente Lebenswerkstatt der Bärtierchen werden zu dürfen. Wo sonst können wir schon alle frühen biologischen Entwicklungsstadien auf derart einfache Weise mitverfolgen - ohne chemisches Fixieren, ohne Mikrotomschnitt oder andere aufwändige Präparierarbeiten? Und wenn wir vorsichtig sind, gelingt es sogar, völlig zerstörungsfrei zu beobachten, ohne die Lebensvorgänge zu beeinträchtigen.


[ Detailaufnahme von einem Bärtierchengelege ]

Detailaufnahme vom Gelege eines Echiniscus-Bärtierchens (das Bärtierchen hat seine Eier nach der Häutung in der alten Hauthülle zurückgelassen). Das Mikroskop ist auf eines von insgesamt 8 Eiern fokussiert. Achten Sie auf die gut erkennbaren Ei-Zellwände im noch nicht differenzierten "Morula" (Maulbeer)-Stadium, mit völlig gleichartig aussehenden Zellen. Oben links im Bild ist die Skulpturierung der abgeworfenen Cuticula schön zu erkennen. Bildbreite ca. 0,1 mm.

Wenn aber dann doch mal wieder der CCD-Chip der Kamera verstaubt ist oder ein anderes technisches Problem auftritt, fragen auch wir uns gelegentlich: Könnte das alles nicht noch ein wenig einfacher sein? Bei Ebay z.B. gibt es doch neuerdings diese winzigen Taschenmikrosope? Spottbillig noch dazu, und mit elektrischer Beleuchtung!


[ Taschenmikroskop (Ebay) ]

Taschenmikroskop (Ebay). Rechts im Bild, zum Vergleich, eine winzige, zweilinsige 20fach-Lupe, wie sie früher bei Studentenpraktika zum Einsatz kam.

Nur ein dümmliches Billigspielzeug? Um es gleich vorwegzunehmen: Der oben gezeigten Praktikumslupe ist das Taschenmikroskop deutlich überlegen.


[ Taschenmikroskop (Ebay) ]

Taschenmikroskop (Ebay). Abmessungen: ca. 40 mm x 40 mm x 20 mm. Gewicht 20g. Preis inklusive Versand: 3,50 €. Vorne in der Bildmitte ist die (schwarze) Einblicköffnung zu sehen, das Batteriefach rechts daneben beherbergt drei Knopfzellen. Obenauf das Rändelrad zur Fokussierung.

[ Taschenmikroskop (Ebay) ]

Taschenmikroskop (Ebay). Mit Hilfe des Dreipositions-Schiebeschalters links bzw. des schwarzen Druckknopfs auf der Oberseite des Geräts lassen sich die drei (!) LED-Lichtquellen bedienen. Der Druckknopf schaltet eine 400nm Blaulicht-LED (wer sonst hat schon ein Mikroskop mit integriertem Geldscheinprüfer?), via Schiebeschalter läßt sich eine LED als Taschenlampenlicht betreiben sowie die dritte LED, das eigentliche Mikroskopierlicht, einschalten. Diese dritte LED liefert ein mikroskopisch gut nutzbares Schräglicht.

Und weil wir schon mal dabei sind, stemmen wir das Teil gleich auf, um auch das Innenleben betrachten zu können:


[ Taschenmikroskop (Ebay) ]

Taschenmikroskop (Ebay). Rechts im Bild, in dem schwarzen Zylinder befindet sich die zweilinsige Optik, die mit Hilfe des Fokusrades auf und ab bewegt werden kann. Die Einblicköffnung besteht leider nur aus einem einfachen Loch, trägt keine Optik.

Die optische Leistung? Nüchtern betrachtet haben wir es natürlich nicht mit einem Mikroskop zu tun, man sollte vielmehr von einer starken Lupe sprechen. Die Felderung der bekannten Testdiatomee Triceratium wird dementsprechend vom Taschenmikroskop gerade nicht mehr aufgelöst.

Zum Vergleich: Weder mit der oben gezeigten Praktikumslupe, noch mit einer sehr guten 30fach Klapplupe ist die Triceratium-Felderung für uns erkennbar. Im MBS-10 Stereomikroskop, bei 28facher Vergrößerung, zeigt sie sich jedoch gerade noch. Auch die vielgescholtenen "Kaffeeröster"-Spielzeugmikroskope würden übrigens diese Felderung erkennen lassen (wenn auch in kleinerem Bildfeld und bei insgesamt weniger erfreulicher Bildqualität).

Das Gesichtsfeld des Taschenmikroskopes ist nicht allzu groß, immerhin lassen sich damit 5,5 Millimeter Objektlänge überblicken. Allerdings sind von diesen 5,5 Millimetern lediglich die zwei mittleren wirklich knackescharf, das übrige Bildfeld erscheint verschwommen und verzerrt.

Nun kommt die bittere Pille: Mit Hilfe eines MBS-10 Stereomikroskopes erkennen wir bei 28facher Vergrößerung und zigfach größerem Arbeitsabstand feinere Details besser und können zudem eine ca. 20x (!) größere Objektfläche überschauen. Beim Ebay-Taschenmikroskop sind Arbeitsabstand und Blickfeld einfach zu gering, um auch nur eine Petrischale sinnvoll durchzumustern. Wer aber z.B. Briefmarken, mikroskopische Fertigpräparate auf Objektträgern oder andere ebene Oberflächen anschauen möchte, könnte mit dem kleinen Silberling durchaus alles Erwünschte erkennen können.
Summa summarum: In Anbetracht des Preises ein erstaunlich leistungsfähiges Gadget, für unsere Bärtierchenstudien jedoch leider nicht sinnvoll einsetzbar.


Im nächsten Journal werden wir uns unter anderem mit neuen Entwicklungen in der 3D-Bildverarbeitung befassen, die auch bei den Bärtierchen zu erstaunlichen Ergebnissen geführt haben.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach