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Bärtierchen, Gelbe-Rüben-Carotin und das DIY-Raman-Spektrometer (VI)

Bärtierchen studieren wir in erster Linie mit Hilfe des Mikroskops, völlig klar. Ein Spektrometer hilft uns allerdings auch, jedoch in subtilerer Weise, und mit höherem intellektuellem Anspruch (vgl. Journale von Februar und März).

Rein theoretisch kommt das Spektrometer auch in den schulischen Lehrplänen vor. Beim durchschnittlichen Erwachsenen scheint jedoch leider rein gar nichts davon angekommen zu sein. Ein grundsätzliches Verständnis des Funktionsprinzips und der dank des Spektrometers gewonnenen Erkenntnisse wäre unserer Ansicht nach jedoch sehr, sehr wichtig: Chemische Zusammensetzung des Universums, Entstehen und Vergehen von Sonne und Sternen, Einsicht in die kontinuierliche Ausdehnung des Weltalls ("Red Shift"), Eigenschaften von IR- und UV-Strahlung etc. Falls dann in der Schule immer noch Zeit bleibt, können selbstverständlich nach wie vor die Jahreszahlen des Siebenjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens auswendig gelernt sowie Schillers "Glocke" vorgestottert werden.

Wir versuchen es hier mit einem kleinen Spektroskopie-Crashkurs. Wie bereits erwähnt, ist das Spektrometer in seiner Rolle als Detektor Bestandteil unseres Raman-Experimentes:


[ Raman DIY Spektrometermikroskop ]

Abb. 1: Der Kontext - Weiterbau an unserem Raman-Spektrometermikroskop. Wie bereits früher geschildert, entstehen durch die Laserbestrahlung der Probe auf dem Mikroskop-Objekttisch vergleichsweise schwache, jedoch materialspezifische Ramansignale, deren Wellenlänge sich von der des Anregungslasers unterschiedet. Diese Ramansignale können wir oben am Fototubus des Mikroskops abgreifen. Als vermittelndes Element dient uns eine x-y-Positionierplatte (1), die das informationshaltige Laserlicht präzise auf das Eingangsfenster (2) eines flexiblen Lichtleiters (3) abbildet und zum Spektrometer (4) weiterleitet. Bitte aufpassen mit dem Laser - unsere Okulare zeigen, wenn sie nicht abgedeckt sind, gegen eine Wand und können dort keinen Schaden anrichten!

Damit wäre im Prinzip fast schon alles gesagt. Der wissenschaftshistorische und technische Kontext der Spektrometrie ist jedoch derart faszinierend, dass wir ihn hier einfach kurz aufrollen müssen. Wenn man heute herumfragen würde, welches naturwissenschaftliche Erkenntnis-Instrument die Menschheit am weitesten vorangebracht hat, wird man vermutlich zunächst das Mikroskop genannt bekommen, vielleicht auch noch das Teleskop (man denke nur an die eindrucksvollen Fotos des Hubble-Teleskops), nie jedoch die Welt der Spektrometer. Vielleicht weil die meisten Spektrometer keine direkte, mit dem Alltagsleben abgleichbare, visuelle Information liefern.



[ Altes Taschenspektroskop ]


Abb. 2: Ein Vorfahre des elektronischen Spektrometers, das einfache optische Taschenspektroskop. Einblick im Bild oben links. Rechts unten erkennt man zwei mittels Rändelschraube verstellbare Metallbacken, mit deren Hilfe sich die Breite des Eingangsschlitzes regulieren lässt (Abgleich zwischen Wellenlängen-Auflösung und Bildhelligheit). Eine im Inneren der Röhre, in der Nähe des Einblicks angebrachte Prismenkette aus drei oder fünf miteinander verketteten Prismen spaltet das einfallende Licht nach Wellenlängen auf. Man sieht dann ein, je nach Objekt mehr oder weniger stark modifiziertes Regenbogenspektrum, wie in der nächsten Abbildung.



[ Blick ins Taschenspektroskop ]

Abb. 3: Blick durch ein typisches Taschenspektroskop, hier ein Instrument mit zusätzlich eingespiegelter Wellenlängenskala. Man erkennt die typischen Regenbogenfarben bei den Wellenlängen zwischen ca. 400 und 700 nm. Links schliesst sich das (unsichtbare) Infrarot an, recht das (ebenfalls unsichtbare) Ultraviolett. Leider offenbart sich auch eine unzureichende Ablesegenauigkeit der Wellenlängen, und bei den jeweiligen Intensitäten ist man natürlich auf visuelle Schätzung angewiesen. Das hier abgebildete Spektrum entsteht, wenn man einen Almandin - einen roten Granat-Schmuckstein - bei weißem Licht durch das Spektroskop betrachtet. Der Almandin "schluckt" (absorbiert) Licht an drei Stellen des Spektrums und zwar bei Wellenlängen von etwa 505 nm, 525 nm und 575 nm. Man muss hierbei schon in etwa wissen, wonach man sucht. Präzisere Wellenlängenangaben und zahlenmäßige Intensitäten liefert uns dieses Spektroskop leider nicht. Man könnte aber damit beispielweise auf einem Flohmarkt einen roten Almandin von einem roten Glas unterscheiden. Und es gibt noch viele weitere Anwendungen. Wenn man so ein Spektroskop beispielsweise gegen eine herannahende Wolke hält, kann man mit Hilfe einiger charakteristischer, grauer Linien im Spektrum (der sogenannten Regenbanden) den Wassergehalt der Wolke und somit das Regenrisiko abschätzen. Ein Blick gegen den Himmel offenbart weiterhin die berühmten Fraunhoferschen Linien (schwarze Linien im Regenbogenbild), welche dem Physiker Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Sonne erlauben. Und ein Forensiker des 19. Jahrhunderts konnte mit diesem Spektroskoptypus bereits einen Tropfen Blut von einem Tropfen roter Tinte unterscheiden.

[ Chemiker-Taschenspektroskop ]

Abb. 4: Spezielle Spektroskope für Chemiker erlauben es, ein Reagensglas in den Strahlengang einzubringen und dessen Spektrum mit dem einer eingespiegelten Vergleichssubstanz abzugleichen. Hier im Bildbeispiel haben wir das bei den Bärtierchen wichtige Carotin als Lösung eingefüllt. Der Informationsgewinn ist allerdings nur sehr bescheiden. Im Spektrum zeigt sich, gemäß der orangeroten Farbe der Lösung, eine starke Absorption im Blau und Blaugrün, der Rest des Regenbogens leuchtet unverändert, ohne visuell leicht auswertbare Absorption. Genau deshalb bauen wir uns ja das Raman (unter anderem ...).

Die schlechte Nachricht für die Freunde der historischen Instrumente lautet nun: Die elektronischen Geräte mögen vielleicht äußerlich nicht viel hermachen, wer allerdings erst einmal damit gearbeitet hat, wird nur noch in Ausnahmefällen zu den optisch und mechanisch edleren Oldies zurückkehren!



[ Science-Surplus VIS Spektrometer ]

Abb. 5: Das von uns für das Raman-Experiment eingesetzte Spektrometer kostet bei Science-Surplus in den U.S.A. gerade mal 200 US$ netto, wenn man den Mut zur eigenständigen Justage aufbringt. Es werden allerdings daraus flugs 500 US$, wenn man die Justage vorab vom Profi erledigen lässt. Dieses Spektrometer ist älterer Bauart, es muss über einen seriellen Port (RS232) mit dem Computer verbunden werden. Für unsere Experimente ideal ist das zur Wellenlängenaufspaltung zum Einsatz kommende, sehr feine Beugungsgitter (statt des Prismas im Spektroskop) mit 1.800 Linien pro Millimeter. Netzteil, Lichtleiter und Software sind Teil des Lieferumfangs.
Ach ja, und dann wäre da natürlich noch der deutsche Zoll, der solche Geräte offensichtlich ebenfalls interessanter findet als die sonst seinen Tisch passierenden Tierleichen, die Zigaretten, den vielen Alkohol und das sonstige miese Gerümpel.


[ Science-Surplus VIS Spektrometer, Innenasicht ]

Abb. 6: Blick in das Innenleben des Science-Surplus Spektrometers. Etwa in der Mitte des Bildes ist das standardmäßig deaktivierte, jedoch funktionierende Kühlgebläse für den Detektor zu sehen (mit den eingetieften Rillen). Man kann den Kühler in Betrieb nehmen, erreicht dadurch ein geringeres Detektorrauschen, handelt sich aber gleichzeitig eine üble Geräuschentwicklung und Kondensationsprobleme ein.


[ Science-Surplus VIS Spektrometer, optische Zelle ]

Abb. 7: Blick in die eigentliche Spektrometerzelle. Hier wird das vom Lichtleiter durch einen Blendenspalt eingeleitete Licht mit Hilfe zweier Spiegel und eines Beugungsgitters in seine Wellenlängen aufgesplittet und anschließend auf einen Linearsensor (rechts im Bild, das Computerchip-Bauteil mit den silbrigen Beinchen, eine laaaange Kette mit rund 2.000 Detektorpixeln) projiziert. Den Rest erledigt, wie heutzutage immer, ein Computer. Michael von Science-Surplus charakterisiert sein eigenes Verkaufsprodukt zwar als eher langsam, es kann aber notfalls mit nur 50 Millisekunden Messzeit ein komplettes Spektrum aufzeichnen - gar nicht so schlecht.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach