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Bärtierchen, Gelbe-Rüben-Carotin und das DIY-Raman-Spektrometer (II)

Im letzten Journal haben wir einen einfachen, ramanspektrometrischen Carotin-Nachweis am Bärtierchen vorgestellt. Wir können nun den nächsten Schritt wagen und mittels Raman-Spektrometrie untersuchen, ob die orangeroten Echiniscus-Bärtierchen sich ihr Carotin selbst synthetisieren oder es womöglich mit der Nahrung aufnehmen. Das Ergebnis sehen Sie hier:


[ Echiniscus Bärtierchen 'Tönnchen' im Raman ]


Abbildung: Ergebnisse aus der Raman-Spektrometrie (vgl. letztes Journal #200).
- Rote Kurve: Raman-Spektrum eines knapp 50 µm großen Echiniscus sp. "Tönnchens"
- Orange Kurve: Raman-Spektrum einer Scheibe von einer Gelben Rübe
- Dunkelgrüne Kurve: Raman-Spektrum eines von Echiniscen bewohnten Mooses
Im Moos sind demnach ebenfalls Carotinoide nachweisbar (grüne Ausrufezeichen über den zwar schwachen, jedoch an den richtigen Positionen auftretenden Carotinbanden).
Alle gezeigten Analysen wurden mit einem DIY Raman-Mikroskop-Spektrometer aufgenommen.

Ein recht erfreuliches Ergebnis! Wir sehen ganz nebenbei, dass das Moos neben den hier interessierenden Carotinoiden auch noch eine massiv fluoreszierende Substanz enthält. Nachdem das Moos ja alles andere als orange ist und die Position des großen breiten Buckels ganz rechts im Moos-Spektrum gut mit der Fluoreszenz von Chlorophyll in Einklang zu bringen ist, haben wir im Moos nun das Carotin neben dem Chlorophyll nachgewiesen. Angeblich schützt das Carotin, dank seiner vielen Doppelbindungen pflanzliches Chlorophyll vor destruktiver Oxidation. Wir glauben das einfach mal, nachdem das Carotin-Molekül ja nun zweifellos reichlich (oxidierbare) Doppelbindungen aufweist, die sich quasi für den Chlorophyll-Erhalt opfern können:


[ Echiniscus Bärtierchen 'Tönnchen' im Raman ]


Abbildung: Strukturformel des in der Natur wohl am häufigsten vorkommenden Carotinoids, des ß-Carotin. Es hat viele Doppelbindungen, die Sauerstoff binden können. Auch wenn das Carotin sehr wahrscheinlich den Bärtierchen hilft, im Tönnchenzustand gut konserviert zu bleiben, sei hier eine Mahnung zur Vorsicht ausgesprochen: Beim Menschen führt der ungehemmte Verzehr von reinem Carotin nicht nur zu einer merkwürdigen, unnatürlich wirkenden, orangeroten Gesichtsfarbe, wie sie derzeit einem gewissen Präsidenten unterstellt wird, sondern leider auch zu erhöhten Leberwerten. Essen Sie, falls Sie trotzdem optimal oxidationsstabil bleiben wollen, deshalb lieber fein zerriebene Gelbe Rüben, - da ist so in etwa die richtige Carotinmenge drin. Vielleicht liest ja ohnehin der eine oder andere Präsidentenberater hier mit und kann diesen Rat gegebenenfalls weiterleiten?

Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse so interpretieren, dass ein Echiniscus-Bärtierchen das Chlorphyll und das Carotin wohl etwas unterschiedlich behandelt. Das Chlorophyll verbleibt im Wesentlichen im Magen-Darm-Trakt - das sehen wir an der grünen Farbe des Magen-Darm-Traktes im Mikroskop. Ein beträchtlicher Anteil dieses Chlorophylls wird offensichtlich unverändert ausgeschieden - das sehen wir an den grünen "Müllbeuteln" bei der Häutung. Der Rest dürfte chemisch abgebaut, einfach verdaut werden. Das Carotin hingegen wandert, zumindest teilweise chemisch unverändert und in überproportionaler Menge aus dem Magen-Darm-Trakt in die Körperhöhlung, scheint dort als Antioxidans und Pigmentierung (Lichtschutz) zu wirken.



Im Hinblick auf das DIY-Raman wollen wir bewusst langsam beginnen. Es gibt im Internet einige wirklich gute und ausführliche Bauanleitungen. Leider kann sie jedoch kaum jemand wirklich exakt nachahmen: Unterschiedliche individuelle Gegebenheiten verhindern nämlich zuverlässig einen gemeinsamen Bauplan, der bei den meisten Interessenten einigermaßen passen könnte:

-- Unterschiedliche Ansprüche (Messbereich, Empfindlichkeit, Genauigkeit, Auflösung)
-- Unterschiedliche technische Voraussetzungen bei den bereits vorhandenen Mikroskopen
-- Krasse Budgetunterschiede
-- Lokal unterschiedliche Bezugsmöglichkeiten für Filter, Laser- und Spektrometermodule
-- Last but not least: unterschiedliche Sicherheitsanforderungen (Laser!)


Es erscheint deshalb ratsam, das Bauschema zunächst in seiner grundsätzlichen Wirkungsweise möglichst optimal zu verstehen ("generisch") und erst anschließend selbst kreativ tätig zu werden.

In seiner einfachstmöglichen Variante ist das Raman-Mikroskop-Spektrometer wie folgt zu beschreiben:

>> Starker Laserstrahl, exakt auf eine winzige Probe fokussiert
>> Neben 99,9 % unverändert rückgestreutem Laser bilden sich ultrawinzige Ramansignale
>> Nach Ausfilterung des Lasers ("Longpassfilter") bleiben dann nur noch die Ramansignale übrig,
>> diese werden in einem käuflichen Spektrometermodul nach Wellenlängenanteilen aufgesplittet
>> und fertig ist das Spektrum!


Theoretisch sind deshalb für eine funktionierende Minimalversion nur sehr wenige Bauelemente nötig:

Kleiner Halbleiterlaser (starker Laserpointer) - Fokussieroptik - Probenhalterung - Lasersperrfilter - Fokussieroptik - Wellenlängenaufspaltung (Spektrometerbaustein, meist fertig käuflich).


Details folgen.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach