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Bärtierchen im Isar-Hochwasser

Schon öfters hatten wir darüber nachgedacht, welchen Einflüssen wir die faszinierende Bärtierchen-Artenvielfalt im Münchner Isarflußbett zu verdanken haben. Zunächst dachten wir in erster Linie an einen "Fremdenverkehr" durch bemooste Äste oder ganze Bäume, die gelegentlich in der Isar treiben.

Eine weitere, sehr viel einleuchtendere Reisemöglichkeit bietet jedoch das Isar-Hochwasser. Es blieb nun nur noch zu klären, in wieweit die Bärtierchen tatsächlich im Hochwasser zu finden bzw. überlebensfähig sein könnten. Wir haben deshalb das Isarhochwasser im August 2010 zum Anlaß genommen, genau dieser Fragestellung nachzugehen.


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Video (~1 MB): Isarhochwasser am 7. August, auf der Höhe der Praterinsel in München.


[ Isarhochwasser am 7. August 2010 in München ]

Das Isarhochwasser am 7. August 2010 in München. Blick vom Kabelsteg nach Süden.


[ Isarhochwasser am 7. August 2010 in München ]

Das Isarhochwasser am 7. August 2010 in München. Blick vom Kabelsteg nach Norden.
Quasi ein wenig Amazonas in der aperolschwangeren Großstadt.


Da immer mal wieder jemand in der Isar ertrinkt, und das ist nun wirklich alles andere als komisch, müssen wir vorab alle Bärtierchenforscher und Bärtierchenfischer zur Vorsicht mahnen. Die Redaktion hat sich bei der Probenahme deshalb für eine komfortable Treppe mit sicherem Geländer (!) entschieden:


[ Isarhochwasser am 7. August 2010 in München ]

Vergleichsweise sichere Treppe mit komfortablem Zugang zum Isar-Hochwasser


Als Probenahmewerkzeug diente uns eine 2 m lange Holzstange mit einem Planktonnetz von 105 µm Maschenweite. Dank der langen Stange gelang es, eine einwandfreie Fließwasser-Oberflächenprobe abzugreifen. Im Probengefäß verdichtete sich so allmählich ein schwärzlicher Hochwasserschlamm.
Eine erste Auswertung am heimischen Arbeitsplatz zeigte feine Sandkörnchen und vergleichsweise viele Fasern. Die Fasern bestehen wohl primär aus ausgespültem, feinem Wurzelwerk (es leuchtet ja durchaus ein, daß das Hochwasser insbesondere am Wurzelwerk der angrenzenden Bewuchszonen angreift).


[ Mikroskopische Aufnahme des Hochwasserschlammes ]

Mikroskopische Ansicht der, mit dem 105 µm Planktonnetz gefischten, Isarhochwasserprobe. Auffällig hoher Anteil an (Wurzel-)Fasern.


Es dauerte einige Zeit, bis wir das erste Bärtierchen gefunden hatte. Es entsprach jedoch den Vorurteilen, die wir im Hinblick auf unsere Planktonnetz-Exoten-Rasterfahndung im Kopf hatten: Stark pigmentiert, quicklebendig und sehr temperamentvoll!


[ Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser ]

Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser. Totale, Körperlänge ca. 0,5 mm.

[ Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser, Detail ]

Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser, Detailaufnahme des letzten Beinpaares: Krallen vom Macrobiotus-Typ.

[ Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser, Detail ]

Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser, Blick auf den Rücken (die hintere Körpermitte), Kopfseite links-oben. Es handelt sich um ein Weibchen: die in Richtung der Körper-Längsachse linear-paarig angeordneten, kugelförmigen Zellen sind Eizellen, keine Speicherzellen.

[ Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser, Detail ]

Bärtierchen aus dem Isar-Hochwasser, Detail, Kopfbereich. Makroplakoide im Schlundkopf wie bei Macrobiotus hufelandi.


Alles in allem, aufgrund der dunklen Pigmentierung, ein mutmaßliches Bergbauern-Bärtierchen, wohl von der gängigen Art Macrobiotus hufelandi.

Wir haben somit plausibel gemacht, daß Bärtierchen durch das Hochwasser-Flußwasser transportiert werden und in diesem, nicht gerade sanften, Milieu durchaus lebensfähig sind.

Die hierdurch entstehende ethnische Durchmischung im Münchner Raum findet ihre Entsprechung beim Homo sapiens. Auch wenn beim Homo sapiens vorrangig trockene Zuzugsmechanismen anzunehmen sind, erscheint eine nachfolgende, nachhaltig wirksame innere Befeuchtung, zum Beispiel anläßlich des berüchtigten Münchner Oktoberfestes, durchaus plausibel, weshalb die Unterschiede zwischen Mensch und Bärtierchen auch auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs als gering einzustufen sein dürften.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach