Das chinesische TWX-1 Kompaktmikroskop (III) Genau wie die Hobbyphotographen laufen auch wir Hobbymikroskopiker Gefahr, vor lauter
Begeisterung für die Finessen der Instrumente unsere eigentliche Aufgabe, eben das photographische
oder mikroskopische Beobachten und Dokumentieren, zu vergessen. So beklagt der Diatomeenspezialist
Frank Eric Round in seiner Diatomeenbibel, die Forscher seien vor lauter Begeisterung über
die Feinstruktur der Diatomeenschalen (und deren instrumentelle Visualisierung) bedauerlicherweise
derart gefesselt gewesen, daß andere, nicht minder wichtige Diatomeen-Arbeitsgebiete zeitweise
erheblich gelitten hätten. |
Mikroskopische Übersichtsaufnahme eines käuflichen Diatomeen-Präparates - Hersteller Klaus Kemp;
bitte selbst im Internet nachsuchen und nicht bei uns fragen - mit den folgenden Testdiatomeenschalen: |
Um Ihnen eine Vorstellung von den Größenverhältnissen
zu geben, zeigen wir das Testpräparat zunächst in moderater Detailansicht,
mit der vollen Breite des Objektträgers, und dann, weiter unten, im ausgereizten
Makromodus einer guten Digitalkamera: |
Objektträger mit dem oben dargestellten Diatomeentestpräparat. Der dicke, schwarze Lackring hat einen Außendurchmesser von 1,1 cm, die innere Doppelringmarkierung von 0,3 cm. Von den eigentlichen Testdiatomeen ist - wie Sie zugeben werden - leider rein gar nichts zu sehen. Aufnahme mit einer Nikon Coolpix 995 Kamera, deren spektakuläre Makrofunktion unter den kompakten Digitalkameras unserer Ansicht nach bis heute unübertroffen ist. |
Noch ein wenig näher ran, bis zum Anschlag, hinein in den Digitalzoom, wieder mit der Coolpix. Die Diatomeen werden jetzt, wenn auch sehr schwach, sichtbar. An diesem Bildbeispiel wird die Grenzlinie zwischen ambitionierter Makrophotographie und dem, noch deutlich schwierigeren, Bereich der Mikrophotographie erkennbar. |
Daß es nicht an der Coolpix, sondern am Testpräparat liegt, sei anhand folgender Coolpix-Makroaufnahme einer Kugelschreiberspitze demonstriert, die unter ähnlichen Bedingungen wie das Diatomeenpräparat oben aufgenommen wurde: |
Viel einfacher zu bewerkstelligen: Klassische Makroaufnahme einer Kugelschreiberspitze - mit blauer Tintenkugel. Kamera: Nikon Coolpix 995. |
Unter dem Mikroskop, egal welchem Mikroskop, offenbart das Testpräparat schließlich sein volles Frustrationspotential,
nicht nur für Anfänger: |
Die Objektive des TWX-1 sind winzig und stehen dicht nebeneinander: |
Der sehr kleine Objektivrevolver des TWX-1 Mikroskopes. Trotz des kompakten Aufbaus haben die Ingenieure sogar noch eine - hier nicht sichtbare - Innenrastung untergebracht. |
Die Messing-Objektivgewinde am Objektivrevolver des TWX-1 Mikroskopes |
Die drei TWX-1 Objektive im Größenvergleich mit einem Standardobjektiv aus westlicher Fertigung. Nota bene: Feine Messinggewinde an den chinesischen Objektiven. |
Quasi bis zum Hals voll gefüllt mit Glas: das 10er Objektiv. Außerdem zu sehen: abschraubbare Hülse des 45er Objektivs. |
Mit dem 45er Objektiv wird die Felderung von Pleurosigma angulatum aufgelöst, womit für dieses Objektiv, trotz der relativ bescheidenen Numerischen Apertur von 0,63 und trotz der Winzigkeit die Gleichwertigkeit mit einem klassischen 45x/0,65 Objektiv plausibel gemacht wäre. |
Das 45x Objektiv des TWX-1 löst die Felderung von Pleurosigma angulatum problemlos auf. Foto mit CP-Adapter vom indischen Ebay-Händler und Nikon Coolpix 995. |
Das 10er Objektiv des TWX-1: die Auflösung ist sehr gut, es zeigt jedoch eine deutliche Bildfeldwölbung. Diese Wölbung können wir allerdings gut in Kauf nehmen, weil wohl niemand von uns unbedingt unterwegs Ultradünnschnitte durchmustern wird. Die Bärtierchen sind sowieso alles andere als plan und als faire Mikroskopiker quetschen wir sie natürlich auch nicht! Als Beleg für die praktische Verwendbarkeit des 10x Objektivs mag folgende Aufnahme (Kamera auf Okular und "knips") eines Diatomeen-Kreispräparates dienen: |
Diatomeen-Kreispräparat, mit dem 10x Objektiv des TWX-1 photographiert. |
Es fehlt noch eine Beurteilung des TWX-1 90er Objektivs anhand der schwierigen Testdiatomee Amphipleura pellucida. Dies holen wir im nächsten Journal nach. Damit es nicht zu einfach wird, haben wir mit dem normalen, ungefilterten TerraLux-LED-Weißlicht, ohne Kondensorimmersion und mit der mittlerweile doch recht betagten Coolpix 995 gearbeitet. |
Last but not least freuen wir uns, eine kleine Bärtierchenmikroskopie-Sensation
ankündigen zu können: Wir erproben derzeit einen neuen Tardigradensensor bzw.
Kleinstbärendetektor. |
Literatur |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |