Natürlich hat ein zu alter Oldie auch seine Besonderheiten, manchmal Macken. Im Falle des oben gezeigten
Hensoldt-Mikroskopes könnte man zum Beispiel bemängeln, daß ein runder Objekttisch eigentlich auch drehbar sein sollte -
ist er aber nicht, ledig chic und rund, nicht drehbar. Die Fokussierung läuft trotz - oder vielleicht gerade wegen -
der geradezu erschreckend einfachen, jedoch handwerklich sauber ausgeführten Innenkonstruktion auch heute noch absolut geschmeidig. Wirklich erstaunlich,
wenn man bedenkt, daß die Objekttischbewegung durch viele kleine, lose Kugeln vermittelt wird, die lediglich durch ausgesprochen dünne,
zylindrische Stahldrahtschienen in den vorgesehenen Bewegungsbahnen gehalten werden!
Wer weniger Restaurierungsrisiken eingehen möchte, greift zu Mikroskopen, die etwas neuer sind, jedoch nicht unbedingt viel neuer - zum Beispiel 10 Jahre neuer.
Das ultrasolide Hertel & Reuss "CN-hF" aus den 1970er Jahren beispielsweise schmückt sich mit dem angeblich weniger sammelwürdigen Hammerschlaglack - zur Herstellungszeit hieß es: "moderner Strukturlack". Es steht
auf dem Tisch so stabil wie ein Fels. Und alles, was bei den mattschwarzen Mikroskopen noch ein wenig provisorisch wirkt, erscheint hier perfekt durchkonstruiert. Keine Kompromisse, keine Maßtoleranzen,
kein Wackeln, kein Tischzittern, keine sich lösenden Schrauben. Die Laufbahnen der Objekttisch-Höhenverstellungsschienen werden von
geradezu gnadenlos präzise eingepaßten Kugellagerkäfigen sehr wirkungsvoll unterstützt. Der Aufwand hat sich gelohnt: Beim Fokussieren
bewegt sich wirklich nur die Schärfentiefenebene in z-Richtung, sonst nichts. Ein im Inneren des Stativs verstecktes, riesiges Schneckenrad überträgt die Drehung der Fokusräder
sanft und ohne jegliches Spiel auf die sehr massive, breite Tischführung - für die Lehrlinge bei Hertel & Reuss dürfte die Ausbildung dementsprechend hart, aber ergiebig gewesen sein.
Und, fast nebenbei, verfügt das CN-hF über eine optische Ausrüstung, deren Abbildungsleistung
so manchen modernen "Semiplan-Achromaten" locker ins Abseits rückt. Auch harmonieren die Objektive sehr gut mit neuzeitlichen Weitwinkelokularen,
so dass der Betrachtungskomfort den heutigen, stark veränderten Ansprüchen und Betrachtungsgewohnheiten gerecht werden kann.
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