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Bärtierchen, Naturalists und die große Triplett-Verzweiflung (II)

Zunächst war es nur eine vage Idee: Könnte man nicht den visuellen Eindruck vom Blick durch die unterschiedlichen, im Internet teils kontrovers diskutierten Lupentypen für Biologen anhand eines Testobjekts fotografisch dokumentieren und auf diese Weise zur Versachlichung und Objektivierung beitragen?

Wir erinnern uns: Es geht zunächst einerseits um die einfachen Zylinderlinsen-Lupen, welche - so hört man zumindest gelegentlich - von den sehr wenigen, weniger seriösen deutschen Fachhändlern als dreilinsige Systeme, ja sogar als Achromaten angeboten werden, andererseits um die "echten" Tripletts, die tatsächlich aus drei verkitteten Linsen mit unterschiedlichen Glassorten bestehen und die deshalb besser abbilden können (vgl. die beiden Kandidaten in Abb. 1).


[ Zylinderlinsenlupe und 6 LED-Triplettlupe ]

Abb. 1: Zwei Internet-Megaseller, typische Vertreter der Kategorie "10fach Lupe für Biologen und Naturfreunde". Links im Bild sehen Sie eine, weltweit in geradezu ungeheuren Stückzahlen vertriebene "10x21MM"-Billiglupe. Davor liegt die, hier lediglich zu Demonstrationszwecken ausgebaute, zugehörige Einfachlinse. Rechts im Bild befindet sich eine höherwertige Triplett-"LED LOUPE" darunter das zugehörige, aus drei verkitteten Linsen bestehende Triplett-Linsensystem. Man erkennt den komplexeren Aufbau des Triplett-Glaskörpers unter anderem an der seitlichen Montagefuge (Einschnürung wegen der unterschiedlichen Linsendurchmesser).

Sollte Sie nun dieses Lupenthema lediglich en passant interessieren, können Sie einfach flink nach unten zur Abb. 6 scrollen und sehen dort das Bildergebnis der Zylinderlinsenlupe im Vergleich zur höherwertigen Triplettlupe. Falls Sie es jedoch genauer wissen wollen, sollten Sie ganz einfach brav weiterlesen.

Das Technik-Klein-Klein zu den beiden Kandidaten findet sich ebenfalls weiter unten auf dieser Seite, im "Peanuts"-Abschnitt. Angemerkt sei jedoch bereits jetzt, dass der minimale Querschnitt bei der Zylinderlinse in Abb. 1 durchgehend 20,5 mm beträgt, der Querschnitt beim Triplettsystem jedoch bereichsweise bis auf 16,5 mm eingeschnürt, das heißt quasi abgeblendet wird - mit den weiter unten diskutierten, praxiswichtigen Konsequenzen.

In diesem Journal diskutieren wir nur den allgemeinen Bildeindruck, der sich dem Betrachter beim Blick durch diese beiden 10fach Lupen bietet. Auf die maximal mögliche Detailauflösung und den Einfluss der Beleuchtung werden wir erst in späteren Journalen eingehen. Bei den genannten Beurteilungskategorien gab es durchaus Überraschungen, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Ausgefallenere Lupen-Spezialitäten folgen in den späteren Journalen.

Als Versuchsobjekt für den Vergleich der beiden oben abgebildeten Lupen diente uns ein altes Leica-Testdia (zur Einstellkontrolle von Diaprojektoren gedacht):


[ Leica Test-Dia ]

Abb. 2: Leica-Kleinbild-Testdia. Mit Hilfe eines Flachbett-Durchlichtscanners digitalisiert. Die Außenkantenmaße des umlaufenden Schachbrettmusterrahmens betragen 35 mm x 23 mm. Hobbyfotografen wissen, dass man ein solches Kleinbild-Diaformat mit einer 10fach Lupe (egal welcher Art) nicht mehr vollständig überblicken kann, weshalb die zur Diabetrachtung eingesetzten Lupen meist nur eine 4- oder 6-fache Vergrößerung aufweisen. Das Hexagon im Zentrum des Testdias hat übrigens eine Breite von 1,75 cm.

Die experimentelle Durchführung gerät schwieriger als man zunächst annehmen könnte. Es gibt offensichtlich reichlich Einflussfaktoren, die in die fotografische Dokumentation eingehen und unsere Ergebnisse verfälschen können. Nicht testen wollen wir ja das Kamera-Objektiv, die Kamera-Einstellungen, und schon gar nicht unsere eigenen Fähigkeiten beim waagrechten Justieren, Fokussieren usw. Nach viel Probieren fanden wir schließlich ein Weitwinkelobjektiv, das den visuell erzielbaren Betrachtungswinkel bewältigt und vorsorglich sogar noch etwas mehr Randfläche erfasst. Die folgenden Fotos dokumentieren den Bildeindruck durch die einfache Lupe (Abb. 3a) und durch das echte Triplett (Abb. 3b). Als roter Kreis eingezeichnet ist jeweils der ohne Kamera, lediglich mit dem Auge überblickbare Flächenbereich des Testdias.


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Abb. 3a: Foto durch die "10x21MM"-Zylinderlinsenlupe. Verhältnismäßig großes Sehfeld mit ca. 2,5 cm Durchmesser - deshalb fallen entsprechend viele unerwünschte Randeffekte in den visuell überschaubaren Bereich. Aufnahme im Durchlicht, mit Hilfe eines kleinen Leuchtpults.

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Abb. 3b: Foto durch die echte Triplett-"LED LOUPE". Man beachte das hier, trotz sehr ählicher Gesamtvergrößerung wesentlich kleinere Gesichtsfeld von nur etwa 2 cm Durchmesser, welches zu einem erheblich vorteilhafteren Bildeindruck beiträgt.

Die Billiglupe verkauft sich somit vor allem wegen des drastisch größeren, nur schlecht nutzbaren Gesichtsfeldes unter Wert. Beim Durchschauen denkt der Betrachter unweigerlich: Das ist aber ein mieses Bild! Stimmt aber eigentlich nicht. Es liegt in erster Linie am zu weiten Sehfeld - die Triplett-Lupe verzichtet, wie übrigens auch andere hochpreisige Lupen, klugerweise von vornherein auf die problematischere Abbildung der Testdia-Trabantenstädte.


Wenn wir uns lediglich auf die mittleren Bildbereiche konzentrieren, erscheinen die Unterschiede in der Bildqualität der Vergleichskandidaten fast schon marginal. Wie zu erwarten zeigt das einfachere Zylinderlinsensystem, beispielsweise an den Kanten des Hexagons Farbunreinheiten, die jedoch lediglich bei hohem Kontrast störend zutage treten:


[ Leica Test-Dia ]

Abb. 4a: Foto durch die "10x21MM"-Zylinderlinsenlupe. Konzentration auf die Bildmitte. Deutlich erkennbare Farbfehler an allen Außenkanten des Hexagons. Leichter Grünstich, wohl wegen des schwach grünlichen Glasmaterials. Bildbreite knapp 2 cm.

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Abb. 4b: Foto durch die echte Triplett-"LED LOUPE". Konzentration auf die Bildmitte. Bildbreite knapp 2 cm.

Wir wollen nun allerdings nicht herzlos sein und auch den ernsthaften Randunschärfe-Forschern Genugtuung erweisen: Dies wird durch einen Blick auf die Abbildungsqualität in den äußersten Ecken des Testdias möglich. Ähnlich wie bei den bekannten Objektivtests für Foto-Amateure, paart sich auch hier die Sinnlosigkeit des Unterfangens mit einer gleichermaßen stark ausgeprägten, einfach wunderbaren Randunschärfe samt schönem Farbenspiel (siehe unten)! Bei der Betrachtung winziger Bärtierchen-Trockenformen ("Tönnchen") oder eines Käfers in freier Natur kommt das alles natürlich nicht zum Tragen. Aber dann müsste der jeweilige Edeloptikbesitzer mit seiner Lupe womöglich ins Freie gehen ... was mit zunehmendem Alter aus verständlichen Gründen nicht mehr so häufig vorkommt.


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Abb. 5a: Foto durch die "10x21MM"-Zylinderlinsenlupe. Detail im Testdia ganz außen, unten rechts. Achtung: Dieser Flächenbereich ist nur noch von theoretischem Interesse, man "sieht" ihn lediglich mit Hilfe der Weitwinkel-Kamera, nicht beim Blick durch die Lupe!

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Abb. 5b: Foto durch die echte Triplett-"LED LOUPE". Detail im Testdia ganz außen, unten rechts. Achtung: Dieser Flächenbereich ist nur noch von theoretischem Interesse, man "sieht" ihn lediglich mit Hilfe der Weitwinkel-Kamera, nicht beim Blick durch die Lupe!

Aber, nun wieder ganz im Ernst, hier der Bildeindruck durch Billiglupe und Triplettlupe, in der direkten Gegenüberstellung, mit einem praxisnahen Blickwinkel:


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Abb. 6: Der zentrale Abbildungsbereich von Billiglupe und Triplettlupe im direkten Vergleich. Kompilat aus den Abbildungen 4a und 4b, zur besseren Vergleichbarkeit partiell gespiegelt. Im Bereich der Kanten des Hexagons zeigen sich Unterschiede in der Farbstreuung, andeutungsweise auch am Linienmuster im rechten oberen Quadranten des Innenpolygons. Die parallelen Linien in den inneren S/W-Linienmusterquadraten haben übrigens einen Abstand von ca. 0,1 mm.

Wie auch immer Sie sich nun entscheiden, kaufen Sie jedenfalls nicht die Einfachlupe für bis zu € 15 von einem angeblichen Fachhändler und auch nicht eine "6 LED Triplettlupe" für 40 € oder 70 € vom deutschen Weiterverkäufer (der hier lediglich als dumpfer Preismultiplikator fungiert). Das hat übrigens nichts mit einer "Geiz ist geil!" Mentalität zu tun, sondern ganz einfach mit dem menschlichen Grundrecht, sich nicht permanent von jedermann für blöd verkaufen lassen zu müssen.

Sollten Sie nun jedoch über ein nach oben hin nicht ernsthaft beschränktes Budget verfügen, können Sie sich selbstverständlich alternativ etwas Luxus leisten und auf andere, zweifelsohne sehr hochwertige Lupen aus tatsächlich noch deutscher Herstellung zurückgreifen - warum auch nicht?

Im nächsten Journal werden wir uns mit der Frage befassen, welche Details man mit den hier gezeigten 10fach Lupen und anderen Modellen gerade noch auflösen kann. Auch hier hat uns das Ergebnis überrascht.



Technik-"Peanut"-Informationen zu den beiden 10fach Lupen:

(1) "10x21MM" 10fach Lupe mit einfacher Zylinderlinse (in Abb. 1 links)
Im zusammengeklappten Zustand L 37mm, B 25 mm, H 19 mm. Ausgeklappt 62 mm lang. Gewicht des abgebildeten Exemplars 33,3 g. Linsendurchmesser 20,5 mm, Linsenhöhe 13 mm, erkennbar grünliches Glas. Vergrößerungswirkung sehr ähnlich wie bei der Triplettlupe (ca. 10fach). Stabiles Metallgehäuse, vermutlich aus einer Aluminiumlegierung. Die Linse ist mit einem metallischen Gewindering in der Glaskörperfassung reversibel verschraubt, sie kann deshalb vom neugierigen Peanut-Forscher leicht entnommen werden. Werkzeugspuren von arg geschundenen Bohrmaschinen zeugen von mühevoller Arbeit. Grobe Kreuzschlitzschrauben mit Fluchttendenz am Lupengelenk. Reichlich scharfe Kanten. Insgesamt leider nur wenig ansprechende, mediokre Verarbeitungs- und Oberflächenqualität. Nicht allzu dauerhafte Beschriftung.
Man kann nun allerdings mit dieser Lupe so ziemlich alles sehen, was man auch mit 100fach teureren 10fach Lupen sehen könnte, wenn auch vielleicht nicht ganz so wunderschön.
Der Preis im internationalen Ebay inklusive (!) Versand liegt derzeit bei ca. 1,50 €, bei frecheren Händlern jedoch gelegentlich auch mal bei bis zu € 15. Man hüte sich vor gewerblichen deutschen Verkäufern, die diesen Lupentypus wissentlich-vorsätzlich als Dreilinser oder Achromat verscherbeln ("Die genaue Art der Herstellung in China ist mir egal").

(2) 10fach Lupe, verkittetes Triplett, bei Ebay als "6 LED loupe" (in Abb. 1 rechts) Im zusammengeklappten Zustand L 48 mm, B 27 mm, H 24 mm. Ausgeklappt 84 mm lang. Gewicht 50,8 g. Linsensystemdurchmesser 20,5 mm, frontseitig zur Aufnahme des LED-Beleuchtungsrings bis auf 16,5 mm verengt. Linsensystemhöhe 19 mm. Vergrößerungswirkung sehr ähnlich wie bei der Einfachlupe (ca. 10fach). Beleuchtung mit 6 ringförmig nach unten strahlenden Subminiatur-LEDs, deren Licht mit Hilfe einer Kunststoffblende praktisch schattenfrei homogenisiert wird. Ein-/Aus-Schalter. Betrieb mit drei AG7 Knopfzellen. Stahlblech-Außenhalterung und sauber gefrästes Linsengehäuse mit schwarzem Finish, wohl aus einer Alu-Legierung. Hochwertigere Gelenkvernietung, keine scharfen Kanten. Leider ebenfalls mit einer nicht allzu dauerhaften Beschriftung versehen. Kommt mit Schachtel und genähtem Kunstleder-Aufbewahrungsmäppchen. Ein Zerlegen ist nicht vorgesehen. Wer es dennoch wagen will (auf eigene Gefahr!): Man kann den Mattierungsring mit einer Nadel vorsichtig abhebeln, dann purzelt alles auseinander. Aber Vorsicht: Die feinen Stromleitungsdrähtchen und der filigrane SMD-LED-Ring können einer grobmotorisch forschenden Betätigung nicht viel Widerstand entgegensetzen!
Eine wirklich solide Lupe mit klassischem, verkittetem Steinheil-Triplett. Sie liefert eine absolut klare, farbreine Bildqualität. Exzellentes Preis-Leistungsverhältnis, dank der Beleuchtung in lichtschwachen Szenarien unserer Einschätzung nach tatsächlich manchmal die beste und gelegentlich sogar die einzige Lösung.
Im internationalen Ebay inklusive Versandkosten derzeit bereits ab ca. € 15 erhältlich.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach