Bärtierchen, Naturalists und die große Triplett-Verzweiflung (II) |
Abb. 1: Zwei Internet-Megaseller,
typische Vertreter der Kategorie "10fach Lupe für Biologen und Naturfreunde".
Links im Bild sehen Sie eine, weltweit in geradezu ungeheuren Stückzahlen vertriebene "10x21MM"-Billiglupe.
Davor liegt die, hier lediglich zu Demonstrationszwecken ausgebaute, zugehörige Einfachlinse.
Rechts im Bild befindet sich eine höherwertige Triplett-"LED LOUPE"
darunter das zugehörige, aus drei verkitteten Linsen bestehende Triplett-Linsensystem. Man erkennt
den komplexeren Aufbau des Triplett-Glaskörpers unter anderem an der seitlichen Montagefuge (Einschnürung
wegen der unterschiedlichen Linsendurchmesser). |
Sollte Sie nun dieses Lupenthema lediglich en passant interessieren, können Sie einfach
flink nach unten zur Abb. 6 scrollen und sehen dort das Bildergebnis der Zylinderlinsenlupe
im Vergleich zur höherwertigen Triplettlupe. Falls Sie es jedoch genauer
wissen wollen, sollten Sie ganz einfach brav weiterlesen. |
Abb. 2: Leica-Kleinbild-Testdia. Mit Hilfe eines Flachbett-Durchlichtscanners digitalisiert. Die Außenkantenmaße des umlaufenden Schachbrettmusterrahmens betragen 35 mm x 23 mm. Hobbyfotografen wissen, dass man ein solches Kleinbild-Diaformat mit einer 10fach Lupe (egal welcher Art) nicht mehr vollständig überblicken kann, weshalb die zur Diabetrachtung eingesetzten Lupen meist nur eine 4- oder 6-fache Vergrößerung aufweisen. Das Hexagon im Zentrum des Testdias hat übrigens eine Breite von 1,75 cm. |
Die experimentelle Durchführung gerät schwieriger als man zunächst annehmen könnte. Es gibt offensichtlich reichlich Einflussfaktoren, die in die fotografische Dokumentation eingehen und unsere Ergebnisse verfälschen können. Nicht testen wollen wir ja das Kamera-Objektiv, die Kamera-Einstellungen, und schon gar nicht unsere eigenen Fähigkeiten beim waagrechten Justieren, Fokussieren usw. Nach viel Probieren fanden wir schließlich ein Weitwinkelobjektiv, das den visuell erzielbaren Betrachtungswinkel bewältigt und vorsorglich sogar noch etwas mehr Randfläche erfasst. Die folgenden Fotos dokumentieren den Bildeindruck durch die einfache Lupe (Abb. 3a) und durch das echte Triplett (Abb. 3b). Als roter Kreis eingezeichnet ist jeweils der ohne Kamera, lediglich mit dem Auge überblickbare Flächenbereich des Testdias. |
Abb. 3a: Foto durch die "10x21MM"-Zylinderlinsenlupe. Verhältnismäßig großes Sehfeld mit ca. 2,5 cm Durchmesser - deshalb fallen entsprechend viele unerwünschte Randeffekte in den visuell überschaubaren Bereich. Aufnahme im Durchlicht, mit Hilfe eines kleinen Leuchtpults. |
Abb. 3b: Foto durch die echte Triplett-"LED LOUPE". Man beachte das hier, trotz sehr ählicher Gesamtvergrößerung wesentlich kleinere Gesichtsfeld von nur etwa 2 cm Durchmesser, welches zu einem erheblich vorteilhafteren Bildeindruck beiträgt. |
Die Billiglupe verkauft sich somit vor allem wegen des drastisch größeren, nur schlecht nutzbaren Gesichtsfeldes unter Wert. Beim Durchschauen denkt der Betrachter unweigerlich: Das ist aber ein mieses Bild! Stimmt aber eigentlich nicht. Es liegt in erster Linie am zu weiten Sehfeld - die Triplett-Lupe verzichtet, wie übrigens auch andere hochpreisige Lupen, klugerweise von vornherein auf die problematischere Abbildung der Testdia-Trabantenstädte. |
Wenn wir uns lediglich auf die mittleren Bildbereiche konzentrieren, erscheinen die Unterschiede in der Bildqualität der Vergleichskandidaten fast schon marginal. Wie zu erwarten zeigt das einfachere Zylinderlinsensystem, beispielsweise an den Kanten des Hexagons Farbunreinheiten, die jedoch lediglich bei hohem Kontrast störend zutage treten: |
Abb. 4a: Foto durch die "10x21MM"-Zylinderlinsenlupe. Konzentration auf die Bildmitte. Deutlich erkennbare Farbfehler an allen Außenkanten des Hexagons. Leichter Grünstich, wohl wegen des schwach grünlichen Glasmaterials. Bildbreite knapp 2 cm. |
Abb. 4b: Foto durch die echte Triplett-"LED LOUPE". Konzentration auf die Bildmitte. Bildbreite knapp 2 cm. |
Wir wollen nun allerdings nicht herzlos sein und auch den ernsthaften Randunschärfe-Forschern Genugtuung erweisen: Dies wird durch einen Blick auf die Abbildungsqualität in den äußersten Ecken des Testdias möglich. Ähnlich wie bei den bekannten Objektivtests für Foto-Amateure, paart sich auch hier die Sinnlosigkeit des Unterfangens mit einer gleichermaßen stark ausgeprägten, einfach wunderbaren Randunschärfe samt schönem Farbenspiel (siehe unten)! Bei der Betrachtung winziger Bärtierchen-Trockenformen ("Tönnchen") oder eines Käfers in freier Natur kommt das alles natürlich nicht zum Tragen. Aber dann müsste der jeweilige Edeloptikbesitzer mit seiner Lupe womöglich ins Freie gehen ... was mit zunehmendem Alter aus verständlichen Gründen nicht mehr so häufig vorkommt. |
Abb. 5a: Foto durch die "10x21MM"-Zylinderlinsenlupe. Detail im Testdia ganz außen, unten rechts. Achtung: Dieser Flächenbereich ist nur noch von theoretischem Interesse, man "sieht" ihn lediglich mit Hilfe der Weitwinkel-Kamera, nicht beim Blick durch die Lupe! |
Abb. 5b: Foto durch die echte Triplett-"LED LOUPE". Detail im Testdia ganz außen, unten rechts. Achtung: Dieser Flächenbereich ist nur noch von theoretischem Interesse, man "sieht" ihn lediglich mit Hilfe der Weitwinkel-Kamera, nicht beim Blick durch die Lupe! |
Aber, nun wieder ganz im Ernst, hier der Bildeindruck durch Billiglupe und Triplettlupe, in der direkten Gegenüberstellung, mit einem praxisnahen Blickwinkel: |
Abb. 6: Der zentrale Abbildungsbereich von Billiglupe und Triplettlupe im direkten Vergleich. Kompilat aus den Abbildungen 4a und 4b, zur besseren Vergleichbarkeit partiell gespiegelt. Im Bereich der Kanten des Hexagons zeigen sich Unterschiede in der Farbstreuung, andeutungsweise auch am Linienmuster im rechten oberen Quadranten des Innenpolygons. Die parallelen Linien in den inneren S/W-Linienmusterquadraten haben übrigens einen Abstand von ca. 0,1 mm. |
Wie auch immer Sie sich nun entscheiden, kaufen Sie jedenfalls
nicht die Einfachlupe für bis zu € 15 von einem angeblichen Fachhändler
und auch nicht eine "6 LED Triplettlupe" für 40 € oder 70 €
vom deutschen Weiterverkäufer (der hier lediglich als dumpfer Preismultiplikator fungiert).
Das hat übrigens nichts mit einer "Geiz ist geil!" Mentalität zu tun, sondern ganz einfach
mit dem menschlichen Grundrecht, sich nicht permanent von jedermann für blöd
verkaufen lassen zu müssen. |
Technik-"Peanut"-Informationen zu den beiden 10fach Lupen:
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© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |