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Mülltonnenhäuschen (III): Bärtierchen-Eier und Coronavirus-Bild-Ohnmacht

Ursprünglich hatten wir vorgehabt, ganz brav mit der Beschreibung der auf einem Tonnenhäuschen vorgefundenen Bärtierchen-Individuen fortzufahren. In diesem Sinne wären diesmal die Eier des Bärtierchens Macrobiotus hufelandi an der Reihe gewesen - natürlich zusammen mit ihren sympathisch wohlgenährten Eltern.

Mit Blick auf Abb. 1 würden vermutlich derzeit 99% aller Bundesbüger akzeptieren, dass auch hier das Coronavirus (SARS-CoV-2) zu sehen sei - jenes kleine, semi-lebendige Teilchen, das uns alle momentan in die Verzweiflung treibt.


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Abb. 1: Achtung - dies ist kein weiteres "Mikrofoto" des Coronavirus SARS-CoV-2. Statt dessen zeigt es drei Eier des völlig harmlosen Bärtierchens Macrobiotus hufelandi. Die hier abgebildeten Eier messen knapp 100 Mikrometer im Durchmesser, 1000 Mal mehr als der Durchmesser des Coronavirus (für den rund 100 Nanometer angenommen werden).

Keine Sorge, wir wollen uns nun nicht in den Reigen all derjenigen einreihen, die mittels Fernsehen und Youtube verkünden, was Sache ist. Leider weiß das momentan niemand so ganz genau - nicht einmal der orange Präsident der U.S.A.!

Statt dessen sei auf eine bislang nicht sonderlich in den Vordergrund gestellte Gemeinheit des Coronavirus hingewiesen, und zwar seine Fast-Unsichtbarkeit, und dies wohlgemerkt in einem von Fotos geradezu überbordenden Internet.



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Abb. 2: Nochmal Achtung - auch dies ist kein Mikrofoto des Coronavirus, vielmehr eine gut gemachte Computergrafik, die sein mutmaßliches Aussehen veranschaulichen soll. Bildquelle: Wikipedia Commons (Grafik von Felipe Esquivel Reed, in Graustufen umgewandelt).

Wenn man sich nun die, im Internet am häufigsten eingesetzten Bilder des Coronavirus genauer anschaut, gelangt man unweigerlich zu dem Schluß, dass uns dieser Virus nicht nur eine epidemiologische Corona-Prognose-Ohnmacht, sondern zusätzlich noch eine Corona-Bild-Ohnmacht eingebrockt hat. Wie sonst wäre es möglich, dass wir alle derzeit Tag und Tag geduldig auf ungemein farbenprächtige Computermodelle des Cornavirus blicken, von denen einige so auschauen, als seien sie aus einem Handarbeitskurs der Volkshochschule entwichen!





Technische Anmerkungen
zur instrumentabhängigen Sichtbarkeit des Corona-Virus


(1)  Lichtmikroskop
Die höchstmögliche Auflösung eines gängigen Durchlicht-Forschungsmikroskops wird bei Einsatz von normalem Weißlicht üblicherweise mit 200 nm (200 Nanometern) angegeben [Gerlach 1976]. Hierfür ist allerdings ein ziemlich teures Apo-Ölimmersionsobjektiv mit einer Numerischen Apertur von 1,4 Bedingung. Weniger hochgezüchtete, achromatische 100er Ölimmersionsobjektive, mit einer etwas geringeren Numerischen Apertur von 1,25 oder 1,30 vermögen die Linien der Testdiatomee Amphipleura pellucida (laut [Göke 1988] mit einem Linienabstand von 250 nm) gerade noch aufzulösen. Man vergleiche hierzu das Bildergebnis vom TWX-1 Kleinmikroskop. 250 nm bzw. 200 nm Auflösung würden jedoch, bei einem angenommenen typischen Coronavirus-Durchmesser von 120 nm, immer noch nicht ausreichen um solch einen Virus auch nur als Pünktchen darzustellen! Tüchtigen Amateuren wie Peter Höbel ist es jedoch gelungen, an Mikroskopen mit Hilfe von UV-LEDs und modernen Digitalkameras noch merklich höhere Auflösungen zu erreichen. Rein theoretisch wäre mittels UV eine Erhöhung der Auflösung um maximal Faktor zwei zu erwarten [Healey 1970], was unter Umständen haarscharf reichen könnte, um ein Corona-Kügelchen gerade noch als Punkt zu erkennen.
Unter realistischen Bedingungen, bei einem Gewebedünnschnitt, erscheint all dies jedoch auf den ersten Blick ziemlich aussichtslos ... selbst wenn man noch eines der legendären, ultraseltenen ZEISS Ölimmersionsobjektive mit Apertur 1,6 (!) in seiner Quarantäne-Schublade fände!
Andererseits publizierte der Mikrobiologe Kurt B. Merling-Eisenberg bereits 1937 einen Artikel über die lichtmikroskopische Vermessung (!) diverser Viren, und dies bei einer, durchaus anschaulich dokumentierten Maximalauflösung von geradezu unglaublichen 30 nm (!).

(2)  Rasterelektronenmikroskop (REM oder englisch: SEM)
Typische Maximalauflösungen heutiger Rasterelektronenmikroskope liegen bei ca. 3 nm, vielleicht gelegentlich sogar 1 nm. Bei einer Auflösung von 3 nm würde ein Coronavirus deshalb günstigstenfalls mit wenig befriedigenden 40 Bildpunkten Durchmesser dargestellt. Dies entspricht im Bildeindruck in etwa einem Handy-Icon oder einer Windows Quälsanduhr. Ein besonders plastisches oder fein aufgelöstes Bild ist somit nicht zu erwarten. Nix 4k. Statt dessen sehen wir die Coronaviren im REM als winzige Kügelchen, mit der Anmutung leicht verkochter Erbsen, umgeben von einem feinen Schimmelflaum. Googeln Sie einfach mal nach "Corona SEM images".

(3)  Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM)
Das TEM könnte, dank seines noch höheren Auflösungsvermögens, theoretisch eine noch wesentlich bessere Bildqualität erreichen. Es benötigt jedoch leider eine andersartige Präparation (quasi Durchlicht), wobei die Coronaviren im Endeffekt leider auch wieder wie verkochte Erbsen aussehen, diesmal allerdings in Scheiben zerschnitten. Googeln Sie einfach nach "Corona TEM images" oder "coronavirus TEM images".

Aha, damit hätten wir nun alle Gründe, warum uns im Fernsehen immer nur (wunderschön anzusehende) und von Fall zu Fall höchst unterschiedlich erscheinende Computermodelle (keine Fotos!) von Coronaviren gezeigt werden.

Last but not least kann ein kleiner Virus aus physikalischen Gründen logischerweise auch keine Farbe zeigen. Im Grunde weiß man lediglich um die kugelige Grundform, garniert mit irgendwelchen, leider morphologisch nicht allzu genau definierten Fortsätzen.

Welch ein Hohn: ein im Vergleich zu uns Menschen millionenfach kleinerer, potentiell tödlicher Feind - der so winzig ist, dass wir ihn in unseren Lieblingsmedien derzeit nicht einmal realistisch abbilden können!

Bleibt gesund!



Literatur
Dieter Gerlach: Das Lichtmikroskop. Stuttgart 1976, S. 110.
Gerhard Göke: Moderne Methoden der Lichtmikroskopie. Stuttgart 1988, S. 102.
Peter Healey: Mikroskopie. Stuttgart 1970 S. 143.
Kurt B. Merling-Eisenberg: Further Observations on the Limits of Resolution and Visibility of the Microscope. The Quekett Microscopical Club, Series III, Volume I (1934-1937) S. 311-323.
Kurt B. Merling-Eisenberg: Direct Microscopical Measurements of Virus Bodies. The Quekett Microscopical Club, Series III, Volume I (1934-1937) S. 324-332.


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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach