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[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
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Krapanj (VII) oder: Das kleine Sommerpausen-Zwischengrübeln

[ Halechiniscus von der kroatischen Insel Krapanj ]

Nochmal: Ein Halechiniscus Bärtierchen von der kroatischen Insel Krapanj.
Körperlänge knapp 0,2 mm

Kleingärtner, Normalgärtner, Profigärtner im großen Stil (die Landwirte), sie alle sehen sich regelmäßig mit dem Problem konfrontiert, eine Population an erntemäßig unerwünschten Mitessern auszurotten. Und, völlig klar, würde man diese Mitesser ungehemmt gewähren lassen, wäre der menschliche Speisetisch weltweit deutlich schlechter gefüllt - man denke nur an die angeblich bis zu katzengroßen Ratten in den Getreidespeichern tropischer Länder.

Pragmatikern und Realisten stellt sich in solchen Situationen gar nicht erst die Frage, ob das Ausrotten berechtigt ist. Aus der Sicht eines Lebensmittel-Produzenten kann es ja nur eine korrekte Antwort geben: Die weniger Nützlichen (nennen wir sie gleich beim Namen: die Schädlichen) müssen weg, egal ob mit Baumarktgift, Bio-Brennesselextrakt, Altbeständen an E605 oder, im Falle des Kleingärtners, mit einem schnellen Gartenscheren-Körperquerschnitt durch die Nacktschnecke. So betrachtet kann die Welt ziemlich einfach aussehen und wenn es nun mal so ist, muß dann auch niemand mehr großartig nachgrübeln.

Sensiblere Naturen wägen bereits bei den Ameisen auf der Terrasse ab, ob unter den probaten Kampfmitteln Backpulver, Campingbrennerflamme oder kochendem Wasser eine vielleicht moralisch optimierte Variante vertreten sein könnte. Die ansonsten sehr beliebten Moraltheoretiker in den bunten Magazinen bleiben außen vor, schließlich sind sie ja keine Helfershelfer für praktische Gewaltberatung. Immerhin findet sich in Rainer Erlingers Buch mit dem genialischen Titel "Moral - wie man richtig gut lebt" auch ein Kapitel Von Biohähnchen, Vegetariern und Kühlschränken im Wald - über Tiere, Umwelt und Natur.

Die Leserinnen und Leser des Bärtierchen-Journals haben naturgemäß ein scharfes Auge für das Kleine, was selbstverständlich und logischerweise auch die megakleinen Probleme einschließt, von denen wir Ihnen hier berichten wollen:

In den Mikroaquarien mit dem Sand und Meerwasser aus Kroatien fanden sich zunächst immer relativ viele Bärtierchen des Genus Halechiniscus (das Bild oben zeigt einen Vertreter dieser Gruppe). Diese wurden jedoch schnell von den, einige Monate später massenhaft auftretenden, Florarctus Individuen (siehe Bild unten) verdrängt. Deshalb die erste, rein hypothetische Frage an den, hier natürlich nicht mithörenden Dr. Dr. Erlinger: Hätten wir bereits in dieser Phase, weil Hausherren der Aquarienwelt, gezielt eingreifen müssen oder dürfen wir uns alternativ - als selbsternannte Krone der Schöpfung - entspannt zurücklehnen und die offenkundig brutale Ausbreitung des einen Genus zu Lasten des anderen als angenehme Unterhaltung geschehen lassen, ja sogar konsumierend mitverfolgen und multimedial dokumentieren?


[ Florarctus von der kroatischen Insel Krapanj ]

Floractus von der kroatischen Insel Krapanj


Es kommt aber noch schlimmer. Florarctus, der Sieger, unterlag im Mikroaquarium mittlerweile einer - nach menschlichen Maßstäben - ungeheuer häßlichen Unterwassermilbe. Sensible Naturen könnten beim mikroskopischen Anblick dieser Milbe eine deutlich reduzierte Meeresbadelust empfinden. Wir zeigen deshalb hier kein Bild, möchten lediglich erwähnen, daß die, zuletzt in Massen vorgefundenen Meeresmilben sich durch einen glasartig-farblos-transparenten Körper auszeichnen, in dem sich die inneren Organe in tiefschwarzer Farbe kontrastierend abheben. Sie sind deutlich größer und kräftiger als Florarctus.

Angesichts der erwähnten Beobachtungen besteht der dringende Verdacht, dass diese finsteren Kameraden unsere Florarctus Bärtierchen restlos aufgefressen oder zumindest verdrängt haben dürften. Und wir hätten, als edle Ritter mit Nadel und Pipette, natürlich Partei ergreifen und in den ungleichen Kampf eingreifen können!

Deshalb einige Fragen an unsere werten Leserinnen und Leser: Gibt es Ihrer Meinung nach womöglich doch eine Art Mikro-Moral, die uns klarsehenden Mikroskopikern das Leben zusätzlich erschwert? Oder sind unsere Skrupel einfach nur lächerlich? Fällt das Problem nicht einfach in den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich von "Mutter Natur"? Und ist die angedachte Bärtierchenfürsorge angesichts einer naturgegebenen, klar durchgezeichneten, gnadenlosen Freßkette nicht vielleicht doch zu stark parteiisch begründet?



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach