Verstecke sich wer kann!
Das Bärtierchen-Journal ist, wie uns viele freundliche, ja bisweilen geradezu
unmoralisch schmeichelhafte Leserzuschriften bestätigen, unterhaltsam und leicht
verständlich. Natürlich birgt die leichtverdaulich-flockige Präsentation
auch Nachteile in sich: Wenn beispielsweise der Tardigradenprofi Ernst Marcus
in seinem, bis heute unübertroffenen Tardigradenbuch die Trockenstarre der
Tardigraden auf zwölf dicht bedruckten Textseiten zusammenfasst, wird das Bärtierchen-Journal
mit seiner typischen Handvoll Mikrofotos samt ein wenig zwischengestreutem Text
nicht so ganz mithalten können.
Wer es exakter und wissenschaftlicher will, sei deshalb nach wie vor auf die Originalliteratur verwiesen.
Und die Bücher von Ernst Marcus sind allemal ein guter Einstieg. In seiner wunderbaren
Bärtierchenbibel (siehe Literatur, unten, auf den Seiten 178 bis 190) legt
er beispielweise eine schlüssige Beweisführung vor, die gut nachvollziehbar belegt,
dass der Auslöser für die biochemischen Automatismen beim Einsetzen der
Trockenstarre nicht die verringerte Wassermenge, sondern der im eintrocknenden Wasser
drastisch reduzierte Sauerstoffgehalt sein dürfte.
In einem vergleichsweise unerheblichen, für uns jedoch wichtigen Punkt lag
Professor Marcus allerdings falsch. Er bezeichnete die Bärtierchen als
nicht fotografierbar und unternahm anscheinend deshalb auch nie einen Versuch,
selbst ein Foto aufzunehmen. Die in der Folge aus der Not heraus geborenen anatomischen
Zeichnungen sind in ihrer Detailtreue und Plastizität allerdings nach wie vor Weltklasse.
In Zeiten von leicht verfügbaren Wisch-und-weg-Handys und zunehmend spottbilligen Digitalkameras genießen
wir anderen die technischen Vorteile der später Geborenen. Deshalb können wir der
Trockenstarre per Simpel-Kameraklick nachspüren. Es geht schnell und kostet nix.
Mit der Zeit landen dann Tausende Fotos auf den Speicherkarten und Festplatten, der
Überblick geht schnell verloren. Beim Durchscrollen des liebevoll
aufbewahrten Digitalirrsinns sind uns jüngst einige Fotos aufgefallen,
die mit der Trockenstarre in Zusammenhang stehen, jedoch hier nie angemessen zum Einsatz kamen.
Das erste Bild unten zeigt einen Eutardigraden, der gerade nach dem Wässern
aus der Trockenstarre erwacht ist und sich noch hinter seiner schützenden Mooswand verbirgt.
Es ist ja bekannt, daß vor allem die Eutardigraden die, sich beim Trocknen einkringelnden
Moospflänzchen nach Art eines riesigen Bademantels nutzen - um das Austrocknen
sanfter zu gestalten, aber vielleicht auch um sich vor Freßfeinden zu schützen.
So mancher Moos-Mitbewohner "auf der anderen Seite des Ufers", d.h. in der Trockenwelt,
dürfte einem knackigen Bärtierchen-Proteinchip grundsätzlich nicht abgeneigt sein (das Bärtierchen kann
sich ja in der Trockenstarre nicht zur Wehr setzen). Der Habitus des Neuerwachten erinnert ein wenig
an die furchteinflößenden Echsen in "Jurassic Park", nicht wahr? Okay, ist aber kleiner, zugegeben.
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