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[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
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Die Bärtierchen und das polarisierte Licht (I)

Im nicht aufgearbeiteten Kellergerümpel und auf Flohmärkten finden sich gelegentlich üppig ausgestattete Mikroskopierkoffer aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Manche wurden anscheinend nur kurz geöffnet und gerieten offensichtlich schnell wieder in Vergessenheit. Schauen wir einfach mal hinein:


[ Alter Mikroskopiekoffer ]

Mikroskopie-Koffer, wohl aus den 1970er Jahren, mit einem vergleichsweise bescheidenen Mikroskop, aber üppiger Zusatzausstattung. Reihenweise Farbstoffe und Chemikalien, Präparate von Fliege, Spinne und dem damals noch umweltpolitisch korrekten Schmetterling. Mikroprojektionsbildschirm, Reibschale mit Pistill, Becherglas, Schaumstoff als Einbettungsmedium zum Schneiden. Filterpapier, ein Fertigpräparat, Tropfpipette u.v.m.

In den Augen manches ernsthaften Mikroskopikers sind diese Kästen wegen des relativ preiswerten Mikroskopes optisch unzureichend und deshalb pädagogisch fragürdig, einfach unsinnig.
Wir teilen diese Ansicht nicht. Es mag damit zu tun haben, dass wir selbst mal mit solchen Geräten angefangen haben und insofern (positiv) voreingenommen sind. Um auch Sie von den Vorteilen zu überzeugen, haben wir einige Teile ausgepackt und für Sie photographiert.


[ Zubehörteile aus einem alten Mikroskopiekoffer ]

Ausgewählte Einzelteile aus dem oben gezeigten Mikroskopiekoffer.

Sie werden auf dem obigen Foto Vieles erkennen, was man heute, trotz Internet, nicht so ohne weiteres einzeln kaufen kann, jedoch gelegentlich benötigt und dann auch sinnvoll einsetzen kann: Petrischale, Lupe, Proben-Aufbewahrungsgläser, Skalpell, eine Deckglas-Positionierhilfe zur Anfertigung von Dauerpäparaten (aus Metall, mit dem rechteckigen Fenster), eine Pappdeckel-Schablone für unkomplizierte Trockenpäparate, Mikrotomwachs, ein einfaches Handmikrotom (das spulenförmige, schwarze Gerät in Position 10 Uhr), Präpariernadel, gläserner Rührstab, Reagenzglas und Reagenzglashalter, ja sogar mordsmäßig gefährliche Chemikalien wie 100%igen Alkohol! In der Petrischale liegt eine Okularkappe mit Polfilter. Nun, wenn das in der Spielzeugkiste anscheinend mal eine selbstverständliche Dreingabe war, sollten auch wir uns überlegen, wie wir polarisiertes Licht für unsere Arbeitsmikroskope bereit stellen könnten.


Wegen der Kleinheit der Bärtierchen und der daraus resultierenden Transparenz können wir uns hier auf auf polarisiertes Durchlicht beschränken. Es reicht völlig aus, ein erstes Polfilter, den sogenannten Polarisator, unter dem Objektträger anzubringen (z.B. direkt vor dem Lampenfenster) und ein zweites, identisches Polfilter, den sogenannten Analysator, über dem Objektträger, irgendwo im Tubus, oder notfalls sogar über dem Okular als "Okularkappe" zu befestigen.

Wo Sie die Polfilter herbekommen? Kein Problem, es gibt bei vielen Fotogeschäften und natürlich auch bei Ebay ausrangierte Polfilter, in geradezu unanständigem Überfluß. Regelmäßig angeboten werden aber auch preiswerte Polfilterfolien akzeptabler optischer Qualität, die Sie sich selbst zuschneiden können, so daß sie sogar noch in den Strahlengang eines TWX-1 Exkursionsmikroskopes integrierbar sind. Es kann auch durchaus sein, daß Ihre eigenen ausgedienten, linearen Polfilter aus der Analogphotographie (übliche Kennzeichnung: PL) perfekt geeignet sind. Einzige grundsätzliche Einschränkung: Polfilter, die zirkular polarisiertes Licht erzeugen (übliche Kennzeichnung: CPL), sind für unsere Zwecke nicht geeignet.

Sie können sich selbst von der jeweiligen Polarisationsleistung überzeugen, wenn Sie die zu beurteilenden Filter aufeinander legen, gegeneinander verdrehen und überprüfen, ob Sie ein sattes Schwarz erhalten, wie es die folgenden Fotos illustrieren:


[ Freilegung eines Polfilters aus der Fassung ]

"Freilegung" eines Polfilters aus der Fassung. Bei den meisten photographischen Polfiltern ist die Filterscheibe mit einem dünnen Gewindering befestigt, den man - beispielsweise mit Hilfe eines Feinmechanikerschraubendrehers - behutsam losklopfen und herausdrehen kann. Die ungefaßte Filterscheibe paßt, dank des nun erheblich flacheren Baumaßes in viele Mikroskoptuben, wenn man etwas Glück hat - ohne weitere Bastelarbeiten.

[ Überprüfung von Polfiltern, Versuchsaufbau ]

Versuchsaufbau zur Überprüfung der Polarisationsleistung einer Filterkombination aus Polfilterfolie und Glas-Polfilter. Ganz unten, auf der Glasfläche eines Diabetrachters, liegt eine rechteckige Kunststoff-Polarisationsfolie, obenauf das gläserne Polfilter. Als Testobjekt dient eine dazwischen positionierte Filterbox aus thermoplastischem Kunststoff.

[ Freilegung eines Polfilters aus der Fassung, Ergebmis ]

Obiger Versuchsaufbau in der Draufsicht. Polfilterfolie und Glaspolfilter alleine liefern in passender Orientierung ein sattes Schwarz, das Textobjekt (Filterbox) - soweit es zwischen den beiden Filtern liegt - die gewünschten Farbeffekte.

Wenn die Polfilter ein gutes Schwarz zeigen, können wir sie in den mikroskopischen Strahlengang integrieren und am Mikroskop versuchsweise ein paar "polfreundliche" Präparate aus unserer Alltagsumgebung betrachten.


[ Zerknitternte Frischhaltefolie im polarisierten Licht ]

Testobjekt 1: Zerknitterte Frischhaltefolie "Frapan" (ca. 20 Mikrometer stark)
im polarisierten Licht.

[ Kratzer auf Klebefolie im polarisierten Licht ]

Testobjekt 2: Zwei Kratzer auf einer Klebefolie, ebenfalls im polarisierten Licht.


Keine Sorge, auch die Bärtierchen kommen noch dran.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach