Krapanj (I) Warum reisen wir, vielleicht auch Sie, gelegentlich für teures
Geld weit weg? Die Antworten und touristischen Motive sind vielfältig:
Es kann die Suche nach der ultimativen Urlaubsromanze sein, möglicherweise
auch nur die Sehnsucht nach dem vertrauten Wiener Schnitzel - oder der simpelsalzigen Pizza
in sicherer Umgebung. Vielleicht in Kombination mit einer nicht allzu toxischen Dosis Kultur, egal welcher
Spielart? Und gelegentlich hört man von bedauernswert getriebenen Zeitgenossen,
die ihr Reiseziel so planen, dass ihnen ein exotisches Bärtierchen begegnen müßte. |
Das Reiseziel - ein Spiegel unserer Sehnsüchte. Auf dem Foto sehen Sie ein Fenster an der Hafenpromenade auf der kroatischen Insel Krapanj. Selbst die andernorts vielgehassten Plastikfenster und ein gelegentlich überbordender Heimwerkerzement können den Charme dieser Insel nicht schmälern. Sie passen sogar - und merkwürdigerweise - gut mit ins Bild. |
Die Sehnsüchte setzen sich fort bei den Souvenirs. Wo man noch vor Jahrzehnten einen rustikal kolorierten Holzlöffel mit Rosenholzgeruch kaufte, winken heute alle Spielarten des westlichen Konsums. Und viele sammeln gerne etwas, was am Strand herumliegt und nur aufgehoben werden muss. Denken Sie nur an die zahlreichen Souvenir-Trockensandsammler. Wir, die Naßsandsammler schaufeln hingegen eine Portion Heimaterde, Verzeihung: Naßsand samt Fundortwasser in unser bewährtes "Rocharium" - eine leergefutterte "Ferrero Rocher"-Box. Die Box liegt nach behutsamem Transport zuhause verschlossen auf einem kühlen Fensterbrett, ohne Sonneneinstrahlung. Sie erhält ihre Bewohner ohne jegliche weitere Fürsorgemaßnahme für mindestens ein Jahr am Leben. Wenn man bedenkt, was andere Leute mit ihren Meerwasseraquarien kämpfen, eine wirklich komfortable Dauersouvenir-Situation. Wir sind sehr froh, dass wir auf diese Lösung gekommen sind. In den Büchern über Aquaristik scheinen derart simple und doch praktikable Lösungen nicht vorzukommen. Der Grund des Erfolgs liegt natürlich in der geringen Körpergröße unserer Zielgruppe und in der Tatsache, dass unser Mikroaquarium einer steinigen Felswüste gefährlich nahe kommt - es ist extrem nährstoffarm, beherbergt keine größeren Krebschen, keine Algen, Schnecken oder Muscheln. |
Das große Mikroaquarium unter dem Stereomikroskop. Wenn nicht betrachtet wird, bleibt das Rocharium abgedeckt, damit kein Wasser verdunstet und die Salzkonzentration im enthaltenen Meerwasser möglichst konstant bleibt. Verdunstetes Wasser kann notfalls durch Leitungswasser ersetzt werden (grüne Markierungen an der Seitenwand des Rochariums dienen zur Kontrolle des Flüssigkeitsstandes). Beleuchtet wird grundsätzlich mit Kaltlicht, hier einer unmoralisch preiswerten IKEA-"Jansjö" LED-Leuchte (der Kopf des Schwanenhalses ist oben rechts im Foto erkennbar). |
Das Rocharium kann unter einem Stereomikroskop mit großem Arbeitsabstand nach einfachem Abheben des Plastikdeckels ohne jegliche Präparation direkt durchmustert werden, wenn die Wasserhöhe nicht allzu groß ist. Hat man ein Sandkörnchen mit einem aufsitzenden Meeresbärtierchen gefunden, läßt sich dieses (das Sandkörnchen samt dem Bärtierchen) einfach herauspipettieren und in unser noch kleineres Münzkapsel-Mikroaquarium überführen. |
Das kleine Münzkapsel-Mikroaquarium unter dem Stereomikroskop. Man erkennt die frei flottierende Wassersäule samt den Sandkörnchen in der Mitte des Behälters |
Im Münzkapselaquarium sollte man die Bärtierchen allerdings nur vorübergehend halten, je nach Temperatur maximal ein bis zwei Tage. Im Vergleich zum Mittelmeer ist das Volumen ja doch eher bescheiden. Insbesondere Bärtierchen, die ihr Sandkorn loslassen und auf den Boden der Kapsel fallen, sollte man baldmöglichst aus ihrer mißlichen Situation befreien und in das Rocharium rückpipettieren. Im Mikroaquarium kann man, ebenfalls ohne besondere Präparation, Mikrofotos mit Auflösungen wie auf dem folgenden Bild erzielen. |
Florarctus-Bärtierchen aus Krapanj. Körpergröße ca. 0,15mm. |
Es ist nun nicht jedermann Sache, in einem schwitzigen Urlaubshotelzimmer
zu mikroskopieren, während Partner oder Familie draußen schnorcheln oder in der Sonne liegen.
Will man die Betrachtungen nach Hause verlagern, muß man deshalb vor Ort möglichst
aussichtsreiche Proben einsammeln, die sich dann zuhause entspannter auswerten lassen. |
Eine Fähre nach Krapanj, deren Name ("Spužvar") an die Schwammtauchertradition der Insel erinnert. Die Fährstrecke ist extrem kurz (ca. 300 m) und der Transfer unglaublich preiswert. |
Vom Festland aus gesehen präsentiert sich die Insel, zumindest in der Mittagssonne, als nicht besonders spektakulär - vielleicht ist das ihre und gleichzeitig unsere Rettung. |
Die Strandpromenade der Insel Krapanj, vom kroatischen Festland aus gesehen. Einheimische sagen, die Insel sei touristisch nicht genügend entwickelt. Völlig korrekt. Und nolens-volens auch ein zutreffendes Kompliment an diese absolut liebenswerte Insel mit einer wunderbaren, bis heute andauernden Tradition im Schwammtauchen und Feigentrocknen. Googeln Sie doch mal nach! |
Wir haben in einer Pension auf der hafenabgewandten Seite von Krapanj einfach zauberhaft und direkt am Meer gewohnt. |
Abendlicher Blick von unserer Terrasse auf Krapanj Richtung Meer. |
Eine Besonderheit von Krapanj ist das viele flache Wasser, in dem es von Leben nur so wimmelt. Nachdem es sich mittlerweile auch bei dumpferen Charakteren herumgesprochen hat, daß die Steckmuscheln geschützt sind, sieht man ausgewachsene Exemplare sogar in den sehr flachen Privathafenbuchten vor Krapanj, in Wassertiefen von lediglich einem Meter. Wir werden uns die Bärtierchen-Bewohner dieses Flachwassers in den folgenden Journalen noch ein wenig genauer anschauen. |
Steckmuschel im flachen Wasser vor Krapanj. Vom Ufer aus direkt ins kristallklare Wasser hinein fotografiert. |
Leider müssen wir jedoch allzu hoch gespannte Erwartungen in Bezug auf die Bärtierchenanatomie dämpfen: So hat es einige Zeit gedauert, bis wir am Stereomikroskop auch nur verstanden haben, wo bei manchen dieser maritimen Winzlinge vorne und hinten sein könnte! |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |