Da Bodenschale und Deckel des Aquariums
jeweils aus einem Stück mit sanft gerundeten Kanten und Ecken ohne Fugen bestehen,
gibt es keine Undichtigkeiten, wie man sie von den großen Aquarien her kennt und
es kann auch kaum Wasser verdunsten. Wir müssen lediglich den Bonsai-Minimalismus
respektieren: Dieses Aquarium ist echt nano, auch im Hinblick auf seine - eher niedrige -
Einwohnerzahl und die maximal erlaubte, sehr geringe Größe seiner Bewohner.
Fische, Einsiedlerkrebse, größere Muscheln und Algen haben hier nichts
zu suchen: Sie würden sich nicht wohlfühlen, über kurz oder lang
erkranken und sterben oder sogar sofort ersticken und uns dann natürlich
in besonders trauriger Weise die Wasserqualität ruinieren. Auch Sonne, Hitze
und ein Übermaß an Licht gilt es nach Kräften zu vermeiden.
Willkommen sind jedoch Muschelbruchstücke und ein eher gröberer, gerne
calcitischer Sand.
Summa summarum genießen wir mit dem Meerwasser-Rocharium in geradezu
unverschämt komfortabler Weise die immensen Vorteile eines in sich stabilen
Meerwasser-Ökosystems, ohne Kosten und ohne jeglichen Pflegeaufwand.
Und dies für viele, viele Monate, mit etwas Glück sogar über mehrere Jahre hinweg,
bei minimalem Raumbedarf. Die Bewohner des Mikroaquariums
praktizieren somit das "Downsizing" gemäß dem aktuellen Film von Alexander Payne
seit vielen, vielen Jahrtausenden. Kleinsein - der ultimative ökologische Trumpf.
Für unsere geschätzten Leserinnen und Leser bringt der Film insofern
natürlich nichts Neues: aktive Mikroskopie vs. passiv-unterhaltsames Massenmedium Kino.
Lassen Sie sich jedoch trotzdem den Spaß am Kinofilm nicht verderben!
Vergleichen Sie das Rocharium einfach mal mit dem Aufwand und den Kosten,
die ein "richtiges" Meerwasseraquarium mit sich bringen würde,
samt seinen Pumpen, Filtern, Lampen und chronisch pflegebedürftigen Bewohnern -
ganz zu schweigen von der Notwendigkeit des Fütterns, der Messtechnik zur
Überprüfung der Wasserqualität usw.
Biologielehrer und Museumspädagogen können mit Hilfe des Rochariums
Meeresleben live vorführen. Adieu Formalin. Das Rocharium ist obendrein
leicht zu transportieren und kann andernorts mit Hilfe eines kleinen
Mikroskopes in seiner unglaublichen Artenvielfalt vorgeführt werden.
Ohne nun allzu sehr priesterlich-predigend, schlimmstenfalls salbungsvoll-hochfahrend erscheinen zu wollen,
hoffen wir natürlich, dass ein derartiges Aquarium allen, die sich damit beschäftigen,
einige elementare Einsichten bringt: Der Nano-Mikroskopiker braucht Geduld, weil die Artenvielfalt
im Aquarium zwar groß, die jeweilige Individuenanzahl jedoch niedrig ist.
Eben nicht wie im Zoo mit seiner besucherfreundlich abstumpfenden Konzentration
von vermeintlich spektakulären Lebewesen, sondern eher wie im richtigen Wald,
auf der echten Wiese und im tatsächlichen Meer. Der Betrachter erwirbt beim
Suchen nebenbei automatisch zunehmend Demut gegenüber der rührenden
Variationsbreite und Zähigkeit des Lebens. Hinzu kommt über kurz oder
lang die klassische Mikroskopiker-Erkenntnis (siehe Literatur), dass sich die eigene, menschliche Existenz vom Leben
in der Polystyrolbox vielleicht gar nicht so stark unterscheidet, wie man auf den ersten Blick meinen
könnte. Natürlich gibt es im Nano-Aquarium keine religiösen und politischen Fanatiker,
egal welcher Verirrungsrichtung. Erfreulicherweise existieren im ausgemagerten Milieu keinerlei Tendenzen,
rudelweise kriminellen Rattenfängern, Diätpredigern und anderen frustrierten Manipulatoren
nachzueifern. Auch gewisse Politiker, die sich gerne von den niedrigsten Instinkten der
"Volksseele" inspirieren lassen, fehlen in dieser Welt. Schon aus rein technischen Gründen entfallen
im Aquarium die Internet-Hasstiraden und der medienmäßig kultivierte Sozialneid.
Es gibt jedoch im Rocharium zweifellos, genau wie bei den Menschen, ein wenig Sex, ein wenig harmonische Partnerschaft,
viel Fressen und viel Fressgier sowie ein schließlich alle gleichartig
verbindendes Ende, den unvermeidlichen Tod.
Statt nun weiter in angemessener Traurigkeit zu versinken können wir einfach
und kostengünstig die Schönheit eines auf dem Objektträger eindunstenden Tropfens Meerwasser
aus dem Nano-Aquarium genießen. Es geht sogar ohne Polfilter. Das Kochsalz
kristallisiert in unglaublich schön ausgeformten, von Mal zu Mal
unterschiedlichen Geometrien, die gelegentlich an Luftaufnahmen von chaotisch
hingewürfelten, menschlichen Siedlungen erinnern:
|