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Lupen für Fortgeschrittene (IV): Octoscop 28x vs. Stereomikroskop 64x

Gute Stereomikroskope waren lange Zeit extrem teuer, für die meisten Amateure unerschwinglich, Heute finden sich die Spitzengeräte aus den 1970er Jahren für relativ moderate Preise auf dem Gebrauchtmarkt. Hier soll gezeigt werden, wie sich ein derartiges Stereomikroskop der (vergangenen) Oberklasse gegenüber der im letzten Journal vorgeführten Octoscop-Lupe behauptet.


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Abb. 1: Das edle Leitz "Großfeld-Stereomikroskop TS" mit bereits adaptierter Kamera (zweites Okular deshalb im Bild verdeckt). Dieses Mikroskop bietet drei (Objektiv-)Vergrößerungen. In der hier gezeigten Situation ist das 1x Objektiv aktiv. Nach Art einer Flunder haust es unsichtbar-mittig zwischen zwei stärkeren Objektiven (4x und 10x). Dank seiner großen Brennweite kann es einen quasi coronatauglichen Objektabstand einhalten, benötigt deshalb auch keine konische "Sahnetüte" wie seine beiden kurzsichtigen Nachbarn.

Das Leitz Großfeld-Stereomikroskop kann auch heute noch, rund 50 Jahre nach seiner Fertigung, einen wirklich perfekten Sehgenuss liefern. Verschwiegen sei allerdings nicht, dass die Optik zwar - leitztypisch - okularseitig, nach oben hin, staubdicht verschlossen ist, die Unterseite mit dem 1x Objektiv jedoch frei liegt, über die Jahre und Jahrzehnte hinweg dementsprechend viel Staub einzusammeln pflegt. Auch kann die Einschwenkmechanik des 1x Objektivs derart stark verharzt sein, dass seine Linsen nach dem Beiseiteschieben der stärkeren Objektive nicht mehr in ihre Arbeitsstellung zurückfedern. Nach 50 Jahren Einsatz (bzw. lediglich geruhsamem Herumstehen) ist deshalb regelmäßig mit einem leicht getrübten Seherlebnis zu rechnen, welches eine Grundüberholung des optischen und mechanischen Systems an der Tubus-Unterseite nahelegt.

Zur Erinnerung zeigen wir nochmals den, bereits im letzten Journal präsentierten Bildeindruck an der "Octoscop"-Lupe bei der Maximalvergrößerung von 28x (Abb. 2) und direkt darunter eine mit dem Großfeld-Stereomikroskop erzeugte Aufnahme (Abb. 3):


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Abb. 2: Zur Erinnerung - die Detailansicht eines 1 Cent Stücks, so wie es unter dem Octoscop bei 28facher Vergrößerung erscheint. Wie im letzten Journal erläutert, ist sich das Octoscop bei den beiden stärksten Vergrößerungen quasi selbst im Weg: Der zu geringe Arbeitsabstand und die viel zu breite Linsenfassung bewirken trotz makellos gefertiger Optik eine erhöhte Anfälligkeit für Reflexe und verderben den praktischen Nutzwert.

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Abb. 3: Das selbe Detail im Leitz Großfeld-Stereomikroskop, mit 4x Objektiv und 16x Okular. Das Foto ist noch ein wenig herausvergrößert, zeigt nur ca. 50% der tatsächlich wahrnehmbaren Bildbreite. Es kann den mit zwei Augen wahrnehmbaren, wunderschön räumlichem Bildeindruck naturgemäß nur unzureichend dokumentieren. Deutlich wird jedoch trotzdem, dass man hier den Zustand der Jahreszahl auf dem 1 Centstück bereits sehr plastisch wahrnehmen und eingehend studieren kann. Wie bereits früher erwähnt, entspricht die "1" der Jahreszahl von der Größe her einem typischen terrestrischen Bärtierchen. Am Großfeld-Stereomikroskop sind deshalb auch bereits einige etwas feinere, artspezifische Bärtierchen-Merkmale zu erwarten.

Technische Anmerkungen für Mikrofotografen: Der hier eingesetzte Kamera-Adapter vom Typus "Ofenrohr" (vgl. Abb. 1) besteht aus einfachen M42-Zwischenringen und einem kameraspezifischen (M42 > Bajonett)-Adapter. Dieser Adapter wirkt rein mechanisch, enthält keine eigene Optik und wird einfach über das 16x Okular gestülpt. Seine einzige Funktion besteht darin, das vom Okular gelieferte Bild vor Streulicht zu schützen und direkt auf den CCD-Chip der Kamera weiterzuleiten (die Kamera wird dabei üblicherweise ohne Kameraobjektiv genutzt).

Beim Fotografieren empfiehlt es sich, die Objektplatte gegenüber der Sehachse des eingesetzten Mikroskopobjektivs möglichst sauber lotrecht auszurichten. Dies kann beim Großfeldmikroskop bereits mit Hilfe eines kleinen Schräubchens bewirkt werden, welches in ein Loch der Bodenplatte eingreift und die kreisrunde Objektplatte um 7,5° in Richtung Fotoachse verkippt. Ein derartiges, immens hilfreiches Schräubchen ruht übrigens auf Abb. 1, in einsatzbereiter Pausenstellung unten links auf der Bodenplatte des Mikroskops.

Mit den originalen 16x Okularen kommt das Großfeldmikroskop auf eine Vergrößerungsabstufung von 16x - 64x - 160x (!). Die Maximalvergrößerung verschafft allerdings, wie bei praktisch allen anderen Stereomikroskopen auch, keinen wirklich befriedigenden Bildeindruck. Dies ist angesichts der zugehörigen Objektivapertur-Abstufung (0,05, 0,08 und 0,1) auch nicht ernsthaft überraschend. Es bestätigt lediglich wieder einmal die Regel, dass ein Stereomikroskop spätestens jenseits der 150fachen Vergrößerung an Brillianz und räumlichem Bildeindruck verliert. Es wildert dann bereits ziemlich verzweifelt und dementsprechend erfolglos im Revier der großen, "richtigen" Mikroskope. Und fotografisch ist mit einem derartigen, niedrigaperturigen 10er Objektiv bei 160facher Vergrößerung ohnehin keine Palme mehr zu gewinnen. Man bedenke, dass die 10er Objektive an Kurs- und Forschungsmikroskopen typischerweise dreimal höhere Aperturen, somit auch dreifache Auflösung haben! Allgemein üblich ist dort jedoch eine lediglich 100fache Gesamtvergrößerung. Hierin liegt auch der Grund, warum die Abb. 3 das Bildergebnis mit dem 4x Objektiv zeigt und nicht das vom 10x Objektiv.

Resümee: Es erstaunt nicht, dass das vielfach teurere und bleischwere Leitz Großfeld-Stereomikroskop in der Bildqualität dem eleganten Octoscop überlegen ist. Überrascht hat uns jedoch, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Betrachtungsweisen ausfällt.

Im nächsten Journal werden wir zeigen, wie nahe eine tatsächlich für extreme Vergrößerung optimierte Einschlaglupe an das Großfeld-Stereomikroskop herankommt. Deshalb, liebe Extremlupenfreunde, gebt die Hoffnung noch nicht vollends auf!



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach