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Unsere Taxonomie-Serie - in Kooperation
mit Dr. Rolf Schuster** |
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Abb. 1: Gesamtansicht eines Milnesium tardigradum-Bärtierchens. Besonders markante, bereits bei niedriger Vergrößerung erkennbare Artmerkmale sind ein birnenförmiger Kaumagen ohne Plakoid-Einlagerungen sowie die sehr breite Mundröhre. Die typische maximale Körperlänge beträgt 600 bis 700 µm, im Extremfall wohl sogar mehr als 1000 µm! |
Milnesium tardigradum wurde bereits 1840 vom französischen Zoologen
und Agrologen Louis Doyère (1811-1863) beschrieben. Der Genusname Milnesium
sollte an seinen Doktorvater Henri Milne-Edwards erinnern. |
Die Milnesien bilden eine sehr klar umrissende Gruppe mit vielen einzigartigen, auch für Mikroskopie-Amateure gut erkennbaren Merkmalen. Sechs, bei der Lebendbeobachtung im Mikroskop als weich erkennbare Papillen umgeben die Mundröhre an ihrer vorderen Außenseite (Abb. 2): |
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Abb. 2: Die Mundöffnung von Milnesium tardigradum ist von sechs symmetrisch angeordneten Papillen umgeben. Diese sind unter dem Mikroskop nur in der Schrägansicht plastisch zu erkennen. Unter typisch mikroskopischem Blickwinkel (von oben) meint man häufig lediglich zwei dieser Mundöffnungspapillen zu sehen - die übrigen verdecken sich gegenseitig oder liegen außerhalb der Schärfeebene. |
Zusätzlich befinden sich etwas weiter
hinten an der Schnauze noch zwei weitere Papillen (Abb. 3) - und nein, in diesem Fall
handelt es sich nicht um das oben geschilderte Versteckspiel einer Sechsergruppe! |
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Abb. 3: Der Vorderleib von Milnesium tardigradum, in der klassischen mikroskopischen Ansicht, von oben. Der bereits in Abb. 1 sichtbare, birnenförmige Schlundkopf ohne Makroplakoide erscheint auffällig groß und ist bei dem gezeigten Exemplar etwa 0,1 mm lang. Die von anderen Eutardigraden her gewohnten Plakoid-Einlagerungen im Schlundkopf fehlen. Immer vorhanden sind bei Milnesium jedoch die beiden großen, schwarzen Augenflecken. Die seitlich neben der sehr breiten Mundröhre angeordneten Stilette und Stilettfedern wirken vergleichsweise filigran, so als seien sie lediglich untergeordnete Statisten in einem für größere Aufgaben dimensionierten, mächtigen Fress-Apparat. |
Im Inneren des Schlundkopfs offenbart sich eine besonders
ausgeprägte, quer kontrahierende Muskulatur, welche schlagartig-mörderische
Pumpwirkung entfalten kann. Man darf in diesem Fall, und völlig zu Recht, durchaus
an die analoge Schnell-Schluckfähigkeit eines Zackenbarschs denken. |
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Abb. 4: Großes Milnesium-Bärtierchen
von einer Isarbrücke in München.
Körperlänge ca. 700 µm. |
Zunächst betrachten wir eine Übersichtsaufnahme des Verdauungsbereichs, in der sich bereits einige, dort nicht zu erwartende, mutmaßlich hartschalige Strukturen abzeichnen: |
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Abb. 5: Der Darminhalt des in Abb. 4 gezeigten Milnesium Bärtierchen-Riesen bei höherer Vergrößerung. Links im Bild führt der Ösophagus-Schlauch Richtung Kaumagen. Die rot markierten Objekte signalisieren offensichtliche Fressbeute. Bildbreite ca. 400 µm. |
Bei den beiden oben mit den roten Pfeilen gekennzeichneten, rundlichen Objekten
handelt es sich mit Sicherheit um unverdauliche Reste von Rädertierchen.
Die Form der hier vorliegenden Rädertierchen-Kaumägen ist sehr
charakteristisch (vgl. Detailausschnitt unten, Abb. 5). |
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Abb. 5: Detail im Darm - Kaumagen eines Rädertierchens |
Abb. 6: Detail im Darm - Klauen eines sehr kleinen Bärtierchens |
Abb. 7: Detail im Darm - zugehörige Speiseröhre und Makroplakoide des sehr kleinen Bärtierchens |
Als einschlägiger Lesetipp empfohlen sei eine englischsprachige Publikation aus Japan zum Lebensweg und Fressverhalten von Milnesium tardigradum. Diese ist via Direktlink [Suzuki 2003] kostenlos zugänglich. Der Autor des betreffenden Artikels entdeckte 11 "Trophäen" (Spuren von 11 Fressopfern) im Magen eines Milnesium tardigradum Bärtierchens! |
Die folgend abgebildeten Krallen von Milnesium werden in der Fachliteratur ausgesprochen sorgfältig, ja fast schon erschöpfend diskutiert [Michalczyk 2012]. |
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Abb. 8: Die Krallen am letzten Beinpaar eines Milnesium tardigradum sind nicht, wie bei anderen Arten partiell miteinander verwachsen, sondern vollständig getrennt, die Hauptäste der Außenkrallen jeweils sehr lang und fadenförmig dünn. Die knorrig wirkenden Innenkrallen zeigen eine verbreiterte Basis und tragen bis zu vier Spitzen. |
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Abb. 9: Krallen am letzten Beinpaar eines besonders typischen Milnesium tardigradum. Fokus auf die Innenkrallen (d.h. die kleineren Krallen). Die nach außen zeigenden Innenkrallen lassen hier, wenn man sehr genau hinschaut, drei spitze Enden erkennen, die nach innen zeigenden Innenkrallen lediglich zwei dieser spitzen Enden. |
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Abb. 10: Krallen an einem Vorderbein von Milnesium tardigradum. Der rote Pfeil markiert die dort charakteristische, breite Kutikularleiste. |
Wenn sich ein schwangeres Bärtierchenweibchen häutet, bleiben in der alten Haut
die sich weiter entwickelnden Eier zurück (Abb. 11). Ein solches Gelege kann unterschiedlich
viele Eier haben - in Abb. 12 sehen wir fast so viele wie Millionäre in der
Fußball-Nationalmannschaft. |
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Abb. 11: Häutung eines Milnesium tardigradum mit gleichzeitiger Eiablage in die Cuticula. |
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Abb. 12: Gelege eines Milnesium tardigradum mit 11 Eiern in einem frühen Entwicklungsstadium. Anfangs, während der ersten Zellteilungen erscheinen die Eier milchig trüb, erst gegen Ende der Reifung klärt sich ihr Inhalt auf und zeigt dann bereits die klassischen Merkmale der erwachsenen Tiere (Speiseröhre, Krallen, Stilette usw.). |
Was bei Milnesium tardigradum noch als wichtig zu erwähnen wäre Leider ist das Holotyp-Präparat von Milnesium tardigradum
heute nicht mehr auffindbar. Deshalb erfolgte eine ersatzweise Beschreibung und Holotyp-Hinterlegung
durch [Michalczyk 2012]. Diese basiert auf Milnesium tardigradum-Individuen
aus Zeesen (einem Ortsteil der Stadt Königs Wusterhausen im Landkreis Dahme-Spreewald in
Brandenburg). |
Anmerkungen und Literatur
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© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |