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"Wie gering ist der Genuß, wenn das Fernrohr einen Nebelfleck in eine Anzahl einförmiger, leuchtender Sterne auflöst, gegenüber dem Genusse, wenn das Mikroskop alle die Dinge, aus denen wir selbst bestehen, die uns umgeben, die uns täglich durch die Hand gehen, auflöst in jene   fabelhafte Welt des Zellenlebens ..."

Gustav Jäger (1867)


... die fabelhafte Welt des Zellenlebens - so mancher Leser wird sich an seine Schulzeit erinnern, vermutlich an diejenige Biologiestunde, in der eine Küchenzwiebel zum Zerfleddern herumgereicht wurde.
Das Zwiebelhäutchen ist zweifellos hervorragend geeignet, das Prinzip des Zellaufbaus höherer Organismen zu veranschaulichen:


[ Zellen in der Zwiebelhaut ]

Klassisches Zwiebelschalen-Präparat, so etwas gibt es auch heute noch in den Schulen zu sehen, wenn der Biologielehrer die Bärtierchen mal wieder satt hat.
Zellwände und Zellkerne sind, besonders wie hier im angefärbten Zustand, gut zu sehen.


Die Entdeckung der Zelle wird heute Robert Hooke (1635-1703) zugeschrieben. Hooke beschrieb in seiner berühmten 'Micrographia', die 1667 erschien, erstmals pflanzliches Zellgewebe, und zwar das von Kork.

Unsere Bärtierchen sind zwar winzig klein, bestehen jedoch ebenfalls aus vielen Zellen. Beim lebendigen, erwachsenen Tier sind die Zellen leider meistens nur schlecht zu sehen. Es gibt jedoch hin und wieder Situationen, in denen die Zellstrukturen doch, ganz überraschend, plötzlich sichtbar werden:


[ Magen-Darm-Bereich eine Bärtierchens ]

Darm eines (Eutardigraden)-Bärtierchens
mit Zellstrukturen, Übersichtsaufnahme.


[ Magen-Darm-Bereich eine Bärtierchens, Detail ]

Detail aus der obigen Abbildung, mit deutlich zu erkennenden,
polygonal abgegrenzten Einzelzellen.


Im übrigen zeigen sich die Zellstrukturen nur selten. Wir erkennen zwar zarte Beinchen, eine Spitze Nase und jede Menge Charakter, jedoch häufig nicht einmal eine Andeutung von Zellwänden:


[ Echiniscus-Bärtierchen ]

Echiniscus-Bärtierchen, Dunkelfeldaufnahme. Die komplexe und optisch dichte Struktur läßt keine Zellstrukturen erkennen.


Was nun? Ist eine reumütige Rückkehr zum Zwiebelhäutchen angesagt?
Erfreulicherweise nicht. Wir können die Zellen der Bärtierchen wunderbar studieren, und zwar bei der Ei-Entwicklung.

Ein frisch gelegtes Ei eines Echiniscen-Bärtierchens erscheint im mikroskopischen Bild lediglich als Anhäufung kleiner, gelblicher, meist kugeliger Partikel. Es ähnelt in seiner körnigen Feinstruktur einem Stück Butter. Aber dieses "Stück Butter" hat, im Gegensatz zur normalen Butter, ein feines biologisches Uhrwerk integriert. Mit etwas Geduld lassen sich innerhalb von Stunden und Tagen darin jede Menge Zellteilungen beobachten.


[ Echiniscen-Gelege, erste Zellteilung ]

Gelege eines Echiniscus-Bärtierchens. Die Zellen haben sich synchron ein erstes Mal geteilt. Der Profi-Biologe bezeichnet eine derartige Teilung übrigens als total-äquale Furchung, total, weil die Biosubstanz der Mutterzelle ohne Rest auf die Tochterzellen aufgeteilt wird,
äqual, weil die Teilungslinie mittig-symmetrisch verläuft.


[ Bärtierchen(Echiniscen)-Ei, Vierzellenstadium, Zellteilung ]

Einzelnes Ei eines Echiniscus-Bärtierchens, Vierzellenstadium.


[ Bärtierchen(Echiniscen)-Ei, Achtzellenstadium, Zellteilung ]

Einzelnes Ei eines Echiniscus-Bärtierchens, Achtzellenstadium.


Die Zellteilungen gehen immer weiter, es folgen das 16-, 32-, 64- und 128-Zellenstadium. Irgendwann verliert der Beobachter den Überblick, spätestens dann, wenn eine sogenannte "Morula", d.h. eine beerenartige Struktur aus vielen, vielen Zellen vorliegt.


[ Bärtierchen(Echiniscen)-Ei, Vielzellenstadium, Zellteilung ]

Einzelnes Ei eines Echiniscus-Bärtierchens, Vielzellenstadium ("Morula").


Wer derartige Vielzellenstadien öfters gesehen hat, erkennt sie schnell, auch wenn sie mal weniger offensichtlich sind, wie z.B. in der schönen Aufnahme eines reifenden Geleges unten:


[ Bärtierchen(Echiniscen)-Gelege, Eier im Morula-Stadium

Gelege eines Echiniscus-Bärtierchens, mit Eiern im Vielzellenstadium ("Morula").

Irgendwann muß die Entwicklung natürlich, wie wir uns leicht vorstellen können, vom scheinbar ziellosen Teilungsprozess in eine Differenzierung übergehen. Es soll ja das oben gezeigte, faszinierende Tier herauskommen und nicht etwa ein riesiger Schneeballhaufen.

Nota bene: Und das alles funktioniert ganz ohne Beteiligung einer Consulting-Firma! Aber, Spaß beiseite, wie es mit der Entwicklung unseres Bärtierchens weitergeht, werden wir in einer der nächsten Ausgaben berichten.


Literatur

Gustav Jäger: Die Wunder der unsichtbaren Welt enthüllt durch das Mikroskop. S. 39.
Berlin 1867.

Rudolf Väth: Robert Hooke und die "Micrographia".
Mikrokosmos 88 (1999) S. 129 - 138.


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© Text und Fotos von  Martin Mach