[Titelfragment 1.1] [Titelfragment 1.2] Titelfragment 1.3]
[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
[Titelfragment 3.1] [Titelfragment 3.2] [Titelfragment 3.3]


Lupen für Fortgeschrittene (III): Die "Mehrfachvergrößerungsversuchung"

Seriöse Einschlaglupen mit zwei Vergrößerungen haben Tradition, seit mindestens 100 Jahren. Lediglich stellvertretend sei hier ein typisches Produkt dieser Art gezeigt: eine "Enuro" mit 10- und 20facher Vergrößerung. Man betrachtet im Normalfall natürlich mit der 10er Seite, hat dann aber noch Reserve nach oben. So weit, so gut.


[  ]

Abb. 1: "Enuro"-Einschlaglupe mit 10- und 20facher Vergrößerung. Metallfassung, zwei jeweils zweilinsige, unverkittete Optiken (keine Achromate, jedoch durchaus brauchbar).

Es liegt nun mal in der menschlichen Natur, immer noch ein wenig mehr zu wollen - man denke nur an das Märchen vom Fischer und seiner Frau. Und völlig richtig, wenn es nicht so wäre, gäbe es vermutlich heute keine Flugzeuge, aber auch keine Computerviren. 1972, also vor immerhin 50 Jahren, reichte Arthur Seibert einen Patentantrag für einen "pocket magnifier" ein. Er erhielt eine unverwechselbare Kennung, nämlich die DE19722219203. Erste Besonderheit an Arthur Seiberts Lupe waren die 8 (!) möglichen Vergrößerungen in einem einzigen Gerät. Doch damit nicht genug: Das sogenannte OCTOSCOP®L besticht durch ein ansprechendes, hoch symmetrisches Design und jede Menge Linsen. Es gibt dazu reichlich Konstruktionsbeschreibungen im Internet. In Anbetracht der Flüchtigkeit mancher Webseiten sei jedoch hier eine kurze, bild- und textgestützte Zusammenfassung versucht.


[  ]

Abb. 2: Das Octoscop der Fa. Arthur Seibert (EMO) in Wetzlar. Von dort kamen übrigens auch eine sehr schöne 5x Lupe für Fotografen (Macromax) und das knuddelige Emoskop, eine kuriose Mikroskop-Teleskop-Kombi. Das Octoscop besteht aus Glaslinsen in solider Kunststoff-Fassung und wiegt knapp 25 g. Die Maße sind 8,1 cm x 3,2 cm x 1,6 cm. Ein schön angepasstes Lederfutteral wurde mitgeliefert.

Das Octoscop enthält, wenn man es nach Art eines Kreuzes öffnet, vier separat nutzbare Linsensysteme (2x – plankonvexe Einfachlinse, 4x –plankonvexe Einfachlinse, 10x – verkittetes, achromatische Dublett, 18x – achromatisches Triplett, bestehend aus einer plankonvexen Einfachlinse plus einem verkitteten Dublett). Darüber hinaus besteht jedoch noch die Möglichkeit zusätzlicher Kombinationsvergrößerungen; 6x, 14x, 20x und 28x. Frei nach Gerhard Polt wäre dann die fünflinsige 28x-Kombi fast schon eine "Pizza mit allem". Es besteht somit kein Zweifel, dass die hier angebotene Spanne unterschiedlicher Vergrößerungen von 2fach bis 28fach für eine Einschlaglupe weltweit einzigartig sein dürfte.


[  ]

Abb. 3: Rückseite des Octoscops mit zwei cleveren Anzeigefenstern für die Kombinationsvergrößerungen (die Fenster zeigen hier noch nichts an, weil die Linsen in Kreuzposition nicht überlappen und deshalb jeweils die direkt auf der Fassung in Gelb aufgedruckten Zahlen zutreffen!)

[  ]

Abb. 4: Das Octoscop in Parallelstellung. Die beiden Sichtfenster signalisieren nun die durch die Parallel-Überlappung entstandenen Vergrößerungen (6x und 28x).

[  ]

Abb. 5: Das Octoscop in Antiparallelstellung. Die beiden Sichtfenster signalisieren die auf diese Weise entstandenen, weiteren Vergrößerungen (14x und 20x).

Wir haben alle Vergrößerungen fotografisch dokumentiert. Für die hoffentlich noch nicht völlig vergraulten Bärtierchenfans sei angemerkt, dass ein stattliches, aber nicht riesiges Bärtierchen größenmäßig in etwa der Höhe der "1" auf der Jahreszahl des hier eingesetzten 1 Cent-Stückes entspricht (nämlich 0,65 mm).

Wir starten nun den Marsch durch die Vergrößerungen. Am Anfang, bei den kleineren Vergrößerungen, erschien uns diese Aufgabenstellung einfach: Man nehme ein weitwinkliges Objektiv und gehe dicht ran an die Lupe, damit das ganze Sehfeld sichtbar wird. Hier die Ergebnisse in der Reihenfolge zunehmender Vergrößerung:


[  ]

Abb. 6: Die 2x-Vergrößerung - in der Welt der kleinen Einschlaglupen ein seltener, deshalb hier besonders gerne gesehener Gast. Damit können wir zur Not auch einen Fahrplan oder eine Speisekarte lesen. Das Gesichtsfeld ist mit 7 cm riesig (erscheint fotografisch und visuell gleich groß), die Jahreszahl auf der Münze muss unter diesen Bedingungen natürlich dementsprechend klein ausfallen.

[  ]

Abb. 7: Die 4x-Vergrößerung, ebenfalls bei Einschlaglupen nicht allzu häufig. Wir können problemlos zwei Münzen und mehr nebeneinander betrachten und die Jahreszahl ist visuell bereits gut ablesbar (hier im kleinformatig wiedergegebenen Foto noch nicht). Fotografen können bei dieser Vergrößerung ein Mittelformat-Dia auf einen Blick, als Ganzes beurteilen.

[  ]

Abb. 8: Zur 6x-Vergrößerung müssen wir nicht viel sagen. Es gibt in dieser Klasse sehr edle Exemplare von der lupenkultigen Z-Firma, mit denen man vermutlich auch in 100 Jahren noch etwas sehen wird.

[  ]

Abb. 9: Fast schon vulgär gewöhnlich, die 10fache Vergrößerung. Jedoch bewährt, unverzichtbar bei den Juwelieren für die Diamanten-Klassifizierung, aber auch Standard-Arbeitsmittel bei den "Wurmschnipplern" und Käfermördern. Unsere Cent-Münze gewinnt merklich an Klarheit und Oberflächentextur, man erkennt bereits feine Fehlstellen und Schmisse.

[  ]

Abb. 10: Und schon wieder ein Exot – die 14er Vergrößerung. Hier erscheinen die 16 mm Durchmesser der 1 Cent-Münze bereits fast bildfüllend.

[  ]

Abb. 11: Nächster Exot, nämlich die 18fach Vergrößerung. Mit Blick auf die "1" erhält jedermann nun eine Vorstellung davon, wie furchtbar klein ein erwachsenes Bärtierchen ist! Diese Vergrößerung ist einer unserer Favoriten beim Octoscop, weil man bei bei ihr immer noch durchaus respektable 13 mm Arbeitsabstand genießen kann, das Bild dementsprechend klar und hell erscheint.

[  ]

Abb. 12: Es folgt das 20x-Fiasko. Wie bei 20er Systemen üblich muss man sich schon ein wenig Mühe mit dem Fokussieren geben. Es zeigt sich jedoch ein anderes Problem: Die Linsenfassungen des Octoscops sind mit 32 mm ziemlich breit (bei einer betrachterseitigen Öffnung von nur etwa 12 mm). Der Arbeitsabstand fällt sehr viel bescheidener aus bei der 18er Vergrößerung (plötzlich nur noch 5 mm!). Wir mussten deshalb bereits ziemlich kämpfen um überhaupt noch ausreichend Licht auf die Münzoberfläche zu bringen. Dieses Licht scheint obendrein mit der hier in Kombination eingesetzten, objektseitigen, riesigen 2x Linse diverse Reflex-Späßchen zu betreiben. Da hilft auch die Vergütung nicht mehr.

[  ]

Abb. 13: Und dann hätten wir, abschließend, noch die 28er Enttäuschung. Die Probleme sind ähnlich schlimm wie bei der 20fachen Vergrößerung, der nutzbare Arbeitsabstand mit ca. 4,5 mm sogar noch ein wenig geringer und die "1" deshalb leider nicht nennenswert zugänglicher als in der vorherigen Vergrößerungsstufe.

Immerhin konnten wir dank des Octoscops somit eine rekordverdächtige Spanne an Vergrößerungen via Einschlaglupe dokumentieren. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die schicke Konstruktion zu Lasten der beiden stärksten Vergrößerungen geht (dort einen zu geringen Arbeitsabstand und unzureichenden Lichteinfall bewirkt).

Im den nächsten Journalausgaben werden wir zeigen, wie viel besser sich ein ein klassisches Stereomikroskop sowie eine auf Höchstleistung getrimmte, hoch vergrößernde Einschlaglupe im 1 Cent-Szenario behaupten. Bei dieser Gelegenheit werden wir dann auch die Eigenschaften zusammenfassen, die eine hoch vergrößernde Einschlaglupe sinnvollerweise haben muss.

Zusammenfassung: Die optische Qualität der im Octoscop verbauten Linsen und Linsenkombinationen ist offensichtlich hoch und bis zur 18er Vergrößerung durchaus sinnvoll nutzbar. Das vorbildliche Design und die "All in one"-Maximierung gehen jedoch zu Lasten der beiden höchsten Vergrößerungen.



Hauptseite



© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach