Im Juni-Journal hatten wir das Thema 'Bärtierchenauge' angekündigt und bereits vorab eine Reihe von Literaturzitaten präsentiert, welche recht unterschiedliche Aussagen über das Konstruktionsprinzip und die Leistungsfähigkeit dieser zwangsläufig winzigen Augen enthielten. |
Exkurs: "Bärtierchen sehen dich an" |
Der Blickkontakt von Mensch zu
Mensch erfüllt im täglichen Leben vielfältige Verständigungsfunktionen.
Sekundenbruchteile reichen uns im allgemeinen zur schnellen nichtverbalen
Abstimmung über Gefühle, Situationen und Aufgaben aus. |
Natürlich müssen wir davon ausgehen, daß die Bärtierchen
möglicherweise eine weniger komplexe Psyche haben als wir selbst oder ein
Orang-Utang. Trotzdem ist es reizvoll, den Gefühlen nachzuspüren,
welche sich bei sensiblen Menschen Auge in Auge mit dem Wasserbären einstellen. |
Im Mikroskop erkennen wir bei den Bärtierchen meist schwarze, manchmal auch rote Pigmentflecken im Kopfbereich, welche wir intuitiv (und zu Recht) als Augen interpretieren. Beim Fotografieren stellen wir fest, daß es meist unmöglich ist, ein Bärtierchen von den Krallenspitzen bis hin zu den Augen durchgehend scharf abzubilden. Selbst wenn wir auf die Wiedergabe der Augen ganz verzichten, erhalten wir ansprechende Bilder, welche dem Namen "Wasserbär" gerecht werden: |
Echiniscus-Bärtierchen. |
Echiniscus-Bärtierchen. |
Im direkten Vergleich mit anderen mikroskopischen Organismen stellen wir fest, daß die Wasserbären den "höheren" Organismen näher verwandt zu sein scheinen, unter anderem, weil sie uns eine Art Gesicht zeigen. |
Mikroskopische Ansicht mit Rädertierchen,
Bärtierchen, Diatomeen und Fadenwurm. |
Detail aus demselben Holzstich. |
Wenn wir lediglich die Pigmentflecken im Augenbereich betrachten verflüchtigt sich dieser "Gesichts"-Eindruck wieder. |
Isolierte Betrachtung eines Augenfleckes bei einem Macrobiotus-Bärtierchen. Trotz des deutlich abgebildeten Pigmentfleckes fehlt uns die Symmetrie des Augenpaares mit dem typischen Signal: "Da schaut dich jemand an". |
Offensichtlich durch geduldiges Beobachten hat Professor Raphael von Erlanger schon 1894 eine Beobachtung gemacht, die später anscheinend wieder in Vergessenheit geriet: Die Augenlinse bei den Bärtierchen. |
Der Augenfleck eines Macrobiotus- Bärtierchens bei speziell angepaßter Misch-Beleuchtung. Schräges Auflicht in Kombination mit Durchlicht. Der rote Pfeil zeigt auf den Rand der 'Linse'. Es ist schwierig, die Reflexionseigenschaften fotografisch gut herauszuarbeiten. Trotzdem kann wohl kein Zweifel bestehen, daß es sich hier um die gleichen Strukturen handelt, welche Raphael von Erlanger bereits 1894 beschrieben und als Augenlinse interpretiert hat. |
Heute kann an der Existenz der bereits von Erlanger entdeckten Augenlinse kein Zweifel mehr bestehen, wie vor allem die präparativ aufwendigen Arbeiten des dänischen Tardigradenforschers Professor Kristensen zeigen. |
Moderner Nachweis der
Augenlinse bei einem Echiniscus-Bärtierchen Proechiniscus hannae . |
Eine klitzekleine, wasserklare Linse im transparenten Bärtierchenkörper schlüssig nachzuweisen, ist natürlich für uns Mikroskopie-Amateure schwierig. Trotzdem ist es eine reizvolle Aufgabe, auch bei der Lebendbeobachtung nach Hinweisen auf die "Augenoptik" der Bärtierchen zu fahnden. |
Bärtierchen Milnesium tardigradum.
Standbild aus einem Videofilm. |
Lassen wir
den Entdecker der Bärtierchen-Augenlinse, Raphael von Erlanger,
hier noch einmal zu Wort kommen, mit seinem bescheiden-nüchternen und
noch dazu ganz kurzen Satz, wie er ihn 1894 formuliert hat: |
LiteraturReinhardt M. Kristensen: Revision of the Echiniscidae. S. 271.
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© Text und Fotos von Martin Mach |