Bärtierchen, Naturalists und die große Triplett-Verzweiflung (V) |
Abb. 1: Echiniscus-Tönnchen (Bärtierchen-Trockenform),
subjektiver visueller Eindruck bei Betrachtung mit einer guten 20x Lupe, im Durchlicht. |
Abb. 2: Veranschaulichung des Bildeindrucks bei maximaler Konzentration auf den oben rot markierten Ausschnitt |
Wenn wir dieses Lupen-Betrachtungsergebnis dem Bildeindruck am "richtigen" Mikroskop gegenüberstellen, resultiert zwangsläufig eine gewisse Ernüchterung: |
Abb. 3: Echiniscus-Tönnchen, Bildeindruck
im Mikroskop (links) und durch eine gute 20x Lupe (rechts, zwangsläufig massiv nachvergrößert).
Die kleinsten Teilstriche auf der eingeblendeten Skala stehen für Hundertstel Millimeter,
das gezeigte Bärtierchen misst im Trockenzustand demnach ca. 140 µm (0,14 mm).
Das ist sehr wenig für eine Lupe - und selbst für ein Mikroskop nicht gerade riesig. |
Der Vollständigkeit halber wollen wir jedoch erwähnen, dass es
durchaus Lupen gibt, die über die heute marktüblichen Vergrößerungen von
10x, 20x oder 28x deutlich hinausreichen. Und nein, wir meinen damit nicht gewisse
Lupen fernöstlicher Provenienz, die vorgeblich bei enormen Linsendurchmessern von mehreren Zentimetern eine 30fache
oder sogar 40fache Vergrößerung reklamieren. Das ist natürlich alles Quatsch.
Eine extrem hoch vergrößernde Lupe wird immer sehr kleine Linsen haben, ansonsten
würde die winzige, bei diesen Vergrößerungen gerade noch nutzbare Bildfläche
durch vagabundierendes Streulicht verdorben werden. |
Abb. 4: Abbildung eines außergewöhlich
stark vergrößernden "Algensuchers" (rechts). Das Exemplar links
im Bild ist bei Ebay unter dem Label "Taschenmikroskop" allgegenwärtig. |
Nicht minder exotisch und bis zur völligen Vergessenheit selten sind alte, höher vergrößernde Einschlaglupen
- derart rar, dass man schon ziemlich spleenig veranlagt sein müsste um sie
auf eine Bärtierchen-Exkursion mitzunehmen. Betrachten Sie bitte das folgende Beispiel: |
Abb. 5: Ultrakompakte, extrem hoch vergrößernde
Einschlaglupe. Keine Herstellersignatur. Auf der Basis eigener Vergleiche wurde eine
imposante Vergrößerungswirkung von ca. 40 bis 45 ermittelt. Dies stimmt mit der
vorne auf dem Optikkopf eingepunzten Ziffer "6" überein:
Eine Brennweite von 6 mm entspräche ja - übereinstimmend - einer 42fachen Vergrößerung.
Vermutlich in handwerklicher Kleinserie, und wohl in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts gefertigt.
Gewicht 13,4 Gramm. Gehäusematerial: Messing, teils geschwärzt, teils vernickelt. |
Abb. 6: Ultrakompakte, extrem hoch vergrößernde Einschlaglupe. Detailansicht, von unten auf das winzige Optikgehäuse. Man beachte die verhältnismäßig schlanke, kegelige Linsenfassung, welche selbst bei hoher Vergrößerung das Objekt nicht unnötig verschattet. Auch die starke Krümmung der winzigen Linse ist ein deutliches Indiz, dass wir es hier dann doch eher nicht mit einer gängigen Senioren-Lesehilfe zu tun haben! In der Praxis braucht man beim Feldeinsatz dieser auf Extremleistung hin optimierten Lupe gute Nerven und eine wirklich ruhige Hand. Auflösung und allgemeine Bildqualität sind dann absolut traumhaft - auch ohne jegliche Vergütung (die gab es zur Herstellungszeit noch nicht!). Allem Anschein nach ist die Bildqualität nicht nur dem hervorragenden Linsensystem (siehe Abb. 7), sondern auch diversen Kunstgriffen zur Vermeidung von vagabundierendem Streulicht zu verdanken: tief eingesenkt montierte Optik, rundum abgeblendeter, geschwärzter Einblick - kluge konstruktive Charakteristika, die bei den heutigen hoch vergrößernden Lupen anscheinend nicht mehr zum Einsatz kommen; dort hat man ja die moderne Vergütung, muss nebenbei Fertigungskosten und Gewinnspanne noch ein wenig im Auge behalten ;-). |
Abb. 7: Ultrakompakte, extrem hoch vergrößernde
Einschlaglupe - Optik-Innenleben. Die hier zur Veranschaulichung ausgebaute Optik hat einen
Durchmesser von 5 Millimetern und entpuppt sich beim näheren Hinsehen als klassisches, sauber verkittetes Steinheil-Triplett
in beeindruckender handwerklicher Miniaturisierung. Randgeschwärzt, Ehrensache. |
Die hier gezeigten Extremlupen sind derart selten, dass sie selbst den emsigsten Lupensammlern kaum bekannt oder sogar vollends verborgen geblieben sind. Sie fliegen quasi derzeit noch unter dem durchaus gierigen Lupensammler-Radar. Sollten Sie nun bei Ebay nicht sofort fündig werden, so verbleibt immerhin folgender Trost: Bei einer Bärtierchen-Exkursion sind Sie mit einem preiswerten Stereomikroskop (ab ca. 60 €) optisch ganz klar überlegen. Und moderne James-Bond-Gespielinnen werden sich von derart altbackenen Wissenschafts-Gadgets kaum noch nennenswert beeindrucken lassen! |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |