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Mikroskop-Oldtimer und das fotografische Universalheilmittel M42 (III)

Die heutige digitale Kameratechnik erlöst uns von vielfältigen technischen Problemen, mit denen unsere Väter und Großväter (okay, in selteneren Fällen vielleicht auch unsere Mütter und Großmütter :-) zu kämpfen hatten.

Trotzdem steht - immer noch - so mancher Anfänger ratlos vor seinem Mikroskop und grübelt darüber nach, wie man an einem der Tuben des famosen Geräts eine moderne Kamera andocken könnte. In dieser Journalausgabe beschreiben wir deshalb eine Lösung für die wohl am häufigsten anzutreffenden Tuben, und zwar solche mit einem Außendurchmesser von 25 mm - egal ob monokular, binokular oder trinokular, gerade oder schräg.

Der prominente Bionikforscher Werner Nachtigall schilderte die grundsätzliche Vorgehensweise samt vielen Varianten bereits vor 35 Jahren - in seinem Mikroskopie-Einsteigerbuch "Mikroskopieren". In diesem Werk steht praktisch alles didaktisch-geduldig-umfassend beschrieben, was man sich heute alternativ aus Hunderten von Internet-Konsumentenkommentaren und Forumsbeiträgen zusammenreimen kann. Aber klar, wir lesen nicht mehr so viel in den, mittlerweile leicht muffig riechenden Büchern unserer Vorväter. Und wir vergessen sogar das früher einmal Gelesene, klicken fröhlich weiter und weiter, versinken schließlich im Wortsirup der Informationsverdünner, Kommerzwerber und - schlimmstenfalls - Hassproleten.

Als Werner Nachtigall sein Buch schrieb, gab es allerdings noch keine Digitalkameras. Es genügt jedoch hier nachzutragen, dass fast jede aktuelle digitale System- oder Spiegelreflexkamera irgendwie an ein Mikroskop adaptierbar ist. Manches mag bei der Kamerawahl Geschmackssache sein - man sollte jedoch unbedingt auf die Möglichkeit eines erschütterungsfreien Auslösens achten. Bei den Sony NEX-Kameras kann das beispielsweise die NEX-5N, die ältere NEX-5 jedoch leider nicht. Der Unterschied liegt in den magischen Worten "Vorderer Schlitzverschluss: elektronisch", will sagen: ohne Rumpps!

Und falls Sie jetzt glauben sollten, wir seien SONY-Jünger, so liegen Sie nicht ganz falsch:
Wir lieben die Sony-Systemkameras wegen ihrer Kleinheit und Bildqualität, wegen der durch farbige Kantenakzentuierung erleichterten Schärfeeinstellung, wegen der Bildschirmlupe und des für Mikroskopiker besonders wichtigen klappbaren Displays.
Und wir hassen sie in fast gleicher Intensität, weil Tastenbelegung und Menüführung, je nach Modellreihe wechseln wie die Chamäleonsprüche wählerprozentgierender Politiker, weil manche Displays zum Delaminieren neigen und weil bei Sony nach Ablauf der Garantiezeit praktisch immer irgend etwas nicht mehr so ganz richtig funktioniert (wie beispielsweise das Multifunktionseinstellrad der NEX-Kameras).


Das folgende Video zeigt die Adaption eines Sony NEX-5N Kameragehäuses an ein etwa 50 Jahre altes Olympus-Mikroskop. Sie ist auf viele andere Mikroskop- und Kameratypen übertragbar. Erläuterungen bis hin zu altmännertypisch-erschöpfenden Belehrungen finden Sie in der Tabelle direkt darunter.


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Betrachtetes Bauteil

Erläuterungen (und restlos erschöpfende Belehrungen!)

01

Mikroskop
mit senkrecht nach oben stehendem Foto-Tubus (Außendurchmesser des verchromten Tubus-Rohrteils: 25 mm !)

Man respektiere etwaige, bereits vorhandene optische und mechanische Bauteile des Mikroskop-Herstellers.

Falls im Foto-Tubus kein Foto-Okular ("Projektiv") vorhanden sein sollte: notfalls irgendein normales Okular einsetzen, besser jedoch ein zum Objektiv passendes Foto-Okular verwenden (ideal: gleicher Hersteller, gleiche Produktlinie).

Häufig funktioniert - frech und regelwidrig - auch einfach ein "Leitz Periplan"-Okular. Entscheidend ist wohlgemerkt nicht, was Ihnen irgendjemand mikroskopietheoretisch predigen will, sondern dass die Bildqualität IHREN Ansprüchen und IHREN jeweiligen Aufgabenstellungen genügt!

Nota bene: (Nur) der Abstand zwischen Mikroskopobjektiv und Foto-Okular entscheidet darüber, ob sichtbares Bild und Kamerabild gleichzeitig scharf ("parfokal") erscheinen.

02

(entnommenes Foto-Okular)

Muss manchmal vor der weiteren Adapter-Montage herausgenommen und hinterher wieder eingefügt werden.

03

Mikrozwischenstück

DDR-Nostalgie (von IHAGEE, Dresden), wunderbar solide Mechanik, ohne außen liegende Schrauben etc., statt dessen mit einer von Hand festdrehbaren Passung - siehe Bildunterschrift zu Abb. 1 (unten).

04

Foto-Okular

nach Montage des Mikrozwischenstücks wieder in gleicher Position zurückgesetzt.

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06
07

Zwischenringe und Übergang auf das gängige M42 Gewinde

Die Länge des Zwischenringsystems entscheidet über den Abbildungsmaßstab (den Prozentsatz des sichtbaren Bildes, den Sie hinterher auf dem Foto sehen). Einfach ausprobieren! Foto-Okulare sind häufig auf 125 mm Abstand zwischen Okular und CCD optimiert. Abweichungen können, müssen aber nicht die Bildqualität verderben.
Ob Sie, wie hier gezeigt, zunächst die schick verchromten IHAGEE-Zwischenringe verwenden, die leider ein 40 mm Gewinde mit Steigung 0,75 haben, oder sofort über dem Mikrozwischenstück Richtung M42 adaptieren, bleibt Ihnen überlassen. Erfahrungsgemäß müssen Sie jedoch typischerweise irgendwann in der Adaption auf das M42-Gewinde umstellen, weil dieses am einfachsten das letzte Wegstück zur jeweiligen Kamera freigibt.
Ebay-Schnäppchenjägern sei empfohlen, nach einem kompletten System Ausschau zu halten, welches das Mikrozwischenstück, die Zwischenringe und bereits den M42-Adapter (07) enthält.

08

Kameraspezifischer Adapter

Klar, je nach Kamera braucht man einen vom M42 Gewinderohr zum jeweiligen Kamera-Anschluss vermittelnden Adapter, im Beispiel hier zum Sony NEX-Bajonett. Diesen gibt es für furchterregend wenig Geld und für praktisch alle gängigen Kameras zu kaufen.

09

Kameragehäuse

Aufgesetzt wird die Kamera (ohne Objektiv!), hier eine Sony NEX-5N, ganz einfach weil wir, wie oben geschildert, die SONYs ein wenig mehr lieben als hassen.

10

Monitor hochgeklappt.

Auslösen können wir mit einem IR-Fernauslöser.



Kernstück der oben geschilderten Kamera-Adaption ist das IHAGEE-"Mikrozwischenstück". Es wird im Internet angeboten wie Sauerbier, erklimmt jedoch - wenn wieder mal in einem Forum "entdeckt" - kurzzeitig schwindelerregende Preishöhen um dann hinterher gleich wieder im finsteren Vergessen zu versinken (weil eben in einem Buch versteckt und deshalb kaum mehr wahrgenommen). Werfen wir einen schnellen analytischen Blick auf dieses Ossi-Wunderwerk:


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Abb. 1: Das legendäre "Mikrozwischenstück" von IHAGEE, Dresden, mit bereits aufgesetztem Adapter zum IHAGEE-Zwischenringgewinde. Es wird mit Hilfe des Viernoppenrings (1) durch Drehung nach links auf dem Mikroskoptubus sanft festgezogen. Einfach wunderbare Mechanik, nicht zu vergleichen mit irgendwelchen Dreischrauben-, schlimmstenfalls Einschrauben-Klemmen, wie sie die vermeintlich überlegenen westlichen Industrienationen produzierten und zum Teil auch heute noch verkaufen. Schweres, sauber gedrehtes Messing, verchromt und auf den zugehörigen IHAGEE-Zwischenringen schwungvoll-dynamisch mit "Ihagee Dresden" graviert. (2) markiert die konzentrisch-synchron wirkenden Innenbacken, welche das Tubusrohr gleichermaßen schonend wie felsenfest umfassen. Inklusive Überdrehschutz, mechanisch perfekt und überdies idiotensicher! (3) bezeichnet die Befestigungsschraube, welche den nicht minder soliden Ringschwalben-Übergang zum 40mm-Gewinde der Zwischenringe besorgt.
Einzige, aber unbedingt zu beachtende Einschränkung: Dieses Mikrozwischenstück macht nur dann Sinn, wenn der für die Klemmung nutzbare Außendurchmesser des Mikroskoptubus 25 mm beträgt (nicht mehr und nicht weniger!).


Vermutlich werden Sie jetzt wissen wollen, ob das alles in der Praxis funktioniert. Als Bärtierchenfotografen interessieren wir uns natürlich vorrangig für die Mitte des Bildfelds. Gestrenge Randunschärfenforscher mögen uns dies verzeihen. Ein Mikrometermaßstab, am Olympus-Mikroskop mit obiger Technologie fotografiert, sieht nach der heute üblichen, nachfolgenden Bildverarbeitung in der Bildmitte recht gut aus:


[  ]

Abb. 2: Mikrometermaßstab, am ca. 50 Jahre alten Olympus-Mikroskop (E-Reihe) mit der oben gezeigten Technik aufgenommen. Bildbreite 0,2 mm; Mikroskop-Objektiv: Olympus-Achromat 40x/N.A. 0,65; Olympus-Projektiv FK 2,5x; Köhlersche Beleuchtung. Das Rohfoto wurde am PC nachträglich mit pauschal einwirkenden Routinen automatisch optimiert.
Dieser hoffnungsfrohe "Qualitätsnachweis" ist natürlich, wie jegliche Mikrometermaßstab-Fotografie, weil ohne Bezug zu einer realen Aufgabenstellung, nur wenig aussagekräftig.
Und zugegeben, liebe Randunschärfenforschungsfreunde: Wir betrachten hier lediglich das 0,2 mm breite Zentrum eines in Wirklichkeit 0,45 mm breiten Sehfelds, blenden somit die weniger scharfen Randbereiche und potentielle Farbränder in absolut unverantwortlicher Weise aus!


Noch viel mehr interessiert uns natürlich das, deutlich praxisnähere Mikrofoto aus der Bärtierchenwelt (Abb. 3). Hier zeigen sich nun allerdings bereits die Leistungsgrenzen des ehrwürdig-greisen 40er Olympus-Achromaten. Wir meinen jedoch: Ein wenig Achromaten-Konturenfarbe stört im Grunde genommen nur den mikroskopischen Kleingeist ;-))


[  ]

Abb. 3: Eutardigraden-Eier aus einem Münchner Innenhof, mit Resten einer mütterlichen (?) Tardigraden- Cuticula im Hintergrund. Aufgenommen mit der oben beschriebenen Kombination aus Olympus-Mikroskop, Olympus 40er Objektiv, Olympus FK 2,5x Projektiv und rein mechanischer Adaption bis hin zum CCD-Chip der Sony NEX-5N Kamera. Bildbreite 0,2 mm.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach