Man liest im Internet immer wieder, dass die lichtmikroskopische Auflösung
beugungsbegrenzt und mit 200 µm zu beziffern sei. Schaut man sich jedoch ältere Quellen an,
so wird klar, dass Ernst Abbe, wohlgemerkt als mathematisches Genie, die Auflösungsgrenze
vorzugsweise mit sprachlichen Mitteln umschrieb, und zwar bei etwa der halben mittleren Wellenlänge des eingesetzten Lichts.
"Da nun auch beim Immersionssystem der Oeffnungswinkel durch kein Mittel erheblich
über diejenige Grösse, die 180° in Luft entsprechen würde, hinausgeführt werden kann,
so folgt, dass […] die Unterscheidungsgrenze für centrale Beleuchtung doch niemals über
den Betrag der ganzen, und für äusserste schiefe Beleuchtung niemals über den der halben
Wellenlänge des blauen Lichts um ein Nennenswerthes hinausgehen wird."
[Abbe, 1873, S. 456]
Kurt Michel, immerhin zu seiner Zeit Entwicklungschef bei ZEISS, deshalb vermutlich
auch kein lupenreiner Prosa-Schreiberling, tendierte ebenfalls zu einer weichen, verbalen Auflösungsdefinition, und zwar:
"Es besteht keine scharfe Grenze für das Auflösungsvermögen. Die Deutlichkeit der Auflösung
nimmt vielmehr innerhalb eines gewissen Bereichs, den wir den 'kritischen Bereich der Auflösung'
nennen wollen, allmählich ab." [Michel 1950]
Auch Gerhard Göke benennt in seinem nach wie vor unübertroffenen
Lichtmikroskopie-Lehrbuch paarweise Auflösungsgrenzen "nach unten" und
"nach oben". Dies kann als weiterer Beleg dienen um einzusehen, dass die
mikroskopische Auflösungsgrenze nicht mit Hilfe einer einzigen Formel
geschweige denn einem einzigen Zahlenwert (das etwas naive "200 nm")
zu packen ist [Göke 1988].
Die in den Lehrbüchern am häufigsten vorkommenden Formeln lassen immerhin
die auflösungsbegrenzenden Parameter erkennen. Und wir können mit ihnen,
wie in der folgenden Abb. 2, näherungsweise Auflösungsgrenzen berechnen:
|