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Das chinesische TWX-1 Kompaktmikroskop (V)

Der aktuelle E-Mail Refrain an die Redaktion lautet natürlich "Und wo kann ich so ein TWX-1 kaufen?". Manche Leser setzen die kommerzielle Verfügbarkeit ohne weiteres Nachdenken voraus und fragen dann auch gleich ganz ungeniert: "Was kostet das TWX-1?".

Leider müssen wir bei beiden Fragen antworten, daß unseres Wissens nach momentan weltweit kein einziger Händler ein TWX-1 anbietet. Erinnern wir uns: das TWX-1 wurde mindestens zwischen 1971 und 1979 in der TaiYuan Optik Fabrik als Mikroskop für chinesische Feldlazarette hergestellt. Erst im 21. Jahrhundert geriet es ins Blickfeld der westlichen Sammler und Spezialisten. Bislang sind lediglich einige wenige Geräte via Ebay angeboten worden, alle direkt aus China. Diese Bezugsquelle scheint allerdings mittlerweile versiegt zu sein. Das TXW-1 ist deshalb (leider) das derzeit seltenste technisch hochentwickelte Exkursionsmikroskop.

Bis heute hat anscheinend im Westen niemand ein Foto gesehen, welches die Herstellungsbedingungen oder den Einsatz bei der Armee zeigt. Natürlich wäre es auch höchst interessant zu erfahren, wie die Elemente westlicher Mikroskop-Baukunst nach China gelangten, und dort keinesfalls nur kopiert, sondern erfolgreich in ein völlig neues Gerätekonzept integriert wurden.

Einige einfachere konstruktive Elemente sind wohl noch simple Anleihen vom Exkursionsmikroskop Nikon Model H. So zum Beispiel die Rollerbügel, die den Objektträger fixieren und eine seitliche Verschiebung, quasi in x-Richtung, zulassen:


[ TWX-1 military field microscope ]

Präparathalter,
mit Andruckfeder
und Gummirolle,
zur Verschiebung
des Objektträgers
in x-Richtung.


Auch beim Objekttisch könnte man noch eine Verwandtschaft zum Nikon postulieren, jedoch im gleichen Atemzug anmerken, daß eine Schwalbenschwanzführung zur horizontalen Objekttischverschiebung
in y-Richtung nichts Neues ist und natürlich auch nicht von Nikon erfunden wurde. Neu hinzugekommen ist ja auch eine großzügige Grobverstellung in
z-Richtung, die beim Nikon in dieser Form nicht vorhanden ist.


[ TWX-1 military field microscope ]

Schienen zur
Höhen(z)- und
Seiten(y)-Verstellung des Objekttischs.


Ein Nachteil der y-Tischführung ist uns allerdings aufgefallen: Bei extremer Schräglage (zum Beispiel während des Mikroskopierens auf einem Kamelrücken) kann es passieren, daß der Objekttisch langsam in y-Richtung weggleitet, während die oben gezeigten Rollen die x-Position zuverlässig halten.

Die Verkleidung des Grobfokus beim TWX-1 erinnert beim ersten Blick ebenfalls an das Nikon Model H Exkursionsmikroskop. Hier werden jedoch schnell Unterschiede erkennbar, weil das Nikon - als umgekehrt arbeitendes Mikroskop - keinen Grobfokus braucht und auch keinen hat. Die kreisförmige Rampe beim TWX-1 ist ein schönes Beispiel für typisch militärische Sonderanfertigungen, bei denen die Herstellungskosten erfahrungsgemäß außer acht gelassen werden:


[ TWX-1 military field microscope ]

Der rote Pfeil zeigt auf die Verkleidung des Grobfokussier-mechanismus beim TWX-1.


[ TWX-1 military field microscope ]

... hier mit abgeschraubter Grobfokusabdeckung.


[ TWX-1 military field microscope ]

Grobfokus-Mechanismus:
Der rote Pfeil zeigt auf den Bolzen, der die Bewegung von der Kreisrampe zum Objekttisch überträgt.


Statt eines fummeligen Irisblendenhebelchens verfügt das TXW-1 über ein großzügig dimensioniertes Rändelrad, das sich nicht versehentlich verstellen kann:


[ TWX-1 military field microscope ]

Irisblende mit Rändelrad und einschwenkbares (blaues) Tageslicht-Konversionsfilter.


Wie schon früher in Zusammenhang mit James-Bond-gadgetartigen Mikroskopen angemerkt, besteht auch beim TWX-1 die Gefahr, daß es vor lauter Ehrfurcht und Verlustangst nicht eingesetzt wird. Deshalb ist eine kleine praktische Transporttasche zu empfehlen, die dann auch nicht ganz so martialisch wirkt wie der originale, olivgrüne Militär-Container.


[ TWX-1 military field microscope ]

TWX-1 in nicht ganz stilreiner, aber praktischer Tasche aus dem Versandhandel.



Ein freundlicher Mitmensch hat uns wieder mal von einer Reise eine Moosprobe mitgebracht. Die darin enthaltenen Bärtiercheneier haben wir natürlich auch mal versuchsweise mit dem TWX-1 photographiert.


[ Bärtierchenei ]

Bärtierchenei (80 µm), durch das 45x Objektiv des TWX-1 photographiert.


Trotz aller Miniatur-Finesse des TWX-1 bietet ein großes Arbeitsmikroskop noch mehr Möglichkeiten, wie die folgende Aufnahme zeigt. Man erkennt wieder einmal ein typisches Bärtierchenwunder - reich ornamentierte Kegelspitzen auf einer komplizierten Kugeloberfläche mit hexagonaler Aufteilung - im Stile eines Romanesco-Blumenkohls. Leider müssen wir als eingefleischte Lichtmikroskopiker einräumen, daß bei diesen Objekten ausnahmsweise mal ein Rasterelektronen-Mikroskop (REM) von Vorteil wäre.


[ Bärtierchenei ]

Dasselbe Bärtierchenei wie oben (80 µm), in aller Ruhe am großen Arbeitsmikroskop zuhause photographiert.


Die Vorstellung des bereits angekündigten Echiniscen-Finders hatte in dieser Ausgabe leider keinen Platz mehr. Sie paßt ohnehin besser in unsere nächste Ausgabe (10 Jahre Bärtierchen-Journal!)


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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach