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Bärtierchen, Naturalists und die große Triplett-Verzweiflung (IV)

Im letzten Journal hatten wir gezeigt, wie wunderbar blau die Trockenstadien der Echiniscus-Bärtierchen bei der Lupenbetrachtung im LED-Licht aufleuchten. Nun gibt es allerdings im Moos auch nach andere Lebewesen die, genau wie die Bärtierchen, ebenfalls Trockenformen bilden - allen voran die häufig unter ähnlichen Randbedingungen vorkommenden Rädertierchen (Rotatoria). Diese sind in etwa gleich groß wie die Bärtierchen und haben ebenfalls eine transparente Cuticula, die sich im normalen Weißlicht lediglich durch die Streifungsrichtung von den Bärtierchen unterscheidet. Die beiden folgenden Bilder zeigen uns jedoch sehr eindrucksvoll, dass wir mit Hilfe der LEDs sehr gut zwischen trockenen Echiniscen und trockenen Rotatorien unterscheiden können:


[ Echiniscus-Tönnchen im LED-Licht ]

Abb. 1: Echiniscus-Tönnchen im LED-Licht, bei mittlerer Vergrößerung. Blau, leuchtend blau!

[ Rädertierchen im Trockenzustand, LED-Licht ]

Abb. 2: Die Rädertierchen-Trockenform erscheint im LED-Licht hingegen typischerweise in einer orange-gelben Farbe. Super!

Für die Technikfreaks haben wir noch ein besonderes Schmankerl vorbereitet, und zwar die "LED LUPE 20x" mit echtem (!) Triplett und eingebautem LED-Licht. Neupreis ab ca. 7 Euro, klar, inklusive Versand - der ganz normale Globalisierungs-Irrsinn. Und vergütet sind die Linsen auch noch, wirklich bizarr. Hier ist sie:


[ 20x LED Triplett Lupe ]

Abb. 3: Der aktuelle Lupen-Knaller aus dem Internet: Die "LED LUPE 20x" - ein echtes Triplett!

[ 20x LED Triplett Lupe, Begleitinfo ]

Abb. 4: Das mit geradezu rührender Sorgfalt ausgestaltete Begleitblatt vermittelt via Schnittzeichnung eine Vorstellung vom konstruktiven Aufbau der Lupe und enthält obendrein ein Foto des 6 LED-Lichtrings. Es wendet sich offensichtlich nicht zuletzt an gewisse westliche Kunden mit messerscharfem Urteilsvermögen und extrem hohen Anforderungen an die Begleitpapiere. Diese gestrengen Herrschaften werden beispielsweise die ausführliche, bildgestützte Erklärung der Funktion des Ein/Aus-Schalters ganz besonders zu schätzen wissen!
Das objektseitige Linsensystem (auf dem Bild oben als "Optical objective lens" tituliert) ist in Wirklichkeit hochwertiger als im Begleitblatt gezeichnet. Es handelt sich nämlich um ein verkittetes Dublett. Über diesem thront dann eine weitere, separate Einzellinse. Das wären dann so in etwa, rein rechnerisch betrachtet, in der Summe tatsächlich drei Linsen. Balsam auf die geschundenen Seelen der vielen Triplett-Zweifler und Triplett-Enttäuschten!

[ 20x LED Triplett Lupe, Auflösungstest  ]

Abb. 5: Die 10 Mikrometer-Teilung unseres Objektmikrometers wird von der LED LOUPE 20x erwartungsgemäß mit Bravour aufgelöst. Das hier gezeigte Bild vermittelt näherungsweise die Klarheit, mit der man die winzige Mikrometerskala beim Blick durch die Lupe wahrnimmt. Mit einer hochwertigen 10fach Lupe kann man, wie wir im letzten Journal gezeigt haben, die feinste Teilung nicht auflösen, sie erscheint nur noch als visueller Matsch.

[ 20x LED Triplett Lupe, Optik demontiert ]

Abb. 6: Die Optik lässt sich herausschrauben, so dass man auch mal ohne Licht direkt betrachten kann oder ein einfaches, aber durchaus hochwertiges Smartphone-Mikroskop bauen kann (siehe folgende Abbildungen).

[ Modifiziertes Smartphone-Mikroskop ]

Abb. 7: Das "Edu-Toys" Handy-Mikroskop. Der auf der Verpackung angegebene Vergrößerungsbereich ist freundliches chinesisches Understatement, es müsste wohl eher heißen: 5x bis 50x vergrößernd. Man kann mit dem integrierten kleinen Lichtkasten Durchlichtbetrachtungen anstellen, aber auch den Lichtkasten abnehmen und dann einfach gen Boden mikroskopieren. Die drei mitgelieferten Objektive sind zwar nur einfache Linsen, sie taugen jedoch durchaus für die Smartphone-Mikroskopie im niedrigen Vergrößerungsbereich. Die kleinste Linse liefert einen interessanten Makro-Abbildungsmaßstab, die mittlere ein erstaunlich ebenes Bildfeld und die stärkste eine Vergrößerung, die quasi an die Unterkante der Diatomeenbetrachtung heranreicht.



Es bedarf nun keines Feinmechaniker-Meisterbriefs, um aus dem Edu-Toys-Handymikroskop ein noch besseres Instrument zu bauen, und zwar ganz einfach durch Austausch der Originallinse gegen die oben gezeigte Triplett-Optik:

[ Umrüstung des Edu-Toys Mikroskopes]

Abb. 8: Umrüstung eines "Edu-Toys"-Smartphone-Mikroskopes auf die Triplett-Optik:

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"Edu-Toys"-Mikroskop, Lieferzustand. Fotografiert wird durch die runde Öffnung
Man kann jedoch auch das mitgelieferte Objektiv abziehen ...
... und statt dessen die Triplettlinse auflegen - sie passt perfekt!
Ausgleichen der Höhendifferenz mit einem 12 mm Brettchen

Nun werden Sie - völlig zu Recht - fragen, wie die mit einem derartigen Smartphone-Mikroskop fabrizierten Mikrofotos denn aussähen? Hier hätten wir ein Beispiel:



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Abb. 9: Beispiel-Mikrofoto vom Smartphone-Mikroskop. Der Durchmesser des gezeigten Pflanzenquerschnitts beträgt ca. 7 mm. Das Foto ist gar nicht so schlecht - besonders wenn man bedenkt, wieviel Aufwand noch vor wenigen Jahrzehnten für ein vergleichbares oder besseres Ergebnis nötig gewesen wäre.

Im nächsten Journal müssen wir allerdings die hier erzeugte Begeisterung fairerweise doch wieder ein wenig erden und werden erklären, warum die Bärtierchen eben nach wie vor eine fotografische Herausforderung bilden, die wir mit Hilfe von Lupenvergrößerungen, auch höheren Lupenvergrößerungen dann doch nicht so richtig knacken können.
Werfen Sie deshalb, trotz famoser Triplett-Lupe und wunderbarem Smartphone-Mikroskop Ihr prunkvolles Desktop-Mikroskop vorläufig lieber doch noch nicht auf den Müll!


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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach