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Exkurs: das Coronavirus, die Blu-ray und das Lichtmikroskop (II)

Vermutlich fragen Sie, liebe Leserinnen und Leser sich nun, warum wir einen derartigen Zirkus um die Blu-ray Pits veranstalten? Und was das mit den Bärtierchen zu tun hat? Vielleicht haben Sie ja Recht.

ABER: Es geht um die Ehre des Lichtmikroskops - nicht mehr und nicht weniger!

Mittlerweile wird das Lichtmikroskop routinemäßig als quasi Blu-ray blind dargestellt und somit unter Wert gehandelt. Überzeugen Sie sich einfach selbst: Eine Schnellrecherche im Internet fördert reihenweise Fachpublikationen zutage, in denen mit andersartiger Technologie sichtbar gemachte Blu-ray Pits als Belege für eine, angeblich dem klassischen Lichtmikroskop überlegene Detailauflösung bemüht werden [z.B. Huszka 2017, Lai 2016, Lee 2013, Wang 2016, Xiangang 2019]. Dies ist jedoch schlicht und einfach falsch, wie folgende Abbildung zeigt:


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Abb. 1: Klassisch-lichtmikroskopische Aufnahmen der Feinstrukturen von CD, DVD und Blu-ray mit einheitlicher Vergrößerung. Es kann somit kein ernsthafter Zweifel an der Tatsache bestehen, dass auch ganz normale Lichtmikroskope in der Lage sind, die sehr filigrane Blu-ray-Feinstruktur aufzulösen.
Anmerkungen: CD-, DVD- und Blu-ray-Pits wurden in klassischer Hellfeld-Durchlichtmikroskopie, mit Hilfe einer Weißlicht-Niedervoltlampe aufgenommen. Die weiteren technischen Randbedingungen sind im letzten Journal ausführlicher spezifiziert. Die Blu-ray Aufnahme ist minimal kosmetisch geschönt (Staubpartikel auf der CCD-Chip-Oberfläche wegretuschiert). [ English keywords: Blu-ray disk, microscope, microscopy, diffraction limit ]

Das Verdienst der ersten internetpublizierten, klassisch-lichtmikroskopischen Blu-ray Mikrofotografie (das First :-) gebührt wohl Jean-Marc Babalian, der Anfang 2017 mehrere Blu-ray Mikrofotos bei photography.net einstellte. Babalians Fotos entstanden an einem höherwertigen Mikroskop, ausgerüstet mit Plan Apo N.A. 1,4 Objektiv und Differentialinterferenzkontrast.
Hier bleibt lediglich anzufügen, dass man vergleichbare Bildergebnisse offensichtlich sogar mit noch einfacheren Mitteln erzielen kann. Unsere "Wunderwaffen" sind, wie im letzten Journal erwähnt, ein LOMO APO Ölimmersionsobjektiv und der mittlerweile weitgehend in Vergessenheit geratene "große" Abbe'sche Beleuchtungsapparat:



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Abb. 2: Sogenannter Großer Abbe'scher Beleuchtungsapparat am Mikroskop, hier zur besseren Erkennbarkeit seitlich ausgeschwenkt. Die mit "1" bezeichnete Kondensor-Irisblende (auch Aperturblende genannt) ist horizontal drehbar gelagert. Sie lässt sich mit Hilfe des kleinen Rändelschräubchens "2" zusätzlich variabel dezentrieren.
Auf diese Weise kann eine extreme schiefe Beleuchtung eingestellt und optimiert werden. Dank des kleinen Tricks kommen wir in den Genuss einer bestenfalls verdoppelten Auflösung, die bereits vor rund 150 Jahren von Ernst Abbe mathematisch analysiert und in eine berühmte Formel gepackt wurde. Kurioserweise verfügen moderne Forschungsmikroskope nicht mehr über dezentrierbare Kondensorblenden. Dies kann dazu führen, dass sogar ultrateure, aktuelle Geräte dem Flohmarktmikroskop bei der Blu-ray auflösungsmäßig unterlegen sind. Kurios, nicht wahr?

Langer Rede kurzer Sinn: Zur Abbildung der Feinstruktur einer Blu-ray kann ein altes Mikroskop vom Trödler ausreichen - wenn man es nur angemessen zu nutzen versteht! Jedenfalls sollte man keinesfalls behaupten, dass die Spuren und Pits einer Blu-ray DVD im Lichtmikroskop nicht auflösbar seien.



Literatur

Gergely Huszka et al.: Dielectric microsphere-based optical system for super-resolution microscopy. Conference Paper, June 2017. DOI: 10.1109/TRANSDUCERS.2017.7994464
[dort auf S. 2004: "Meanwhile, on the optical image, even the tracks are not distinguishable." (Anmerkung: Dies bezieht sich auf die Abb. 2A mit dem lichtmikroskopischen Bild einer Blu-ray DVD)].

Seoungjun Lee et al.: Overcoming the diffraction limit induced by microsphere optical nanoscopy.
Journal of Optics 15 (2013) 125710.
[dort im Abstract: "The sub-diffraction features of a Blu-ray Disc"]

Hok Sum Sam Lai et al.: Super-Resolution Real Imaging in Microsphere-Assisted Microscopy.
PLoS One. 2016; 11(10): e0165194. Published online 2016 Oct 21. doi: 10.1371/journal.pone.0165194. [dort: "According to the literature [8,15–17], a Blu-ray disc has a gap between its tracks that ranges from 100 to 120 nm [8,16,17]. This separation is below the diffraction limit, making it unobservable using normal microscopes and suitable for the super-resolution tests performed in this study."]

Zengbo Wang: Microsphere super-resolution Imaging. Nanoscience 3 (2016) S.193-210.
[dort auf S. 201: "a commercial Blu-ray DVD (...). The sub-diffraction-limited 100 nm lines (...)"]

Luo Xiangang: Engineering Optics 2.0 - A Revolution in Optical Theories, Materials, Devices and Systems. Springer Verlag 2013. ISBN-13: 978-9811357541.
[dort auf S. 276: "Then, a sub-diffraction-limited Blu-ray disk (Fig. 6.33c) containing 200 and 100 nm features was used as the imaging objects."]



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach