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Lupen für Fortgeschrittene (VIII): Brennweitenmessung, die zweite

Okay, sie sind ziemlich süß, unsere Bärtierchen. Wie bereits des Öfteren angedroht und nur gelegentlich konsequent umgesetzt, zeigt allerdings auch das Bärtierchen-Journal Tendenzen zur seriöseren Belehrung. Immerhin handelt es sich dabei meist um weniger internetgängige Informationen. Bei den Lupen fiel uns beispielsweise auf, dass viele Sammler und Aussteller zur Verschwiegenheit tendieren, wenn es um Vergrößerungsangaben bei nicht beschrifteten, typischerweise älteren Lupen geht. Hier drängt sich der leise Verdacht auf, dass man die charakteristische Haupteigenschaft vielleicht doch nicht so genau kennt oder auch einfach nicht zu messen versteht ...

Im letzten Journal hatten wir bereits gesehen, dass die wirklich simple Sonnenlichtprojektion eine einfache Möglichkeit zur groben Abschätzung der Brennweite und somit auch der Vergrößerung gängiger Lupen bietet.
Die Vergrößerung V errechnet sich ja definitionsgemäß aus dem Quotienten von Standardsehweite (250 mm) und Brennweite f zu V = 250 mm / f [mm].
In der Praxis hat der Sonnenfleck allerdings auch Nachteile: Er steht logischerweise meist - wetterbedingt - nicht einfach willig zur Verfügung, erscheint dann wiederum in seiner ungefilterten Brutalität unangenehm hell, ist nicht immer wirklich punktscharf definiert und in seiner Entfernung deshalb nicht unbedingt komfortabel und präzise ablesbar.
Hinzu kommt, wie bereits früher angemerkt, dass man den lupenseitigen Endpunkt der Brennweite bei stärkeren Lupen nicht immer genau ermitteln kann. Vielleicht liegt er auf halber Höhe im Gehäuse, vielleicht aber auch ein wenig weiter vorn, bei der ersten Hauptebene eines zusammengesetzten Linsenssystems.

Wenn wir nun der Sonne einen Korb geben möchten und auch nicht allzu intensiv über das genaue Innenleben unserer Lupenlieblinge nachdenken möchten, benötigen wir Brennweiten-Messmethoden, die sozusagen fliegende Brennweiten ermitteln können - ohne uns bei der Ermittlung etwaiger Brennweiten-Endpunkte Kopfzerbrechen zu bereiten. Und ja, es gibt sie, solche Methoden. Sie sind für Amateure durchaus finanzierbar und praktikabel.

In diesem Journal stellen wir zunächst eine Methode für schwach vergrößernde Lupen vor. Im nächsten Journal (Juli 2022) folgt dann die noch weniger bekannte Super-Power-Methode für extrem stark vergrößernde Einschlaglupen, bis hin zu über 30fach - das wird dann auch für die alten Hasen hoffentlich noch ein wenig überraschend und spannend!


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Abb. 1: Ein sogenannter Scheitelbrechwertmesser. Er ermittelt Dioptrienwerte (Brechwerte) von Linsen, normalerweise Brillengläsern, die sich in die zugehörigen Brennweiten und dann natürlich letzendlich auch wieder in Vergrößerungen umrechnen lassen. In ihren analogen Varianten werden derartige Geräte immer mal wieder unglaublich preiswert, amateurfreundlich-wohlfeil verhökert.

Mag der Terminus technicus "Scheitelbrechwertmesser" auch etwas spröde klingen, vielleicht sogar an menschlich Erbrochenes erinnern, so lässt sich trotzdem nicht leugnen, dass es sich hier um edle Präzisionsinstrumente handelt, die dem Anwender sekundenschnelle Messungen in der besonders interessierenden Linsenmitte, eben auf dem "Scheitel" der Linsen erlauben.

Die Messung ist denkbar einfach:
(1) Das Objekt, hier im Bild eine sehr alte Lupe aus Horn, wird mit Hilfe zweier von oben kommender Federstifte zentrisch im Strahlengang fixiert.
(2) Mit dem an ein Mikroskop-Fokusrad erinnernden, großen schwarzen Riffelrad wird so fokussiert, dass der oben im Betrachtungsokular sichtbare grüne Kreis aus Lichtpunkten zentriert und scharf erscheint (siehe Abb. 2):


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Abb. 2: Einstellung der Optik zur Ermittlung der Dioptrienzahl - Bildeindruck beim Blick durch das den Brechwertmesser bekrönende Okular - nach dem Scharfstellen auf den grünen Lichtpunktkreis.

Anschließend kann im Dioptrienokular (dem kleinen, kreisrunden Einblick gleich hinter dem großen Okular) der ermittelte Dioptrienwert abgelesen werden. Im Falle unserer Einschlaglupe aus Horn konstatieren wir einen Wert von etwa 5,55 Dioptrien (Abb. 3).


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Abb. 3: Blick in das kleine Beobachtungsfenster, oben rückseitig auf dem Trägerarm des Geräts. Die sympathisch vergilbte Skala zur Ablesung des ermittelten Dioptrienwertes ist auch nach einem halben Jahrhundert immer noch gut ablesbar.

Aus dem Kehrwert der Dioptrienzahl 1 [m]/Dioptrien ergibt sich die Brennweite unseres Untersuchungsobjekts in Metern, hier 0,18 m = 180 mm. Und daraus wiederum die Vergrößerung V mit 250 mm/180 mm = 1,4. Wie man sieht, handelt es sich hier definitiv nicht um eine stark vergrößernde, "wissenschaftliche" Lupe, sondern ganz einfach um eine uralte Sehhilfe für (meist greise) Weitsichtige.

Messtechnische Anmerkungen: Scheitelbrechwertmesser sind meist sehr genau, sehr viel genauer als wir es für die hier demonstrierte Lupenvergrößerungsmessung benötigen. Dem naturgemäß durch und durch misstrauischen Mikroskopiker sei deshalb lediglich ergänzend und zur Vertrauensbildung geraten, den jeweils benutzten Scheitelbrechwertmesser an Hand von preiswerten Messgläsern (Optikerbedarf, Internet) zu überprüfen. Bei dem in Abb. 1 gezeigten Gerät ergab sich in derartigen Vergleichen eine Maximalabweichung von ca. 1%.
Trotzdem findet sich ein störendes Haar in der Suppe: Praktisch alle uns bekannten Scheitelbrechwertmesser reichen im Messbereich nur bis zu maximal +25 Dioptrien, was gerade mal einer 6fachen Lupenvergrößerung entspricht. Mit Ach und Krach reicht das noch zur Vermessung einer 3x/6x-Einschlaglupe, bei der wir die Dioptrienwerte addieren und somit in der Summe bis zu maximal 9x nachmessen können. Das wäre dann sozusagen die Unterkante einer gerade noch zur Bärtierchensuche tauglichen Lupe.
Für die stärkeren Vergrößerungen müssen wir deshalb auf eine andere Methode zurückgreifen, die dem genialen Carl Friedrich Gauß zugeschrieben wird und die ebenfalls eine exzellente Genauigkeit liefert, auch für Linsenkombinationen.

Mehr dazu im nächsten Journal.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach