Lupen für Fortgeschrittene (XX) |
Abb. 1: Bilddetail aus
dem Buch der Erfindungen (1876 - Band 1, S. 491) mit der Erläuterung
"Ein Kupferstecher-Atelier".
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Die Frage nach der Notwendigkeit und Nützlichkeit linsenoptischer
Hilfsmittel im Handwerk können wir jedoch alternativ auch experimentell, im Selbstversuch
angehen. |
Abb. 2: Die Rückseite einer deutschen 1-Cent-Münze in der Makroaufnahme. Man bedenke jedoch, dass diese Münze in der Realität - mit nur 16 mm Durchmesser! - eben doch ziemlich klein ist und die Inschrift dann dementsprechend winzig erscheint. |
Einem durchschnittlichen, nicht mehr allzu jugendlichen Betrachter wird diese Münze ohne optische Hilfsmittel deshalb nur noch etwa etwa so klar wie auf Abb. 3 erscheinen: |
Abb. 3: Simulation des Aussehens der Rückseite einer 1-Cent-Münze, wie sie von einem nicht mehr allzu jugendlichen Betrachter empfunden wird. Die Jahreszahl wird demnach, je nach individuellem physischen Verfallszustand, gerade noch oder auch gerade nicht mehr erkennbar sein. |
Außer Frage steht jedoch, dass für den Graveur feiner Inschriften, beispielsweise auf Münzprägestempeln, eine deutlich höhere Auflösung wünschenswert, wenn nicht sogar unabdingbar wäre - etwa so: |
Abb. 4: Simulation einer für Graveure besser geeigneten, höheren optischen Auflösung. |
An diesem Punkt wird es jedoch tatsächlich spannend, weil angesichts ähnlich winziger antiker Schrift- und Bilddetails regelmäßig diskutiert wird, ob ein typischer antiker "Meister" (logischerweise biologisch auch nicht mehr so ganz taufrisch) das denn noch hinbekommen haben könnte? |
Um nun die Möglichkeit einer Steigerung von Abb. 3 nach Abb. 4 im Selbstversuch zu verifizieren, eignet sich auch eines der im Internet gängigsten Objektmikrometer, auf dem sich kleine Punkte der hier interessierenden Größenordnung befinden: |
Abb. 5: Gängiges Objektmikrometer ("calibration slide") für Messungen im mikroskopischen Umfeld. Originalgröße: 76 mm x 26 mm (3 Zoll x 1 Zoll). Die beiden rechts aufgedruckten Fadenkreuze enthalten im Zentrum einen 0,15 mm bzw. einen 0,07 mm messenden Punkt. |
Im Selbstversuch konnten wir mit unbewaffnetem Auge lediglich den 0,15 mm Punkt auf dem Objektmikrometer problemlos erkennen, den kleineren Nachbarn jedoch nicht mehr. |
Hier wird nun ein kleiner Exkurs fällig: Im Winter 1981 erschien in
der Zeitschrift "Expedition" ein Artikel mit dem Titel "Close Work Without
Magnifying Lenses?", der zu einer interessanten, ebenfalls publizierten
Folgediskussion führte. Ein Leser hatte nämlich angemerkt, dass auch
die Verwendung einer Lochblende ("pin hole") den erwünschten Erfolg
in der Nahsicht erbringen könnte [Diskussion zu Gorelick 1981, siehe Link unten]. |
An dieser Stelle ist jedoch Widerspruch angesagt. Zugegeben, gängige Lochblenden, wie sie in typischen Lochbrillen zu finden sind, verschaffen dem Betrachter im Nahbereich tatsächlich nur eine marginal bessere Detailauflösung. |
Abb. 6: Eine handelsübliche Lochbrille - sozusagen ein Vielfach-Pinhole. Man könnte hier alle Löcher bis auf ein einziges, ergonomisch gut geeignetes (mittiges) abdecken und somit die Brille grundsätzlich auch als Einzel-Pinhole verwenden. Leider ist sie jedoch für das hier vorgeschlagene Experiment zur maximalen Verbesserung der Nahsicht trotzdem nicht optimal geeignet: Der relativ große Lochdurchmesser von 1,5 mm vermag nämlich die wirksame Pupillengröße nicht ausreichend zu verkleinern. Genau wie in der Fotografie wird die erwünschte Ausweitung der Tiefenschärfe in den Nahbereich nur bei extremer Abblendung erreicht. |
Jedoch konnten wir uns im Selbstversuch überzeugen, dass eine
extrem kleine Lochblende (siehe Abb. 7) sehr wohl zu einer
gewaltigen Nahsicht-Detailverbesserung verhilft. Letzten Endes beruht der Effekt
auf der von der Fotografie bekannten starken Abblendung. Dank dieser extremen
Abblendung vergrößert sich der Schärfentiefenbereich erheblich.
Nur dann fällt der Betrachtungs-Mindestabstand dementsprechend gering aus:
Mit der in Abb. 7 gezeigten Lochblende ließen sich die Jahreszahl-Ziffern
auf dem 1 Cent Stück noch bei einem Abstand von nur 8 cm (!) absolut klar erkennen.
Auch der 0,07 mm Punkt auf dem Objektmikrometer wurde plötzlich sichtbar.
Und selbstverständlich kann eine ergonomisch passend geformte Lochblendenfassung
genau wie eine Uhrmacherlupe direkt ins Auge geklemmt werden, wodurch beide
Hände frei bleiben und natürlich auch das von [Gorelick 1981] vorgebrachte
Stativargument entfällt. |
Abb. 7: Winzige, in Holz montierte Lochblende zur Verbesserung des Nahsehens. Das Blendenloch misst 0,5 mm im Durchmesser. Besonders ergonomisch ist die kleine Einblicköffnung allerdings nicht: Man muss sie ziemlich genau anpeilen, kann aber dann die komplette Oberfläche der 1-Cent-Münze überblicken! |
Probieren Sie es doch einfach aus - zur Not reicht bereits ein sauberer Nadelstich durch schwarzes Papier! Wer sich handwerklich nicht besonders fit fühlt, kann sich aber im Internet alternativ eine 0,5 mm Lochblende besorgen - sie wird als Zubehör für knallhart-nostalgische Lochkamera-Fotografen relativ preiswert angeboten. |
Im nächsten Journal werden wir die Argumente der Antiklupen-Befürworter und der Antiklupen-Gegner unter die Lupe, ähm, bzw. das intellektuelle Skalpell legen! |
Bildquelle und Literatur
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© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |