[Titelfragment 1.1] [Titelfragment 1.2] Titelfragment 1.3]
[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
[Titelfragment 3.1] [Titelfragment 3.2] [Titelfragment 3.3]

Nachdem wir uns im März mit  Vergreisungssymptomen  bei Bärtierchen und im April mit  Bärtierchen-Kleinkindern  befaßt haben, kommen wir diesen Monat zu einem eher spröden, technischen Thema, nämlich der Herstellung von Dauerpräparaten.

Der Schwerpunkt des Journals, liegt, wie Sie gesehen haben, bei der bildlichen Darstellung lebendiger Bärtierchen. Die Trockenstarre der Wasserbären ermöglicht uns ja nach Belieben ein späteres Reanimieren, z.B. von Moosproben, ganz einfach mit Wasser, so daß wir als Amateure weitestgehend ohne Fixiermittel und Dauerpräparate auskommen.
Trotzdem kann es natürlich vorkommen, daß wir z.B. ein interessant geformtes Bärtierchen-Ei, eine abgeworfene Hauthülle oder auch ein besonders seltenes Exemplar einer exotischen Bärtierchenart dauerhaft, wenn auch leider tot, konservieren wollen.

Das Standardmittel zur wässrigen Einbettung von Bärtierchen ist das Einschlußmittel nach Hoyer, auch Berlese-Mischung genannt. Dieses System ist auch für Anfänger geeignet, wenn man die folgenden Hinweise beherzigt. Der große Vorteil der Rezeptur liegt in der Tatsache, daß die jeweiligen Objekte ohne weitere Arbeitsschritte, direkt aus dem Wassertropfen, eingebettet werden können. Der Brechungsindex des Mediums von 1,48 bewirkt eine klare und kontrastreiche Darstellung von Bärtierchen-Panzerschalenstrukturen.


[Berlese-Mischung in Chemikalienfläschchen]

Folgende Substanzen werden benötigt:

--  Gummi arabicum (eine Festsubstanz):  1,3 g
--  Destilliertes Wasser:  2,2 ml
--  Glycerin (eine farblose Flüssigkeit):  0,7 ml
--  Chloralhydrat (eine giftige, hartwachsähnliche, weiße Substanz) :  8,8 g


Vorgehensweise zur Herstellung der Berlese-Mischung

Zum Gummi arabicum wird das Wasser hinzugefügt. Auch größere Brocken Gummi arabicum lösen sich im wesentlichen von selbst im Wasser, wobei es zunächst anquillt und sich dann allmählich vollständig auflöst. Wenn Sie es eilig haben, können Sie das Gummi arabicum vorher etwas zerkleinern und mit einem Glasstab (ohne Erhitzen!) umrühren. Schaumschlagen ist zu vermeiden. Man gibt anschließend das Glyerin zu und rührt einmal kurz um. Zuletzt setzt man das Chloralhydrat zu, welches sich nach etwas Warten problemlos lösen sollte. Die Lösung, eine klare, leicht gelbliche Flüssigkeit mit der Konsistenz flüssigen Honigs, ist nun gebrauchsfertig.
Sie sollte gut verschlossen und dunkel aufbewahrt werden.


Anwendung der Berlese-Mischung

Ein kleiner Tropfen Berlese-Mischung wird mit Hilfe eines Glasstabs auf die Mitte eines Objektträgers gebracht. Das einzubettende Objekt, z.B. ein Bärtierchen-Ei, wird in einem möglichst kleinen Tropfen, d.h. mit sehr wenig Wasser, hinzugegeben. Anschließend legt man ein rundes Deckglas auf und lagert das Präparat zumindest einige Stunden waagrecht. Nach dieser Zeit sollte das Deckglas durch das erhärtende Gummi arabicum soweit festgelegt sein, daß es nicht mehr verrutscht. Nach ein bis zwei Tagen muß der Rand des Deckglases zusätzlich mit farblosem Nagellack abgedichtet werden.



Wichtige Anmerkungen

a) Chloralhydrat ist giftig. Deshalb ist Vorsicht im Umgang mit diesem Stoff, aber auch Sorgfalt bei der Aufbewahrung und Kennzeichung der fertigen Mischung angebracht.
b) In der Fachliteratur finden sich jammervolle Hinweise, daß unter hohem Substanzverlust filtriert werden muß, daß sich zunächst Trübungen über lange Zeit hinweg absetzen müssen, daß die Herstellung mindestens eine Woche dauert usw.
All dies trifft vor allem dann zu, wenn Sie in der Apotheke das pulverisierte  Gummi arabicum kaufen (auch ich bin darauf hereingefallen). Dieses zweifelhafte Produkt scheint in erster Linie aus Schmutz zu bestehen. Wenn Sie jedoch Gummi arabicum in transparenten, bernsteinartigen Brocken kaufen, werden sie keine Verunreinigungsprobleme haben.
c) Beim Auflösen des Gummi arabicum darf nicht erhitzt werden. Sauberes Gummi arabicum löst sich nach Zerkleinern und Rühren problemlos in der angegebenen Wassermenge.
d) Auch wenn es in der Rezeptur wie ein Schreibfehler ausschaut: 8,8 g festes Chloralhydrat lösen sich tatsächlich in der vergleichsweise geringen Menge an Gummi arabicum-Lösung klaglos auf.



[von Bärtierchen abgeworfene Schale]

Anwendungsbeispiel: Nach der normalen Häutung von einem Bärtierchen abgeworfene Schale mit charakteristischen Panzerplatten und Feinstruktur.
Breite des Bildausschnitts ca. 200 µm.
Dauerpräparat, eingebettet in Berlese-Mischung.


Natürliche Färbungen, wie z.B. das Rot eines Echiniscen-Eis verblassen in der Berlese-Mischung nach wenigen Tagen. Man sollte sich auch der Tatsache bewußt sein, daß die Berlese-Mischung als wässriges System langfristig vollständig eintrocknen und auskristallisieren kann. Die Dauerhaftigkeit Ihrer Präparate hängt demnach davon ab, wie gut Sie mit dem Abdecklack abgedichtet haben.

Nota bene: Die Beobachtung lebendiger Bärtierchen sollte für uns Amateure die Regel, das Präparat die Ausnahme sein. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Herrn Gerhard Müller-Lang (siehe Zitat des Monats)!

Betrachten Sie zuletzt noch das folgende, quicklebendige Junior-Bärtierchen:


[Bärtierchen, Tardigrade, jugendlich]

Jugendliches Tier mit zweikralligen Beinen.
Länge ca. 150 µm.



Und versäumen Sie um Himmels willen nicht die nächsten Ausgaben des Journals:

Juni (#24): Welches Mikroskop eignet sich für die Bärtierchen-Betrachtung? Ein Bärtierchen, unter drei verschiedenen Mikroskopen betrachtet.
Juli (#25): Die 25. Ausgabe des Bärtierchen-Journals: Ein kleines Jubiläum - dazu zwei freundliche Rezensionen. Wir werden zusammen die Spuren untersuchen, welche ein typischer Websurfer auf unserem Server hinterläßt, nachschauen wo er herkommt, welchen Weg er durch die Website nimmt, wie lange er bleibt usw. - natürlich unter Wahrung der Anonymität.
August (#26): Ein gehörntes Bärtierchen - Cornechiniscus.



Literatur:

Udo Sellenschlo: Die Berlese-Mischung - ein fast vergessenes Einschlußmittel.
Mikrokosmos 70 (1981) 239-240.

Otto Kraus: Hoyers Gemisch statt Polyvinyl-Lactophenol.
Mikrokosmos 73 (1984) 54-55.


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© Text und Mikrofotos von  Martin Mach