Das Bärtierchen-Journal
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Wie wir bereits im  letzten Journal   gesehen haben, verläßt das Bärtierchen nach der Häutung die zu klein gewordene Hauthülle.
Es benutzt dafür typischerweise eine Öffnung am "Hals" der alten Hülle. In der Fachliteratur wird berichtet, daß die Wasserbären sich aus der arg beengten Situation mit Hilfe ihrer Stilette befreien.
Es kann jedoch sein, daß manchmal schon das heftige Strampeln und Zappeln der Tiere alleine zum Aufreißen der alten Cuticula führt.


[ Ramazzottius oberhaeuseri mit Cuticula ]

Getigertes Bärtierchen
Ramazzottius oberhaeuseri
kurz nach dem Verlassen der alten Hauthülle. Länge ca. 350 µm.


Bei der hier unten gezeigten Cuticula von  Ramazzottius oberhaeuseri   ist eine deutliche Netzstruktur zu erkennen:


[ Ramazzottius oberhaeuseri kurz nach der Häutung ]

Bärtierchen Ramazzottius oberhaeuseri kurz nach der Häutung.


Man kann nun das Bärtierchen auf ein feuchtes Moospolster zurückpipettieren und anschließend die Cuticula alleine betrachten.
Auf diese Weise lassen sich die Details in aller Ruhe studieren und wir fallen dem Vorbesitzer nicht unnötig auf die Nerven. Bei mittleren und starken Vergrößerungen tritt die schon erwähnte Felderung der Cuticula immer deutlicher zutage.


[ Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri ]

Feinstruktur der Cuticula von
Ramazzottius oberhaeuseri
bei mittlerer Vergrößerung.
Breite der kleinen Felder ca. 2 bis 3 µm.


[ Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri ]

Feinstruktur der Cuticula von
Ramazzottius oberhaeuseri
bei hoher Vergrößerung.
Breite der Felder ca. 2 bis 3 µm.


Falls es uns nun gelingt, zusätzlich seitlich (wie bei einem Querschnitt) auf die Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri zu schauen, offenbart sich deren Profil als regelmäßig granuliert, perlschnurartig.


[ Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri ]

Feinstruktur der Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri. Ansicht der Cuticula des Hinterleibs mit Hinterbeinhülle bei mittlerer Vergrößerung.



[ Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri ]

Feinstruktur der Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri. Querschnittartige Ansicht der Cuticula des Hinterleibs bei starker Vergrößerung. Perlschnurartiges Profil der Cuticula.


Wenn wir jetzt die Ergebnisse aus den beiden unterschiedlichen Blickwinkeln zusammenfassen, kommen wir zu dem Ergebnis, daß die Volumenstruktur der Cuticula im vorliegenden Fall als Netz von seitlich etwas abgerundeten, schollenförmigen Einzelelementen zu verstehen ist, in ihrer Geometrie einem Kraquelée aus ein wenig angeschmolzenen Eisschollen enspricht. Die Funktionalität ist vielleicht am besten mit der eines Kettenhemdes zu vergleichen.

Die Cuticula zeigt noch weitere anatomische Details, welche am lebendigen Tier schlechter oder gar nicht erkennbar wären: So wird z.B. auch die Enddarmauskleidung bei der Häutung erneuert und ist im Foto unten als röhrenförmige Struktur innerhalb der Cuticula zu erkennen.


[ Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri ]

Enddarmauskleidung in der abgeworfenen Cuticula von Ramazzottius oberhaeuseri.


Die leere Cuticula ist übrigens bei niedrigen Vergrößerungen leicht zu übersehen, womit besonders Anfänger Schwierigkeiten haben. Wir müssen deshalb zum Suchen und Finden das Licht zurückdrehen und - Profis bitte weghören - manchmal die Kondensorblende noch zusätzlich arg schließen, weil ansonsten der Kontrast in der Hellfeldbeleuchtung einfach nicht ausreicht.
Insofern ist es eine gute Übung, am Stereomikroskop innerhalb einer größeren Bärtierchenpopulation nach abgeworfenen Hüllen zu fahnden. Die Dinger sind halt nun mal ziemlich durchsichtig ;-)
Beim Wenden mit der Nadel können wir uns von der relativ hohen Zugfestigkeit und der geringen Elastizität der Hüllen überzeugen.
Wir verstehen so ohne weiteres, daß eine derartige Cuticula nicht mitwächst und deshalb vom heranwachsenden Bärtierchen zwangsläufig abgestreift werden muß.

Auch hier greift das Bärtierchen mal wieder in seine Trickkiste. Wie wir gesehen haben, ist die Hülle nicht elastisch dehnbar. Dem Bärtierchen bleibt deshalb nichts anderes übrig, als sich für die Häutung innerhalb der Hülle zu verkleinern (!), indem es den Binnendruck seiner Körperflüssigkeit reduziert.

Das soll mal einer von uns grobschlächtigen Menschen nachmachen.



Literatur

Über die Feinstruktur und die Durchlässigkeit von Cuticula und Epidermis gibt es viele Publikationen. Falls in Ihrem Wohnzimmer vielleicht doch noch kein Elektronenmikroskop steht, können Sie bei den Profis nachlesen, was Sie mit Hilfe von teureren Geräten und nach schwierigen Präparationsarbeiten zu sehen bekommen würden. Hier nur eine kleine Auswahl:

Greven, Hartmut: Die Bärtierchen. S. 15 - 20. Wittenberg 1980.

Greven, Hartmut und Greven, Wilma: Observations on the permeability of the tardigrade cuticle using lead as an ionic tracer. In: Bertolani, R. (Ed.): Biology of Tardigrades. S. 35 - 43. Modena 1987.

Kristensen, Reinhardt M.: On the fine structure of  Batillipes noerrevangi  Kristensen 1976.
I. Tegument and moulting cycle. Zoologischer Anzeiger 197 (1976) 129 - 150.


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© Text und Fotos von  Martin Mach