Eine versuchsweise Genusbestimmung
Seit der letzten Auflage von Guiseppe Ramazottis Tardigradenbestimmungswerk von 1983
(siehe Literatur) hat es niemand mehr gewagt, eine umfassende Artbestimmungshilfe für alle
Bärtierchen vorzulegen. Die Profis behelfen sich mit einzelnen, verstreut
publizierten Genusreviews. Für die Amateure wird es jedoch zunehmend schwierig, mit der
sich stetig komplizierenden Tardigradensystematik und den vielen neu publizierten
Genera Schritt zu halten.
Als kleiner Trost sei hier vermerkt, dass sich auch manche durchaus honorigen Biologen
mit den Tardigraden nicht leicht tun. So findet sich beispielsweise in Robert Hofrichters
prächtiger Mittelmeerbibel, Band II/1 (2003), S. 50 eine (falsch) geschätzte
Mittelmeer-Bärtierchen-Artenzahl von gerade mal "10 ?".
Wie bereits gewohnt, werden die Bärtierchen hierbei gewaltig unterschätzt:
Die italienische Tardigradenspezialistin Susanna de Zio Grimaldi nennt in einer bereits etwas
länger zurückliegenden Publikation alleine für die süditalienischen Meeresküsten
"rund 50" nachgewiesene Bärtierchenarten.
In Clark Beasleys Übersetzung von Ramazzottis Tardigradenmonographie steht
als Definition für das im vorliegenden Fall von uns vermutete Genus Halechiniscus zu lesen:
"Halechiniscidae with legs with four
digits, terminating with a sickle-shaped claw, with or without distal spurs; head
flattened, with lateral expanded lobes".
Diese Merkmale treffen auf die hier diskutierten Meerestardigraden zu. Die anderen
gängigen Genera passen jedenfalls schlechter.
Hier sei lediglich erwähnt, dass sich die Genera Batillipes und
Orzeliscus durch runde bzw. ovale Zehenhaftlappen auszeichnen (statt der hier
vorgefundenen, papageienschnabelartig verstärkten Krallen).
Das Genus Echiniscoides ist systematisch weitab entfernt und trägt
bis zu 11 Krallen pro Bein, jedenfalls immer mehr als 4 Krallen. Beim Genus
Parastygarctus tragen die mittleren von den insgesamt vier Krallen lange
Fortsätze, die irgendwie an künstliche Fingernagelverlängerungen erinnern.
Das pittoreske Genus Tanarctus wiederum ist geprägt von flügelartigen
cuticularen Fortsätzen, die wie ein Regenumhang am Rücken ansetzen können,
ja gelegentlich sogar an belaubte Äste oder kunstvolles Schleierwerk denken lassen.
Der gestrenge Profibiologe oder der gelegentlich noch strengere Amateur mag nun
natürlich nachhaken und fragen, welche Art denn nun genau vorliege?
Halechiniscus perfectus, Halechiniscus greveni oder etwas ganz anderes?
Die Antwort ist ganz einfach: Wir wissen es leider nicht und müssen es vielleicht auch nicht wissen.
Wir haben jedoch das deutliche Gefühl, daß Halechiniscus-Bärtierchen
an den Küsten Kroatiens deutlich häufiger sein könnten als
der dort ohnehin schon äußerst zahlreich vorgefundene deutsche Tourist
- und das ist doch schon mal eine Information, die uns alle gleichermaßen trösten
wie nachdenklich stimmen könnte!
Im "Rocharium" verbirgt sich übrigens ein weiteres exotisches und
besonders attraktives Tardigradengenus, welches wir in Kroatien nicht bemerkt hatten
und welches sich bislang auch im Mikroaquarium äußerst geschickt versteckt
hatte. Wir werden dieses bizarre Genus bald hier vorstellen.
|