Lupen für Fortgeschrittene (XIX) |
Abb. 1: Klassisch-minimalistische
Leselupe aus dem 20. Jahrhundert mit Bakelitgriff.
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Insofern absolut trivial und wirklich einfach zu erfinden - könnte man meinen.
Kurioserweise dauerte es jedoch Jahrtausende, bis die handgehaltene Leselupe
(ein weitab vom Auge, direkt über dem jeweiligen Betrachtungsobjekt geführtes Instrument
mit großer Linse) ihre heutige Gestalt annahm. Linsen aus Glas kennt man
seit Jahrtausenden. Ihr routinemäßiger Einsatz in Form von optischen Instrumenten
erfolgte jedoch zögerlich, sprunghaft und auf merkwürdigen konstruktiven
Umwegen: |
Vor ca. 250 Jahren standen die Nürnberger Optiker vor genau diesem Problem: Wie könnte man die relativ große und schwere Linse für ein Leseglas am elegantesten fassen und möglichst ergonomisch in den Griff bekommen? Im Unterschied zur Situation bei den wesentlich kleineren Brillengläsern schieden Leder, Holz und Horn als erste Wahl aus: Im Falle des Leders wäre das Gesamtkonstrukt sicherlich zu weich geworden. Ein großer Holzring wäre entweder zu plump oder zu rissanfällig ausgefallen - und hätte die Linse ohne zusätzliche Bauteile nicht sicher halten können. Horn wäre, wie wir bereits früher gesehen haben, als reversibel quellbares Material zur Linsenfassung prinzipiell gut geeignet, wird jedoch im gewünschten, großen Durchmesser Mangelware sein. Die zur Fassung heutiger Leselupenlinsen problemlos verfügbaren, metallischen Halbzeugmaterialien standen im 18. Jahrhundert noch nicht als preiswerte, industrielle Massenware zur Verfügung, mal ganz zu schweigen von geeigneten Feingewinden und Schrauben. Schließlich kam jemand auf eine Idee - hier sehen wir das Ergebnis: |
Abb. 2: Sogenannte Nürnberger Lupe.
Fassung mit ca. 2 mm starkem Kupferdraht;
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Die Nürnberger Optiker entschieden sich für einen gewalzten Kupferdraht, der an der Innenseite konkav eingewölbt ist. Auf diese Weise gelang es, die archaische Linse zu umfassen und zuverlässig einzuspannen: |
Abb. 3: Detail der Nürnberger Lupe von Abb. 2.
Hier ist die kesselbodenförmig-konkave - deshalb das Linsenglas sicher
umfassende - Ausformung des breiten Kupferdrahts deutlich zu erkennen.
Die Linsenverspannung erfolgt mit Hilfe von zwei Umgängen eines sehr viel
feineren, silbrig erscheinenden, an den Enden verzwirbelten und scharfkantig gekappten Drahtes.
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Der massive Kupferdraht übernimmt zusätzlich die Funktion eines Handgriffs, wird an dessen Ende mit weiterem Dünndraht zusammengehalten: |
Abb. 4: Detail der Nürnberger Lupe von Abb. 2. Die unteren Enden des (gröberen) Fassungsdrahts sind durch vielfache Wicklungen aus feinerem, silbrig erscheinendem Kupferdraht zueinander fixiert. |
Man mag heute über die hier gezeigten, konstruktiven
Eigenwilligkeiten der Nürnberger Lupe schmunzeln. Tatsache ist jedoch, dass die quasi
konkav-gestützt verzurrende Linsenfassung mit integriertem Griff in großer
Stückzahl hergestellt wurde. Sie dürfte über viele Jahrzehnte
hinweg im Raum Nürnberg als volkstümliche Leselupe marktführend
gewesen sein und zählt sicherlich mit zu den frühesten großlinsigen
Lesegläsern. |
Abb. 5: Britischer "Library Magnifier" - eine im 19. Jahrhundert weit verbreitete Leselupe, aber auch einfach Universallupe, beispielsweise zur Betrachtung von Gemälden. Die Fassung besteht aus einem offensichtlich besonders veränderungsstabilen Hartholz. Ein extrem fein gedrechselter, eingepresster Holzring fixiert die Linse sehr präzise in der Fassung. |
Die Altersbestimmung und regionale Zuordnung der Lupen wird nicht zuletzt durch die Tatsache erschwert, dass ältere Exemplar (mit Ausnahme von wenigen Luxusprodukten) keinerlei Beschriftung tragen, so dass die Einordnung in vielen Fällen spekulativ bleiben muss. |
Literatur
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© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |