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Phasenkontrast: Schnupperimpression!

Eines der häufigsten und leider auch zutreffenden Argumente gegen unsere uralten, heiß geliebten Hertel & Reuss "CN-hF"-Mikroskope besagt, dass nachträgliches Aufrüsten sehr viel schwieriger zu bewerkstelligen sei als bei den Mikroskopie-Marktführern. Dies ist auch deshalb nicht weiter verwunderlich, weil Instrumente von Hertel & Reuss typischerweise im gnadenlosen, schulischen Alltag verschlissen wurden und nur selten den Weg in (apparativ besser auszustattende) Forschungsbereiche fanden.

Als nun eines Tages in den Internet "Kleinanzeigen" ein vollständiges Phasenkonstrast-Set für Hertel & Reuss auftauchte, klang dies in unseren Ohren logischerweise wie ein "Jetzt oder nie!".

Sicherlich hätte so manche pessimistische Seele vor einem derartigen Kauf gewarnt. Es war jedoch schließlich alles Erforderliche im Paket, passt zum vorhandenen Oldie und funktioniert einwandfrei.


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Abb. 1: Hertel & Reuss °CN-hF"-Mikroskop mit nachträglich montiertem Phasenkontrast-Set - beides mutmaßlich aus den 1970er Jahren. Gut zu erkennen sind der weit ausladende, typische Phasenkontrast-Kondensorrevolver und das Grünfilter im ausklappbaren Filterhalter. Wenn man die speziellen "Ph"-Objektive abschraubt und ihre Rückseite durch eine Lupe betrachtet, zeigen sich die charakteristischen, grauen Phasenringe. Jedem Objektiv-Phasenring ist eine genau passende Lichtblende im Kondensorrevolver zugeordnet. Diese Blenden bestehen aus einfachen, schwarzen Kreisscheiben mit kreisringförmig ausgespartem Lichtdurchlass.

Nach der Montage und Primärjustierung sollen Objektiv-Phasenringe und Kondensor-Lichtringe paarweise aufeinander abgestimmt sein, konzentrisch übereinander liegen, genau so, wie auf dem folgenden Bild (für das 40er Objektiv) zu sehen:


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Abb. 2: Blick bei abgenommenem Okular auf die Rückseite des 40er Objektivs. Nach korrekter Justage müssen Phasen- und Blendenring exakt übereinander liegen.

Für den Anwendungsfall der Bärtierchen fiel es uns nicht schwer, ein geeignetes, kontrastschwaches Testpäparat zu finden:


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Abb. 3: Der fiese Prüfstein - ein eigenes, schrecklich verblasstes Dauerpräparat. Es beherbergt ein Macrobiotus Bärtierchen-Ei (Durchmesser 98 µm - inklusive der sogennten Ei-Ausschüsse). Selbst mit maximal geschlossener Kondensorblende ist bei diesem, bereits mehrere Jahrzehnte alten Präparat kein befriedigender Kontrast zu erzielen!

Wenn wir nun allerdings auf Phasenkontrast umstellen, zeigt sich eine drastische Verbesserung der Bildqualität:


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Abb. 4: Dasselbe Ei wie in Abb. 3 - diesmal im Phasenkontrast. Die grüne Farbe resultiert aus dem Einsatz eines - zumindest theoretisch auflösungsverbessernden - strikten Grünfilters.

Nach Computer-Umwandlung in ein Schwarz-Weiß-Bild ergibt sich das typische, farblich triste, jedoch im Kontrast nach wie vor beeindruckende Phasenkontrastbild:


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Abb. 5: Wie Abb. 4, jedoch nach Umwandlung in ein Schwarz-Weiß-Bild.


Resümee: Zum Auffinden und beim Fotografieren kontrastschwacher Objekte kann die Phasenkontrastmikroskopie enorm hilfreich sein. Man sollte jedoch nicht der Versuchung nachgeben, nun gleich ALLES mittels Phasenkontrast zu untersuchen. Auch bei den Bärtierchen kann es durchaus vorkommen, dass ein voll ausgereiztes, schräges Kondensorblenden-Exzenter-Licht (Hellfeld, großer Abbe-Kondensor) dem Phasenkontrast in punkto Detailauflösung überlegen ist. Und klar, eine etwaige Eigenfarbe des Objekts wird beim Phasenkontrast massakriert - dies erinnert irgendwie an das ebenfalls gnadenlos farbenblinde Rasterelektronenmikroskop!



Disclaimer - und fürsorgliche Hinweise für mutige Phako-Nachrüster

Was wir bei dieser Aktion gelernt haben: Die Phasenkontrast-Komplettierung eines älteren Mikroskops ist nicht trivial und deutlich riskanter als z.B. der Zukauf eines neuen Objektivsatzes. Mit Blick auf die relativ hohen Neupreise kann sich der Gebrauchtkauf jedoch trotzdem lohnen, besonders dann, wenn das bereits vorhandene Mikroskop hochwertig ist, sich in gebrauchsfertigem Zustand befindet, sowie technisch und ergonomisch den eigenen, individuellen Bedürfnissen entspricht. Folgendes gilt es (hier lediglich exemplarisch, am Beispiel des Hertel & Reuss  "CN"-Mikroskopes) besonders zu beachten:

(1) Marken- und Typenkompatibilität, Lichtqualität
Ein Phasenkontrast-Set hat praktisch immer spezielle, herstellerspezifische Eigenschaften. Deshalb wird beispielsweise das 40er Phasenobjektiv eines bestimmten Herstellers mit der 40er Phako-Blende im Kondensor eines anderen Herstellers normalerweise nicht harmonieren. Im Falle von Hertel & Reuss muss das Upgrade zusätzlich zum Mikroskoptyp passen (per Zahn und Trieb verstellbare Kondensorhalterung, ausreichende Stärke der Lichtquelle usw.). Das zeitweise in der Lehre geradezu religiös gepredigte "Köhlern" scheint unserer Einschätzung nach auch im Falle des Phasenkontrasts nicht unbedingt erforderlich zu sein - unabhängig von der Binsenweisheit, dass man sein Mikroskoplicht selbstverständlich auch fernab vom Köhlern hoffnungslos vermurksen kann ...

(2) Vollständigkeit
Genau genommen gehören leider ziemlich viele Einzelteile zu einem Phako-Set. Im Falle von H&R wären dies wünschenswerterweise:
- Phasenkontrastkondensor (klar :-)
- Zum Kondensor passende, spezielle Phasenkontrast ("Ph")-Objektive
- Einstellfernrohr für das Objektiv-Hinterlinsenbild (nicht herstellerspezifisch)
- Zwei kleine Justierschlüssel (darf auch anderes Feinschrauber-Werkzeug sein)
- Grünfilter oder Gelbgrünfilter (Fabrikat egal, muss in die Halterung passen)
Montagezubehör: Bei H&R sind ein spezieller Zwischenring zur Aufnahme des Kondensorkopfs und zusätzlich ein Festhalte-Gewindering erforderlich.
Fiktives Anbieterzitat:"Das 100er Objektiv fehlt, wird aber selten benötigt."

(3) Zustand
Leider kann an einem Phako-Set viel kaputt sein: Jede Einzelblende im Kondensor hat ihre eigene Justiervorrichtung, die Objektive können frontseitig angekratzt oder vollends unbrauchbar sein, die Irislamellen des Kondensors festsitzen oder verbogen sein. Dementsprechend viele Grobmotoriker-Schäden und fehlgeleitete Justierattacken von Vorbesitzern sind denkbar.
Fiktives Anbieterzitat:"Insgesamt gut erhalten, nur zwei Blendenringe defekt."

(4) Justage / Montage- und Bedienungsanleitung
Eine altgediente Praktikerregel besagt: "Wenn alles Bemühen nicht weiterhilft, sollte man vielleicht erwägen, notfalls doch in die Anleitung zu schauen!"
In der uns vorliegenden Anleitung wird leider mit keinem Wort erwähnt, dass die Kondensorblendenjustierung (vgl. Abb. 2) jeweils mit den beiden Schrauben direkt links und rechts von der schwarz lackierten Kondensor-Drehscheibenhalterung zu bewerkstelligen ist. Hinzu kommt, dass es sich um winzige Schlitzschrauben handelt, die sehr tief in ihren Bohrungen, noch dazu in einer Art Überraschungswinkel angeordnet sind, den man erst mal ertasten muss. Diese Justage funktioniert übrigens gleich sehr viel besser, wenn man sich vor Augen hält, dass es sich um eine klassische Dreipunkt-Einstellung handelt: Zwei Madenschrauben drücken gegen einen Federstift - im Prinzip eine sehr solide, ja fast schon idiotensichere Konstruktion.



Literatur (und solidere Information)
Dieter Gerlach: Das Lichtmikroskop. S. 127-149 und S. 290-294. Stuttgart 1976.
Gerhard Göke: Moderne Methoden der Lichtmikroskopie. S. 122-138. Stuttgart 1988.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach