Das Gerät ist so konstruiert, daß im Inneren
eine Wassersäule steht, welche oben und unten von Glas, seitlich jedoch
nur von Luft begrenzt wird.
Das Volumen von vielleicht einem halben Kubikzentimeter könnte den
Bärtierchen als Lebensraum ausreichen. Beim Verschließen des
Gefäßes hängt sich der eingeschlossene Tropfen gleichmäßig
zwischen Boden- und Deckglas ein. Die Konstruktion ist extrem leicht zu reinigen,
weil der Wassertropfen nur auf den planen Glasflächen aufliegt.
Wegen der hermetisch geschlossen Außenbox verdunstet kein Wasser und
die bei anderen Systemen häufig erforderliche Lagerung in einer feuchten
Kammer erübrigt sich. Beim Öffnen
des Deckels, um z.B. einen Teil des Wassers auszutauschen, bleibt der Wassertropfen
gutmütig in der Mitte der Bodenplatte liegen. Die im Tropfen
wohnenden Organismen werden nicht in die Ecken geschwemmt und überstehen
den Wartungseingriff in ihre Welt problemlos.
Vermutlich werden sich die Leserinnen und Leser nun fragen, wo man ein
derartiges Gerät heute noch kaufen kann? Die Redaktion des
Bärtierchen-Journals hat den Bedarf bei den Amateuren erkannt, jedoch,
wie Sie sich vorstellen können
mit der ganz normalen redaktionellen Arbeit schon alle Hände voll zu tun.
Deshalb mußte die gesamte Projektsteuerung im Hinblick auf die Entwicklung
eines neuen Mikroaquariums, wie man heute sagt, outgesourct*,
d.h. außer Haus gegeben werden. Ein Consulting-Spezialist verfaßte binnen kurzem
ein Pflichtenheft für das Technik-Team des Bärtierchen-Journals.
Sie können sich sicherlich vorstellen, daß die Anforderungen erheblich waren.
Wir zitieren aus dem Pflichtenheft:
Das von Ihnen zeitnah zu entwickelnde Mikroaquarium für die mikroskopische
Betrachtung von Bärtierchen bei bis zu 100facher Vergrößerung
hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a) Es soll ein kleines Flüssigkeitsvolumen in Form einer Säule halten,
welche oben und unten von transparentem Material und seitlich nur von Luft
begrenzt ist
b) Es soll leicht zu befüllen und leicht zu reinigen sein sowie absolut dicht schließen
c) Die eingesetzten Materialien müssen den optischen Anforderungen der Mikroskopie
genügen sowie bruch- und kratzfest sein
d) Der Endverbraucherpreis darf 15 Cent nicht übersteigen.
Das technische Entwicklungsteam hat der Redaktion mittlerweile signalisiert, daß
es die Aufgabe gelöst hat.
Sie wollen wissen wie?
Lesen Sie es ganz einfach nach - ,
in der nächsten Ausgabe, Ende November.
Und noch eine Bitte zum Schluß: Es ist keine besondere mikroskopische
Glanzleistung, wenn wir die Kleintiere unter einem zu streng eingestellten
Kompressorium oder einem Deckglas ohne Abstandshalter allmählich zermatschen.
Die Kräfteverhältnisse sind nun wirklich verdammt ungleich,
wir Menschen haben schließlich eine vielmillionenfach größere
Körpermasse und sollten deshalb gerade auch den ganz Kleinen gegenüber
gutmütig auftreten. Stellen Sie sich einfach probehalber mal einen Rollentausch
auf dem Wege der Seelenwanderung vor ...
(*) neudeutsch, sprich "aut-geso-urzt"
Literatur:
In der traditionsreichen Zeitschrift MIKROKOSMOS finden wir z.B. auch die
richtungsweisenden und lehrreichen Arbeiten von Walter Neubert zur
Langzeitbeobachtung von Mikroorganismen, welche praktisch immer den Einsatz
entsprechender Mikroaquarien erfordern:
Walter Neubert: Langzeitbeobachtung von Mikroorganismen. Ein praktisches
Mikroaquarium. Mikrokosmos 80 (1991) S. 228 - 231.
(Anmerkung der Redaktion: In diesem Artikel wird ein einfach herzustellendes
Mikroaquarium beschrieben, in welchem
kleine Tesafilmstückchen als Abstandshalter zwischen Deckglas und
Objektträger fungieren. Dieses Mikroaquarium wird in einer feuchten Kammer vor
Austrockung geschützt).
Walter Neubert: Geburt, Leben und Tod eines Rädertierchens.
Mikrokosmos 83 (1994) S. 17 - 30 (Anmerkung der Redaktion:
Der Autor beschreibt hier, wie er Rädertierchen über Monate
hinweg in seinem Mikroaquarium am Leben hält und so den Lebenszyklus
verfolgen kann).
Weitere empfohlene Literatur:
William von Bremen: Das Objektträgeraquarium. Fütterung und Belüftung
bei Kleinstaquarien. Mikrokosmos 60 (1971) S. 85 - 89.
Hans-Henning Heunert: Präparationsmethoden für Vitalbeobachtungen
an Mikroorganismen. Mikrokosmos 63 (1974) S. 256 - 260
(Anmerkung der Redaktion: Heunerts Arbeit beschreibt feinmechanisch aufwendig
hergestellte Mikroaquarien und richtet sich wohl eher an professionelle Forscher).
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