In Konkurrenz zum Herbst-Szenario: Farbige Echiniscen |
"Tönnchen"
eines Echiniscus-Bärtierchens, sofort nach dem Wässern.
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Der "trockene Weg" der Betrachtung kostet uns viel mehr Anstrengung. Ein Moospolster kommt in seiner Undurchdringlichkeut und Tarnwirkung einem Dschungel gleich: |
Trockenes Moospolster. Aufnahme in Luft. Bildausschnitt knapp 1 cm. |
Wenn wir einzelne Moospflänzchen herauspräparieren und geduldig unter dem Stereomikroskop durchmustern, werden wir ab und zu ein trocken geparktes, unbewegliches Bärtierchen-Tönnchen sehen. |
Aus einem trockenen Moospolster
abgetrenntes, einzelnes Moospflänzchen.
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Unsere Mühe mit der trockenen Betrachtung an Luft wird durch ein fulminantes Farbenspiel belohnt. Je nach Beleuchtung können die Tönnchen im Auflicht sehr unterschiedlich wirken. Auf den folgenen Fotos erscheinen gleichartige Tönnchen mal dunkel (fast schwarz), mal silbrig-weiß, transparent-rötlich, intensiv blau, blau-rot, ja sogar perlmuttartig in Regenbogenfarben schimmernd. |
Bei den Fotos oben wurde jeweils mit weißem Licht beleuchtet. Die unterschiedlichen Farben entstehen durch Interferenz. Wer in der Schule Physik gelernt hat, wird sich vielleicht an den Namen des Effekts erinnern: "Farben dünner Blättchen". Eintreffendes Licht wird hierbei sowohl an der oberen als auch der unteren Grenzlinie einer dünnen Schicht reflektiert. Auf dem Rückweg des Lichts treffen deshalb zwei Strahlen zusammen, welche unterschiedlich lange Wege zurückgelegt haben. Die beiden Strahlen überlagern sich, wobei unterschiedliche Gesamtfarbwirkungen zustande kommen. Leuchtet man z.B. mit einer Taschenlampe von oben auf einen Ölfilm auf Wasser oder eine Bakterienschicht auf einem Heuaufguß, so stellt man fest, daß je nach Einfallswinkel des Lichts blaue, grüne oder rote Farben entstehen. Die blaue Farbe tritt bei steilem Einfallswinkel (kurzer Lichtweg) auf, während die rote Farbe bei schrägem Winkel (längerer Lichtweg) zu sehen ist. Die perlmuttartigen Pünktchen weisen deshalb auf lokal unterschiedliche Interferenzbedingungen hin: Eine Echiniscen-Cuticula ist in der Regel nicht völlig glatt und homogen. Im oben gezeigten Bildbeispiel verursachen Poren der Cuticula ein kompliziertes Interferenz-Szenario, ähnlich wie die ebenfalls mikroskopisch kleinen Strukturen auf einer Computer CD. Man kann ausrechnen, daß die farbverursachenden Strukturmerkmale in der Größenordnung von etwa 0,25 bis 0,5 µm liegen müssen, um kräftige Interferenzfarben zu verursachen. Zu klein dürfen sie auch nicht sein, weil dann die Interferenzeffekte visuell nicht mehr wahrnehmbar sind. Bei genauerer Betrachtung wird die Angelegenheit recht kompliziert, weil extreme Einfallswinkel sowie ein kleinräumig variierender Brechungsindex im Material im doppelten Wortsinne schillernde Effekte bewirken können. |
Die Trockenformen und Gelege der Eutardigraden-Bärtierchen wirken hingegen meist viel weniger farbig als die der Echiniscen. Dies liegt an der deutlich geringeren Wandstärke und der größeren Glätte der Cuticula. Interferenzen werden allerdings auch hier sichtbar, wenn wir aus extremen Blickwinkeln auf die Cuticula schauen: |
Gelege des Eutardigraden Milnesium tardigradum . Drei Eier in einem frühen Stadium der Reifung. Die Cuticula erscheint lediglich in den Rand- und Krümmungsbereichen farbig, weil dort das Licht auf seinem Weg von der Quelle bis zum Auge des Betrachters eine längere Strecke durch die Cuticula durchlaufen muß. |
Andererseits erlauben uns die Eutardigraden wegen der kristallklaren Cuticula wunderbare Einblicke in ihre Entwicklung. Wir werden in der nächsten Ausgabe des Bärtierchen-Journals von diesem Fenster ausgiebig Gebrauch machen und ein Getümmel erleben, welches sogar die aktuellen Koalitionsverhandlungen vergleichsweise matt erscheinen läßt. |
© Text und Fotos von Martin Mach |