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Die Bärtierchen-Live-Beobachtung (im Freien!), Teil II

In den Zeiten der gnadenlosen Internet-Bilderfluten fällt es schwer, überhaupt noch eine Szenerie zu entdecken, die nicht bereits zuvor von anderen in ähnlicher Weise fotografisch abgegrast wurde - und zudem leider, leider meist erheblich besser.

Berufsfotografen registrieren mit zunehmendem Schrecken, dass auch der eine oder andere vermeintlich blutige Anfänger simpelklickende Fotografie betreibt, die dem eigenen Gewerbe gelegentlich gefährlich nahe kommt - besonders wenn es nicht um das letzte Quäntchen Perfektion geht, das von der Kundschaft ohnehin nicht mehr wahrgenommen wird.

Alte Hasen denken mit Wehmut an die Zeiten zurück, in der man noch Fotos verkaufen konnte, die ein wenig farbstichig geraten waren oder vielleicht nicht so ganz 100%ig perfekt in der Balance standen, ganz zu schweigen von gewissen hartnäckigen Fusseln im blauen Dia-Himmel, die heute das Nachbarskind mit einem frechen  point_and_click  bereits am Smartphone (!) wegzaubern könnte.

Und ja, dann wären da noch gewisse neuzeitliche Vollformat-Bildgeberchips, die bei einer Empfindlichkeits-Einstellung auf 6400 ASA, d.h. quasi bei Nacht, immer noch akzeptable Bilder generieren. Optische Bildstabilisierung erlaubt mittlerweile sogar dem Quadrokopter-Piloten Nachtaufnahmen mit satten 5 Sekunden Belichtungszeit. Abschließend zu nennen wäre vielleicht noch das RAW-Format, bei dem es auf eine genaue Belichtungseinstellung nicht mehr ankommt und im Videobereich das "5K"-Format, welches in Bälde dem Cinemascope 4K (mit schlappen 4000 horizontalen Bildpunkten) die Krone entreißen und wie gewohnt kurz hinterher die deutschen Kinderzimmer erobern dürfte.

In diesem zivilisatorischen Rahmen erscheint es vermutlich etwas keck, hier merklich unscharfe und farblich fragwürdige Bilder im 590-Pixel-Format zu präsentieren. Wir haben jedoch einen Joker im Ärmel:

Es handelt sich um ein tatsächlich völlig neues Szenario!

Auf der folgenden Abbildung sehen Sie nochmals das bereits im letzten Journal beschriebene technische Equipment, in geringfügig modifizierter Form, mit improvisierten Augenmuscheln und bereits am Tatort, einer bemoosten Betonmauer, am Isarufer in München:


[ Umgebautes Stereomikroskop ]

Abb. 1: Umgebautes Stereomikroskop mit der Möglickeit zur Boden-Fokussierung (zur Technik siehe letztes Journal vom Oktober 2017).


Der visuelle Eindruck ist mangels integrierter Kamera nicht einfach zu dokumentieren. Wir haben einfach eine neuzeitliche Systemkamera mit wunderbarer ASA-Einstellung (siehe oben) über eines der Okulare gehalten. Der Bildeindruck direkt am Mikroskop wirkt naturgemäß deutlich klarer und kontrastreicher. Hinzu kommt, dass unser Hirn die Wasserreflexe generös hinwegrechnet, die Kamera jedoch diesen Kunstgriff leider noch nicht so ganz beherrscht. Die Bärtierchen sind, ihrem Wesen entsprechend, nach wie vor verlässlich klein, um nicht zu sagen: verdammt klein, so dass es ohne den roten Hinweisrahmen schwerfällt, sie in der fotografischen Übersicht zu finden geschweige denn Details zu erkennen. Aber, es besteht kein Zweifel: Wir können die Bärtierchen grundsätzlich an ihrem natürlichen Aufenthaltsort lebensaktiv und auf sanfte Weise beobachten!



[ Bärtierchen live, vor Ort, im Stereomikroskop ]

Abb. 2: Blick durch ein Stereomikroskop der 30 € Preisklasse auf eine bemooste Betonmauer im leicht regennassen Zustand.

Naturgemäß fragt der, typischerweise gutsituierte und bereits deutlich angegreiste Hobby-Mikroskopiker in dieser Situation, ob es nicht vielleicht doch ein wenig teurer ginge? Beispielsweise mit einem "richtigen" Stereomikroskop oder mit noch weitwinkligeren Okularen. Die Antwort lautet: Ja, selbstverständlich, es geht sogar erheblich teurer. Der Aufbau wird dann allerdings größer, schwerer und unflexibler. Das Gewicht des solide-metallischen Instrumentariums kann bereits ausreichen, um einen merklichen Flurschaden in der Moos-Umgebung des Beobachtungsortes zu bewirken. Wollen wir das tatsächlich? Und im megateuren Weitwinkelokular lässt sich in der Tat ein größeres Blickfeld nutzen. Der praktische Nutzeffekt auf einer extrem unebenen Untersuchungsfläche hält sich allerdings in Grenzen. Und das Einblickverhalten extremer Weitwinkelokulare kann im Freien ziemlich nerven. In unserem Falle so sehr nerven, dass wir die für diese Modifikation eigens angeschafften, superedlen Weitwinkelokulare nach dem ersten Einsatz in ihre Pappschachtel zurückbeordern mussten. Summa summarum ergibt sich eine sehr menschenfreundliche Situation: Man kann bei dieser Aufgabenstellung sogar mit einem sehr kleinen Budget absolut mithalten. Wer mehr Geld einsetzt wird abgestraft. Die Angelsachsen beschreiben dieses Szenario sehr treffend als einen "Silly Money"-Plot.

Ohne angemessene Geduld und Ausdauer geht es allerdings nicht. Wir brauchen insbesondere das genau richtige Wetter, mit nicht zuviel und nicht zu wenig Wasser. Das kann dauern und viele Einsätze vor Ort erfordern. Und nota bene: Wo keine Bärtierchen sind, lassen sich naturgemäß auch keine Bärtierchen beobachten! "Wow" schreit dann allerdings schließlich das stolze Hirn des Homo sapiens, wenn man es erst einmal geschafft hat und die winzigen Schöpfungs-Kameraden, möglicherweise: Schöpfungsmasochisten, aus eigener Kraft in ihrem natürlichen Milieu lokalisieren und beobachten kann.


[ Bärtierchen live, vor Ort, im Stereomikroskop  ]

Abb. 3: Ausschnittvergrößerung aus dem obigen Übersichtsbild. Es handelt sich um eine extreme Nachvergrößerung aus einem improvisierten Aufbau (Kamera auf Okular gedrückt). Der visuelle Eindruck am Gerät ist deutlich besser. Schade, dass es nur ein Standbild ist. Die Bärtierchen krabbeln hier tatsächlich herum und man sieht sie sehr schön in Aktion - wohlgemerkt im Ultraminibudget-Stereomikroskop. Zugegeben, kein 5K, aber trotzdem krasse Klasse.

Was wir daraus über die Bärtierchen gelernt haben? Das folgt im nächsten Journal, neudeutsch-werbetechnisch gesprochen, als Weihnachts-Goodie!



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach