Echiniscoides sigismundi - ein wenig genauer betrachtet
Echiniscoides sigismundi zählt zu den sehr wenigen marinen Bärtierchen,
welche bereits im 19. Jahrhundert bekannt waren. Ein Blick in die wissenschaftliche
Literatur ergibt, daß die meisten anderen Meerestardigraden erst relativ
spät entdeckt wurden, nämlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Walter Maucci, einer der bekanntesten Bärtierchenforscher benennt
in seiner prächtigen Monographie über die italienischen Tardigraden
zahlreiche Spezies, welche anscheinend vor aller Augen, nämlich
an den italienischen Stränden zuhause sind:
Halechiniscus perfectus SCHULZ (1955), gefunden im Sand am Meer bei Neapel
Halechiniscus remanei SCHULZ (1955), Neapel und viele andere Fundorte in Italien
Batillipes similis SCHULZ (1955), Neapel
Batillipes adriaticus GRIMALDI DE ZIO (1979), Brindisi
Stygarctus bradypus SCHULZ (1951), Lecce
usw.
Warum fand man sie erst so spät? Vermutlich, weil sie nicht gerade
zahlreich vorkommen und noch dazu im Sand nicht leicht zu finden sind.
In der Regel reicht es leider nicht aus, einfach
eine Handvoll nassen Meeressand unter ein Stereomikroskop zu streuen
um dann die Tardigraden zu bestaunen.
Die professionellen Forscher dürften sich deutlich mehr Mühe gegeben zu haben.
Ein bescheiden versteckter Hinweis in der Beschreibung des Lebensraumes
von Halechiniscus perfectus bei Maucci sollte uns zu denken geben:
"im Sand des Küstenbereichs bis zu 170 cm Tiefe" .
Da werden wir als Amateure mit unseren improvisierten Schnorchelsonden und
Eßlöffel-Grabungen nicht mithalten können.
Hinzu kommt, daß der typische marine Tardigrade glasklar und unscheinbar ist.
Noch dazu klammert er sich gerne an der Rückseite von Sandkörnern fest.
Echiniscoides sigismundi hingegen können wir tatsächlich im Vorbeigehen,
mit einem Einmachglas aufsammeln, weil sein Lebensraum, die grünen Algen
im Küstenbereich, problemlos zugänglich ist. Bereits im letzten
Journal haben wir eine typische Fundsituation
bildlich vorgeführt.
Für uns Amateure günstig ist weiterhin die Tatsache, daß
E. sigismundi hart im Nehmen ist. Schwankende Salzkonzentration ist ihm
ziemlich egal - obwohl eigentlich Meerestier muß er als Algenbewohner
im Uferbereich auch weiches Regenwasser vertragen. In der Tat haben Versuche
von Gisela Grohé gezeigt, daß E. sigismundi zwei bis drei Tage,
wenn auch bewegungslos aufgequollen, in Süßwasser überleben
kann und bei Neuzutritt von Salzwasser wieder zu normalem Aussehen
und normaler Bewegungsfähigkeit zurückkehrt.
Temperaturschwankungen von mindestens 20 Grad muß das zähe Wesen
natürlich auch überstehen können, wenn ab und zu die
Sonne auf die austrocknenden Algen herunterbrennt.
Summa summarum können wir mit Recht hoffen, daß ein so harter Bursche
selbst im bescheidenen Meerwasser-Joghurtbecher überlebt.
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