[Titelfragment 1.1] [Titelfragment 1.2] Titelfragment 1.3]
[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
[Titelfragment 3.1] [Titelfragment 3.2] [Titelfragment 3.3]



Die Felswand (III)

Natürlich finden sich in unserer exemplarischen Darstellung der Bärtierchen aus der österreichischen Felswand auch ganz "normale" Arten, quasi Allerweltsbärtierchen. Wenn sich nach den ersten Bärtierchen-Begegnungen die Begeisterung etwas gelegt hat (mit Wundern kommen wir ja als Mikroskopiker routinemäßig gut zurecht), könnte man als Amateur der Versuchung erliegen, über solche Bärtierchen einfach hinwegzusehen - in unermüdlicher Suche nach einer vielleicht siebenbeinigen oder zweinasigen Art. Die folgende Bildserie soll jedoch belegen, dass die Betrachtung eines einzigen, beliebigen Bärtierchens, egal welcher Art, eigentlich immer lohnt.

Ein altgedienter Mikroskopiker hat uns mal gesagt, dass ein Mikrofoto quasi wertlos sei, wenn es nicht möglichst viele anatomische Details enthielte. Weit gefehlt, wir sind der Ansicht, daß gerade solche, etwas "eigenschaftsarmen" Fotos die schönsten Portraits abgeben. Beim Gespräch mit einem Menschen will man ja z.B. auch nicht immer unbedingt gleichzeitig dessen, womöglich arg zerfurchte, Leber sehen.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Portrait eines mittelgroßen Bärtierchen aus der österreichischen Felswand.
Körperlänge knapp 0,3 mm.

Was uns an diesem Foto gefällt: der schöne, luftig-transparente Kußmund, und vielleicht auch die Seitenansicht auf eine (typisch verbreiterte) Stilettbasis. Es wird zudem klar, daß die Mundröhre in ihrem vordersten Bereich wohl kompliziert aufgebaut sein könnte. Wir müssen das alles vielleicht gar nicht bildlich auflösen, fühlen jedoch sehr deutlich, das die Konstruktion dem Konzept einer einfachen zylindrischen Baumarkt-Röhre deutlich überlegen sein könnte. Ein bildlich mit erfaßtes Auge erhöht übrigens immer die vermeintliche Aussagestärke, weil wir so etwas auch in Menschenportraits zu sehen gewohnt sind und zu schätzen wissen.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, von oben gesehen.

Noch mehr erfreut es uns natürlich, wenn wir zwei Augen sehen. Weil wir selbst auch zwei Augen haben? Weil wir die höhere Symmetrie lieben? Jedenfalls wird hier deutlich, daß auch ein kleines Tier Kraft ausstrahlen kann, fast den Bildrahmen sprengt.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, diesmal in klassischer Draufsicht.

Die schulmäßige Senkrechtansicht wirkt da vergleichweise matt, auch wenn wir nun die Stilettfedern erkennen und sogar die Wandstärke der Mundröhre vermessen könnten. Gut zu sehen ist übrigens auch, wie die Augen (mit dem schwarzen Augenpigment) in seitliche Hirnlappen eingebettet sind.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, Fokus auf den Kaumagen.

Sie merken schon: Schwupps - und schon sind wir wieder beim anatomischen Erbsenzählen. Nebenbei registrieren wir drei etwa gleich große Makroplakoide (in Wirklichkeit sind es 3x3x2 Makroplakoide, aber wir sehen nicht alle gleichzeitig).


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, Fokus auf Kopf und Krallen.

Wir hätten das erste Foto natürlich auch eher auf die Krallen fokussieren können, diese sind ja leider für eine Artbestimmung unverzichtbar.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, Fokus auf die Krallen.

Auch von den Krallen gibt es mehr als nur ein paar, viele Publikationen betrachten deshalb die vier Beinpaare separat, was wir Ihnen jedoch hier ersparen möchten - in erster Näherung sind sie einander ja auch sehr ähnlich.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, letztes Beinpaar mit Krallen.

Was könnte das nur für ein Genus sein?


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, Fokus auf die Krallen.

Besonders treue und besonders aufmerksame Leserinnen und Leser werden sich vielleicht noch an das hier früher ausführlich besprochene "Löffelgelenk" des längsten Krallenastes von Hypsibius erinnern - auch hier haben wir es demnach mit typischen Hypisibienkrallen zu tun.


[ Mittelgroßer Eutardigrade von der österreichischen Felswand ]

Dasselbe Bärtierchen, weitere Draufsicht.

Sehen Sie hier die kleine Stufe zwischen der blockartig ausgebildeten Stilettbasis und dem Vorderteil des Stilettes?


Sicherlich haben Sie bemerkt, daß wir hier von der vermenschlichenden Portraitperspektive allmählich zur Detailpedanterie gewechselt haben. Als Amateur "dürfen" Sie beides! Genießen Sie einfach Ihre Freiheit, ohne Formalin, ohne Statistik, ohne Abgabefrist ... und behandeln Sie bitte Ihre Bärtierchen weiterhin pfleglich.


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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach