Das Bärtierchen-Journal
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Ein Land-Eroberer mit vielen scharfen Krallen - Echiniscoides sigismundi

Homo sapiens, bodenhaftender Landbewohner und chronisch schwacher Schwimmer, pflegt gerne die Meeressehnsucht: Egal ob Blaue Grotte oder ein Biß des Weißen Hais, das Meer bewegt die Gemüter.


[ Meer & Land: Cabo Roca ]


Wilde Grenze zwischen Meer und Land: Die Küste am westlichsten Punkt Europas (Cabo Roca).

Aber auch auf der anderen Seite der Grenzlinie, im Meer, muß es eine Art spiegelbildliche Landsehnsucht geben - trotz oder vielleicht gerade wegen der Totalreflektion, welche - aus der Perspektive des Meeresgetiers - alles Land hinter einem optisch dichten, silbrigen Spiegel verbirgt. Wer weiß, was die Vorfahren unserer terrestrischen Bärtierchen bewogen haben mag, an Land zu kommen? Vielleicht waren es die einladenden Biotope in unmittelbarer Meeresnähe? Ihre Nachkommen leben jedenfalls heute an genau diesen Stellen.


[ Malerischer Flechtenbewuchs am Westrand Europas: Cabo Roca ]

Flechten in Meeresnähe, bei Cabo Roca.

Man weiß leider nicht, wie lange das alles gedauert haben mag. Sicherlich werden die Bärtierchen nicht von einem auf den anderen Tag an Land gesprungen sein. Nicht zuletzt haben sie den Übergang zum Landbewohner bis heute nicht vollständig abgeschlossen. Auch die landbewohnenden Bärtierchen benötigen ja immer noch einen winzigen "Rest Ozean", und sei es nur ein klitzekleiner Wassertropfen, zum aktiven Leben.
Von jeher waren die Forscher von dem Bärtierchen  Echiniscoides sigismundi fasziniert, welches sozusagen auf halber Strecke zwischen Meer und Land, in den grünen Algen der Brandungszone lebt:


[ Badestrand und gleichzeitig Lebensraum des Bärtierchens Echiniscoides sigismundi ]

Ein Badestrand? Nicht nur. Die grünen Algen, rechts im Bild, welche regelmäßig von der Brandung überspült werden, sind gleichzeitig Lebensraum des Bärtierchens Echiniscoides sigismundi .

Die Bewohner der Brandungszone müssen Überlebenskünstler sein: Der Salzgehalt schwankt zwischen dem des Meeres (hoch) und dem eines Sommerregens (nahe Null). Es kann vorkommen, daß die Mittagshitze die Algen austrocknet, sozusagen im Salzsud dünstet. Hinzu kommt die mechanische Belastung durch heftig einschlagende Wellen und erbarmungslos mahlende Sandkörner. Jetzt verstehen wir einmal mehr, warum die Bärtierchen zu den "extremophilen" Lebewesen zählen: Man muß schon recht zäh sein, um das alles zu überleben. Unter dem Mikroskop sehen die Algen der Brandungszone eher friedlich aus, fädige Systeme mit variierendem Querschnitt, vielfältig verzweigt, mit einem Hauch von Gespensterwald:


[ Mikroaufnahme: Algen aus der Brandungszone: Lebensraum des Bärtierchens Echiniscoides sigismundi ]

Algen aus der Brandungszone unter dem Mikroskop. Bildbreite ca. 0,5 mm.


O.k., Sie wollen jetzt ein Bild von  Echiniscoides sigismundi  sehen. Bitteschön:


[ Mikroaufnahme: Algen aus der Brandungszone: Lebensraum des Bärtierchens Echiniscoides sigismundi ]

Bärtierchen Echiniscoides sigismundi, von Algen am Rand des Hafenbeckens in Lissabon.
Körperlänge ca. 0,3 mm.

Mehr über  Echiniscoides sigismundi  erfahren Sie im Oktober. Bis dann!



Literatur

Marcus, Ernst: Zur Anatomie und Oekologie mariner Tardigraden.
Zool. Jahrbuch 53 (1927) S. 487 - 588.


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© Text und Fotos von  Martin Mach