Das Bärtierchen-Journal
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Kleine Gerätschaften für unterwegs: Das kleine Stereomikroskop

In den letzten Journalen hatten wir gesehen, daß starke Handlupen - mit einer Vergrößerung von 20fach und mehr - unter günstigen Bedingungen durchaus in der Lage sind, die Bärtierchen so abzubilden, daß zumindest deren Stammes-zugehörigkeit und ungefähre Charakteristik erkennbar werden.

Bevor Sie nun jedoch, lediglich mit einer Lupe bewaffnet, zu Bärtierchen-Expeditionen in ferne Länder aufbrechen, wollen wir hier unser Lieblings-werkzeug für die mobile Betrachtung in Lupenvergrößerung verraten.
Wir haben ja schon gemerkt, daß der Arbeitsabstand unter den Handlupen bei angemessener Vergrößerung so gering ist, daß ein Hantieren mit Pipetten oder Petrischalen gelinde gesagt schwierig, wenn nicht gar völlig unmöglich ist.

Auch das bescheidenste, preiswerteste  Stereomikroskop  hingegen bietet uns, bei vergleichbarer Endvergrößerung, mindestens 5 cm Bewegungsfreiheit zwischen Optik und Objekt, eine bessere Ergonomie und ein größeres Gesichtsfeld.

In Kaufhäusern und via Internet können Sie, wohl dank großer Nachfrage bei Plasma-Fernsehern und gleichzeitig äußerst geringer Nachfrage bei Mikroskopen, ab 49 (in Worten: neunundvierzig) Euro das unten abgebildete Gerät erwerben, um welches uns mancher Profiforscher aus dem 19. Jahrhundert beneidet hätte:


[ Einfaches Stereomikroskop, wohl aus China ]


Kleines Stereomikroskop, wohl aus China, Weitwinkelokulare 10x mit einer Sehfeldzahl von 20, Gesamtvergrößerung 20fach. Eingebaute Auflicht-Batteriebeleuchtung. Die Arbeitsfläche reicht für das Durchmustern kleiner Petrischalen gut aus.

Sollte Ihnen das Mikroskop hinterher doch nicht gefallen, könnten Sie übrigens Stativ und Objektiv problemlos wegwerfen und hätten dank des Erwerbs zweier guter Normdurchmesser-Weitwinkelokulare unter 25 Euro immer noch ein Schnäppchen gemacht - wir leben schon in einer irre globalisierten Welt.

Die Nachteile unseres Unterwegs-Favoriten wollen wir nicht verschweigen:

-- wenn man nicht aufpaßt, reißt die hauchdünne Zinkgußwandung
-- scharfgestellt wird via proletarischer Gummi-Rutschkupplung
-- für einen etwaigen Dioptrienausgleich brauchen wir Tesafilm
-- zum Licht geben wir als höfliche Menschen lieber keinen Kommentar ab
-- Okulare und Objektscheibe zeigen eine klare Tendenz zur Flucht
-- ein Schrägeinblick ist nicht angedacht (verzeihen Sie das ulkige Neudeutsch)
-- schon für den 3- bis 50fachen Preis bekommen Sie deutlich bessere Geräte

aber, und das ist entscheidend:

-- die Optik gibt ein absolut klares, scharfes und kontrastreiches Bild
-- 49 Euro sind angesichts dieses Genusses nun wirklich lächerlich
-- das Ding wiegt samt Batterien nur knapp 600 Gramm
-- Sie können es ohne Angst verleihen oder in den Sand legen
-- es hat eine eingebaute Beleuchtung
-- die (weiße) Objektscheibe bekommen Sie dank Edding notfalls schnell schwarz
-- geklaut wird es wohl eher nicht werden
-- und einen etwaigen Verlust würden Sie seelisch schon wegstecken

Beim "Ich-habe-dummerweise-gerade-kein-Präparat- dabei-legen-wir-doch-einfach-mal-eine-Münze-darunter-Test" schlägt der Winzling souverän sämtliche Konkurrenz aus der Spielzeugecke:


[ Einfaches Stereomikroskop: Demobild Münze ]


Rückseite einer 2 Cent Münze, durch das Okular des kleinen Stereomikroskopes photographiert.
Das Objektiv der Digitalkamera wurde einfach dicht ans Mikroskopokular gehalten - und knips!
Beleuchtung: Im Mikroskop eingebautes Auflicht. Bildbreite knapp 4,5 mm.

Wie Sie sehen, schneidet das kleine Stereomikroskop beim 2-Cent-Test gut ab. In Bezug auf die Praxistauglichkeit dieser Prüfung sollten Sie sich jedoch keinen Illusionen hingeben: Metallisch blanke Münzen fordern ein Stereomikroskop nur wenig. Sie reflektieren selbst finsterstes Funzellicht noch relativ gut, so daß immer ein helles Bild zustande kommt. Und es kommt noch schlimmer: Die eingebauten Beleuchtungen bei den meisten Billig-Stereomikroskopen leuchten aus einem relativ steilen Winkel (60 Grad und mehr) auf das Präparat. Die Münze reflektiert dieses Licht, sozusagen optisch gesetzestreu, haarscharf am Objektiv vorbei. Eine schwarze Objektscheibe hingegen schafft das bei steilen Lichteinfallswinkeln nicht mehr und erscheint dem Betrachter statt schwarz nur noch in silbrig-matschiggrauer Farbe. Das ist bei unserem Lieblingswinzling leider genauso ... er befindet sich allerdings in guter Gesellschaft mit den vielen anderen Billig-Stereomikroskopen, deren Beleuchtung offensichtlich auch nur mit 2-Cent-Münzen getestet wird.


Greifen wir deshalb auf unseren bewährten Versuchsaufbau mit Lichtpult, Mikroaquarium und Bärtierchen zurück. Die Situation wird für unseren Prüfling wegen des zusätzlichen Streulichts schwieriger. Wir registrieren jedoch (unten), daß die Detailgenauigkeit trotz des nun etwas stärkeren Heranzoomens immer noch ausreicht und vom Detailreichtum her in etwa den Ergebnissen mit der guten 20x-Handlupe (siehe letztes Journal) entspricht. Auch teure Stereomikroskope kommen in der Regel über numerische Aperturen von 0,08 nicht hinaus und können insofern selbst einem popeligen 40x/0,65 Kursmikroskop-Objektiv auflösungsmäßig nicht das Wasser reichen. Es ist ganz einfach so, daß die Bärtierchen selbst für ein Stereomikroskop  immer noch ein wenig zu klein sind, ganz egal wieviel Geld wir ausgeben.

Fazit: Stereomikroskope eignen sich hervorragend zum Suchen und Finden der Bärtierchen, z.B. in großen Petrischalen, jedoch nur sehr eingeschränkt zum nachfolgenden Betrachten. Für wirklich schöne Portraits und ausreichende Detailauflösung brauchen wir ein normales Mikroskop.


[ Einfaches Stereomikroskop: Demobild Bärtierchen ]


Bärtierchen im Mikroaquarium auf Dia-Leuchtpult, ebenfalls durch das Okular des kleinen Stereomikroskopes - bei etwas höherem Zoomfaktor - photographiert.
Und vergessen Sie bitte nicht: 49 Euro.


Nota bene: Unser Gerätevorschlag in der Kategorie Lupenbetrachtung bezieht sich auf die Bärtierchenforschung unterwegs, am Strand, im Schlauchboot etc. Für den stationären Betrieb zuhause könnte ein Produkt aus heimischer Produktion besser sein. Bedenken Sie jedoch vor patriotisch motivierten Käufen, daß mancher hiesige Ambieter zur Produktion "seines" Gerätes möglicherweise auch nicht mehr als das Buchstabieren des Firmen-Namenszuges beigetragen haben könnte. Sehr viele, vielleicht sogar fast alle Stereomikroskope des unteren Preissegementes stammen heutzutage aus China.

Das bei uns armen Amateuren vormals sehr beliebte, russische MBS-10 Stereomikroskop scheint leider allmählich vom Markt zu verschwinden. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sollten Sie einen Blick auf folgende exzellente Website werfen, welche primär dem MBS-10 gewidmet ist, jedoch darüber hinaus ganz entspannt aus der Welt der Steromikroskopie berichtet und so einen Blick über den Mikroskopiker-Tellerrand erlaubt:

Hier geht es zum MBS-10

Und wenn wir die Bärtierchen unterwegs erst mal mit dem Stereomikroskop geortet haben, brauchen wir doch wohl noch so ein ultrakleines, ultraschickes Reisemikroskop für die eingehendere Betrachtung - oder?

Dann bis Oktober!



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© Text und Fotos von  Martin Mach