Beresheet und Arno Schmidt |
Natürlich ist schon alleine die Berechnung der Trajektorien für die Reise zum Mond eine intellektuelle Meisterleistung, für die man die israelischen Ingenieure gar nicht genug loben kann. Selbstverständlich hatte uns auch niemand gefragt, ob wir es für sinnvoll hielten, die gesamte Bevölkerung einer Bärtierchen-Kleinstadt einzuschläfern und auf den Mond zu schießen. Was hätten wir auch groß dazu sagen sollen? Vielleicht, dass der "carbon dioxide footprint" dieser Aktion strikt zu verdammen sei oder dass man, ganz im Sinne von Greta Thunberg, nicht einfach leichtfertig zum Mond fliegen solle? Das wäre natürlich nur selbstgerechter, moralinsaurer Unsinn. Man muss den Menschen einfach ihre Träume zugestehen, sei es nun der Glaube an die eigene intellektuelle Überlegenheit, an die Möglichkeit der jungfräulichen Empfängnis, die Unfehlbarkeit eines Religions-Oberhauptes - egal welcher Verblendungsrichtung - oder eben der Glaube an die Unsterblichkeit der Bärtierchen. |
Statt nun weiter in philosophische, flachpolitische und religiöse
Fettnäpfchen einzutunken, sollten wir wohl besser eine Zusammenfassung
der Beresheet-Fakten vorlegen: |
Abb. 1: Eines unserer älteren
Mondfotos, aufgenommen im verlässlich unzureichend gefilterten Münchner SUV-Nebel. Zum Einsatz
kam ein 1000er Spiegeltele - vulgo "Russentonne".
Der rote Pfeil markiert die mutmaßliche Crash-Position der Beresheet-Raumfähre,
an der Nordseite des gingkoblattförmigen Mare Serenitatis, dem Meer der Heiterkeit. |
Abb. 2: Bärtierchen im Trockenstadium (sogenannte "Tönnchen"). Typische Länge 0,2-0,3 mm. Leider konnten wir in den vielen Berichten über die Bärtierchen-Ladung von Beresheet bislang kein einziges Bild der tatsächlich transportierten Bärtierchenfracht finden. Statt dessen präsentieren die Artikel allesamt Fotos, die irgendwelche Tardigraden im lebensaktiven, jedoch zum Zwecke der rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme frisch getöteten Zustand abbilden. Selbstverständlich müsste die Beresheet-Fracht jedoch aus Bärtierchen im Trockenzustand bestanden haben, die so ähnlich kompakt aussehen sollten wie die hier gezeigten Tönnchen. Und klar, keine Reanimation ohne Wasser und ohne Sauerstoff, und schon gar nicht im Vakuum der Mondatmosphäre. |
Erst im August 2019 wurde - wohl zuerst auf der Grundlage eines Artikels in der Zeitschrift Wired - bekannt, dass sich in der Zeitkapsel auch Tausende Bärtierchen-Trockenformen befanden hatten, die von der Arch Mission Foundation mehr oder weniger inoffizell beigepackt worden waren. Am Wired-Artikel entzündete sich der nachfolgende Internet-Hype mit den äußerst beliebten, wenn auch leider etwas realitätsfern aschgrauen, an Staubsaugerbeutel erinnernden Bärtierchen-Bildern aus der Welt des Rasterelektronenmikroskops. Man hätte natürlich genausogut eine getrocknete Tomate, etwas Hühnerknochenmark oder eine "Rose von Jericho" auf den Mond schließen können. In schätzungsweise ca. 10 Jahren werden die Mond-Bärtierchen nicht mehr reanimierbar sein, mal ganz zu schweigen von denjenigen Exemplaren, die angeblich in Epoxid eingebettet sind. Man könnte jedoch überlegen, sie auf dem Mond wieder einzusammeln, zur Erde zurückzubringen und hier zu animieren. Dass die Außerirdischen in dem hier angebotenen, relativ kleinen Zeitfenster eine Bärtierchen-Reanimation vornehmen werden, wagen wir jedenfalls nicht zu hoffen. |
Abb. 3: Der Reiseführer zur Vorbereitung Eurer Rückholaktion! |
Nicht vergessen werden sollte, dass die Israelis mit der Landefähre
in erster Linie andere, durchaus honorige wissenschaftliche Ziele verfolgten.
Die Bärtierchen-Anlandung ist lediglich als huckepack aufgesattelter Gag der Arch Mission Foundation zu verstehen.
Sie erzielte jedoch eine enorme Publicity-Wirkung und erinnert uns in ihrer pittoresken Absurdität
an die ebenfalls enorm mondlastigen Werke des quirlig-bissig-kreativen Schriftstellers Arno Schmidt: |
Abb. 4: Visolett-Lupen aus den 1930er Jahren, links in Messing, rechts in Polystyrol. |
Zusammenfassend können wir Beretsheets Bärtierchen wie folgt kommentieren:
Klar, eine völlig sinnlose Aktion. Die Bärtierchen halten auf der Erde
Milliarden und Abermilliarden flächig verteilte, aktiv backupfähige (!) Kopien
ihrer Existenz vor. Eine einzige bereits jetzt, geschweige denn in Zukunft kaum
mehr auffindbare, getrocknete Kleinpopulation auf dem Mond wird das Kraut somit
nicht fett machen. Trotz aller Begeisterung für die Lebenszähigkeit der
Bärtierchen bleibt zu konstatieren, dass das vergleichsweise kleine Bärtierchen-Mond-Backup,
falls es nicht schon während der Landung verschmolzen oder verbrutzelt ist,
in spätestens 10 Jahren nicht mehr zum Leben zu erwecken sein wird.
Und es würde als Backup ja ohnehin nur dann Sinn ergeben, wenn die Erde als Ganzes
sehr gründlich von jeglichem Leben bereinigt würde. Das werden aber selbst
die emsigsten Atomkriegsplaner sicherlich nie so ganz perfekt bewirken können. |
Quellen und weiterführende Links:
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© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |