Lupen für Fortgeschrittene (XXIII) |
Abb. 1: Eine naheliegende Idee -
die Zweitverwendung einer Einschlaglupe als Standlupe. Das heute vergessene
Einschlaglupen-Griffschalenloch hatte übrigens Mehrfachfunktion:
schneller, provisorischer Einblick im eingeklappten Zustand, bildqualitätsverbessernde
Blende und noch dazu potentielle Stativstangen-Aufnahme! Dieser gemischten Rolle ist wohl auch
die mittige Anordnung des Lochs zu verdanken. Der Vorschlag eines
besonders eifrigen Autors, doch bitte durch asymmetrische (weiter außen liegende)
Anbringung des Lochs den Hebelarm der Stativlupe zu vergrößern,
konnte sich nicht durchsetzen. Nebenbei bemerkt: eine typische Altmänner-Diskussion!
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Unter wirtschaftlich günstigen Randbedingungen ("Gute Zeiten") konnte auch die kleine Standlupe in etwas üppigerem, manchmal sogar schon fast luxuriös anmutendem Gewand auftreten (Abb. 2): |
Abb. 2: Sehr alte, kleine
Standlupe, wohl aus britischer Produktion. Ein aufwändig gearbeitetes,
sehr solides Messing-Stativ beherbergt hier eine denkbar simple, einlinsige Optik.
Einziges abbildendes Element ist eine einfache, symmetrische Bikonvexlinse mit einem Brechwert
von exakt 20 Dioptrien (was einer 5-fachen Vergrößerung entspricht).
Und nein, zur Detektion von Bärtierchen-Tönnchen in Moos-Trockenproben
reicht diese Vergrößerung leider nicht aus. |
Die kleine Standlupe führte fortan ein zunehmend bescheidenes Nischendasein, wurde in den Verkaufskatalogen meist nur verschämt, neben sehr viel teureren "richtigen" Präpariermikroskopen (mit Fokusrad, seitlichen Handauflagen etc.) angeboten. Es ist auch keineswegs falsch, wenn man, mit Blick auf Abb. 3, an elend schuftende Akkord-Montage-Arbeiterinnen der 1960er-Jahre oder auch an besonders sparsame Briefmarkensammler im Rentneralter denkt (demnach ein klares Indiz für eher bescheidene Randbedingungen: "Schlechte Zeiten"). |
Abb. 3: Präparierstativ, mutmaßlich
aus den 1950er oder 1960 Jahren. 10fach Optik. Gleichzeitig angebotene, "richtige"
Präpariermikroskope zielten auf professionelle oder finanziell besser
gestellte Kunden. Dies gilt in verstärktem Maß für die,
zeitweise unglaublich teuren, heute jedoch wohlfeil allgegenwärtigen
Stereomikroskope (Präpariermikroskope mit stereoskopischem Bildeindruck
bei relativ niedriger Vergrößerung).
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Das in Abb. 3 gezeigte Modell ist mit einer aplanatischen
10fach Optik ausgestattet, die aus zwei auf Abstand gesetzten, dünnen
plan-konvexen Linsen besteht. Die Bildqualität erscheint vergleichsweise gut,
ist letztendlich aber auch einer starken Abblendung und einem dementsprechend
kleinen Gesichtsfeld geschuldet. Standlupen dieses Typs konnten mit
unterschiedlichen, jedoch dann am Instrument fix verbauten Lupen ausgerüstet
werden. Sobald der Nutzer die hier gezeigte Modellvariante mit der 10fach Lupe
auf die Opalglasplatte fokussiert, kann allerdings die frei nach oben ragende
Stativstange dem Auge ziemlich nahe kommen ... |
Bezeichnerweise scheint die kleine Stativlupe ihren letzten Entwicklungsschritt (vor dem fast vollständigen Verschwinden) im Überraschungsei absolviert zu haben. Man sieht an ihr, dass es unsere Kinder wirklich gut haben müssen, wenn ihnen nun eine Standlupe in Form eines Kinderparty-Goodies förmlich vor die Füße geworfen wird: |
Abb. 4: Aus sechs Einzelteilen montierte
Überraschungsei-Lupe (FerreroTM, K04 n°18, 2004). Zwei flache, bikonvexe PMMA-Linsen,
Gesamtvergrößerung maximal ca. 3,5-fach. Die untere Linse ist auf einer Schiebehülse gelagert,
wodurch unterschiedliche Arbeitsabstände und Vergrößerungen erzielt werden können.
Nebenbei erlaubt diese Konstruktion experimentierfreudigen Nutzern, den Einfluß des Linsenabstands
auf die Vergrößerung in wirklich anschaulicher Manier zu studieren. |
Abb. 5: Beipackzettel zur Ferrero-Lupe, Seite 1
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Abb. 6: Beipackzettel zur Ferrero-Lupe, Seite 2
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Und wer nun denkt: "Jetzt hört aber mal auf, das ist doch wirklich nur ein Kleinkind-Spielzeug!", der sei mit Hilfe eines Blicks durch diese Lupe eines Besseren belehrt - sie funktioniert nämlich auch nicht sehr viel schlechter als die beiden Modelle in Abb. 2 und 3: |
Abb. 7: Blick durch die Ferrero-Lupe
auf ein Lineal (beide Linsen übereinander fluchtend angeordnet).
Die Bildqualität ist durchaus akzeptabel, solange man nicht bei
starkem Streulicht arbeitet. |
Aber klar, für Bärtierchen ist der Abbildungsmaßstab der Ferrero-Lupe definitiv zu klein. Damit nun aber auch die (vermeintlich) Erwachseneren zu ihrem Recht kommen, sei wieder einmal demonstriert, wie man mit Hilfe eines feuerzeuggroßen SCiOTM NIR-Taschenspektrometers nachweisen kann, dass die Linsen der Ferrero-Lupe aus Acrylglas (PMMA) und nicht aus dem, für optische Linsen problematischeren, Polystyrol bestehen: |
Abb. 8: NIR-Analyse der
Linsen der Ferrero-Lupe (zur Methodenbeschreibung siehe Journal vom Februar 2023) |
Die hier dokumentierte NIR-Analyse des Ferrero-Linsenmaterials nimmt weniger als 30 Sekunden in Anspruch! |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |