Unsere Taxonomie-Serie - in Kooperation
mit Dr. Rolf Schuster** |
Abb. 1: Totale eines Adropion scoticum von mittlerer Körpergröße. Dieses Portrait kondensiert die wichtigsten Spezies-Eigenschaften auf das, für unser Journal typische Briefmarken-Kleinformat von 590 Pixeln. Es lohnt sich deshalb, ausnahmsweise mit der Nase sehr nahe an den Bildschirm heranzugehen: Im vorderen Bereich des länglich gestreckten Körper findet sich ein ovaler Kaumagen mit den artcharakteristischen, länglichen Makroplakoiden (kutikularen Stiften) und ebenfalls dunkel erscheinenden, punktförmigen Mikroplakoiden. Von der Vorderseite des Kaumagens zweigt eine flexibel biegsame Speiseröre mit Spiralverstärkung ab, die mundseitig in eine gerade, starre Röhre übergeht, welche wiederum die, an eine Armbrust erinnernden Stilettfedern trägt. |
Wenn wir nun etwas näher herangehen sehen wir, dass die Schlundröhre ziemlich lang geraten ist. Im mittleren und hinteren Teil weist sie zudem eine Spiralverstärkung auf, Kennzeichen der Gruppe Adropion (Abb. 2). |
Abb. 2: Quasi das Markenzeichen der Adropion-Gruppe (und der eng verwandten Gruppen Diphascon und Pilatobius) - eine flexible Schlundröhre mit spiralförmig erscheinender Ummantelung. Man beachte, dass die Spiralstruktur am Übergang zur weiter vorne liegenden, starren Mundröhre endet. Der, hier mit einem roten Pfeil markierte Übergang zwischen Spiralstruktur und glatter Struktur ist bei manchen anderen Arten durch eine Art Knubbel ("englisch: drop") gekennzeichnet. Dieser fehlt jedoch bei Adropion. "Adropion" steht somit einfach für "ohne Drop". Auf menschliche Verhältnisse übertragen, können wir uns das Speiseröhrensystem als eine Art flexiblen Staubsaugerschlauch veranschaulichen, der praktischerweise vorne mit einer starren Fugendüse versehen ist. Das Bärtierchen kann auf diese Weise seine Nahrung genauso gezielt einsaugen wie der brave Hausmann den Staub! |
Taxonomen zählen und messen gerne. Um diesem gestrengen Personenkreis, in seiner naturgemäß etwas spröden Denkwelt eine besondere Freude zu bereiten, sei hier der flexible Teil der Speiseröhre in nochmals stärkerer Vergrößerung abgebildet (Abb. 3). |
Abb. 3: Nahaufnahme des spiralförmigen
Teils der Speiseröhre. Wir haben 92 Spiralgänge gezählt, die
ziemlich dicht beeinander stehen, von Spiralgang zu Spiralgang mit nur noch etwa
400 nm Abstand. Diese sehr schmale Speiseröhre hat einen extrem kleinen
Außendurchmesser von etwa 2,6 µm (!). Die Spiralstruktur und der geringe Durchmesser
sind übrigens klare Hinweise auf ein vegetarisches Essverhalten - mit ausgeprägter
Vorliebe für ultrafeines Pflanzensaft-Müsli. Wer würde mit dieser Anatomie
auch schon riskieren wollen, an einem sich querstellenden Mikro-Knöchelchen zu ersticken?
Schließlich folgt der Kaumagen hier erst nach der Speiseröhre!
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Der ovale Schlundkopf weist eine Abfolge von jeweils drei länglichen Makroplakoiden und einem sich rückwärts anschließenden Mikroplakoid auf. Das zweite Makroplakoid ist bei Adropion scoticum normalerweise das kürzeste, das dritte Makroplakoid das längste (Abb. 4). |
Abb. 4: Nahaufnahme des Schlundkopfs (= Kaumagens). Die besonders langestreckten, stabförmigen Verstärkungen sind besonders markant, im Mikroskop deshalb leicht erkennbar. |
Außen- und Innenkralle sind bei den 8 Beinen von Adropion jeweils unterschiedlich groß. An den ersten drei Beinpaaren befinden sich sowohl an der Basis zwischen Außen- und Innenkralle als auch an der Basis der Innenkralle kutikulare Leisten (Verdickungen, siehe Abb. 5 und 6). |
Abb. 5: Nahaufnahme des Krallenpaars an einem Vorderbein. Außen- und Innenkralle sind bei den 8 Beinen von Adropion scoticum jeweils unterschiedlich groß. Rote Pfeile markieren die oben erwähnten kutikularen Leisten zwischen den Krallen und an der Basis der Innenkralle. |
Abb. 6: Und, weil es so schön ist,
nicht nur für die Taxonominnen und Taxonomen, hier noch eine zweite Aufnahme,
diesmal ohne didaktische Pfeile, mit weniger drastisch verstärktem Kontrast,
dafür aber in Farbe ...
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Auch am 4. Beinpaar sind kutikulare Leisten an der Basis der Außenkrallen zu beobachten (Abb. 7). |
Abb. 7: Das vierte Beinpaar, mit wieder asymmetrischen Krallenpaaren sowie deutlich ausgeprägten Kutikularleisten (siehe rote Pfeile) an den Basen der Außenkrallen. |
Die Eier sind glatt und werden bei einer Häutung in der Haut (Exuvie) des Tieres abgelegt. |
Anmerkungen und Literatur |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |