Die Bärtierchen und das polarisierte Licht (III) |
Mikroskopisch kleiner Calcitkristall aus dem Meerwasser vor Mali Losinj, Kroatien. |
Um nun plausibel zu machen, dass es sich hier tatsächlich um Calcit handelt,
könnten wir so einen kleinen Kristall zum Beispiel mit Pipette oder Pinzette herausfischen und
schauen, ob er sich in Essig unter Gasentwicklung löst (so verhalten sich nämlich nur sehr wenige Mineralien oder Gesteine).
Im Hinblick auf unsere geplante Untersuchung der Bärtierchen-Stilette erscheint diese
chemisch-ätzende Vorgehensweise allerdings steinzeitlich, wäre
sozusagen mörderisch unfreundlich! |
Doppelbrechung an einem mikroskopisch kleinen Calcitkristall aus dem Meerwasser vor Mali Losinj, Kroatien. Bildbreite ca. 1 mm. |
Sogar ohne Mikroskop ist diese Calcit-Doppelbrechung bei den viel größeren Calcit-Einkristallen zu beoabachten, die wir z.B. auf Mineralienmessen oder bei Ebay für wenige Euro erwerben können: |
Doppelbrechung an einem größeren Calcitkristall. |
Zwar zeigen auch andere Mineralien Doppelbrechung, der Calcit
ist jedoch so eine Art Weltmeister unter den gängigen Gesteinsbildnern:
seine Doppelbrechung (d.h. der maximale Brechungsindex-Unterschied
zwischen den, im Kristall unterschiedlich gebrochenen, Lichtstrahlen)
hat einen Betrag von 0,172. Zum Vergleich: Beim Quarz ist der Wert 0,009.
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Interferenzfarben an einem kleinen Calcitkristall (polarisiertes Licht). Der ohnehin schon recht kleine Calcitkristall weist Interferenzfarben nur dort auf, wo er ultradünn ist! Bildbreite ca. 2,5 mm. |
Nur sehr, sehr dünne Calcitkristalle zeigen demnach im polarisierten Licht ausgeprägte Interferenzfarben. Sie können nun, um sich selbst davon zu überzeugen, einen Calcitkritall fein zersplittern, oder aber die, ebenfalls sehr kleinen Calcitkristalle aus einem elektrischen Wasserkocher im Mikroskop mit Hilfe von polarisertem Licht betrachten: |
Winzige (dünnlagige) Calcitkristalle aus einem elektrischen Wasserkocher ergeben im polarisierten Licht sehr schöne Interferenzfarben! Bildbreite ca. 0,3 mm. |
Wenn Sie das Glück haben, ein sich keilförmig verjüngendes Kristallende zu finden, werden Sie zudem sehen, daß die Interferenzfarben des Calcits eine bestimmte Abfolge zeigen, wobei mit zunehmender Schichtstärke immer weichere Pastellfarben erscheinen. Bei noch größerer Schichtdicke mitteln sich die Interferenzfarben schließlich aus und es ist dann nur noch ein unspezifisches Hellgrau zu sehen (unser Kristall im Bild gibt das nicht mehr her, aber wir wissen es ja schon von unseren Erfahrungen mit den ganz großen Kristallen). |
Kleiner, keilförmig nach rechts ausdünnender Calcitkristall bei normaler Beleuchtung ("Hellfeld") im Lichtmikroskop. Bildbreite ca. 0,3 mm. |
Der selbe Kristall beim Zuschalten des polarisierten Lichts. Die Farben verlieren mit zunehmender Schichtstärke
(im Bild von rechts nach links) ihre "bissige spektrale Schärfe" und mitteln sich in noch dickeren Kristallen völlig aus, wobei zuletzt ein helles Grau entsteht.
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Falls Sie das alles fundierter nachlesen möchten: Dank des wunderbaren Internet steht ein nicht minder wunderbares "Dünnschliffmikroskopie"-Lehrbuch von Michael M. Raith, Peter Raase und Jürgen Reinhardt kostenlos für Sie zum Download bereit. Anhand des darin enthaltenen Michel-Lévy-Diagrammes (siehe Diagramm auf S. 89 unten) können Sie schon einmal nachschauen, welche Interferenzfarben beispielsweise bei einem 5 oder 10 Mikrometer starken Bärtierchenstilett aus reinem Calcit zu erhoffen wären. Sie brauchen hierfür lediglich zwei Parameter: die angenommene Stilett-Schichtstärke [Mikrometer] sowie den, bereits oben genannten, Zahlenwert der Calcit-Doppelbrechung (0,172) - und dann einfach im Diagramm schauen, welche Interferenzfarbe sich ergeben sollte. Viel Erfolg! |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |