Lupen für Fortgeschrittene (X) |
Abb. 1: Formel
zur Berechnung der Brennweite auf der Basis der
Zwischenbildgrößen bei zwei unterschiedlichen Mikroskop-Tubusauszugslängen.
|
Aber klar, was hilft die schönste Formel, wenn sie die Realität nicht abbildet? Wir haben sie deshalb mit der unten ausführlich geschilderten Vorgehensweise auf Herz und Nieren überprüft, und hierbei unter anderem folgende (euphorisch stimmende :-) Ergebnisse erhalten: |
Tab. 1: Praxiskontrolle der
in Abb. 1 gezeigten Formel - mit Hilfe eigener Brennweitenmessungen
an Nikon "CF M Plan Achromat"-Objektiven (professionelle "MPlan" Auflicht-Objektive
für eine Tubuslänge von 210 mm, beispielsweise am Nikon "Optiphot")
|
Aus den Messwerten in Tab. 1 ist ersichtlich, dass die Durchschnittswerte unserer
eigenen Messungen mit den Sollwerten von Nikon geradezu verdächtig gut übereinstimmen, mit
maximalen Abweichungen von weit unter 1%. Anmerkung: CF-Objekive kommen ohne die ansonsten übliche, nachgeschaltete Fehler-Korrektur durch ein Mikroskop-Okular aus. Sie sind deshalb noch heute sehr beliebt, nicht zuletzt bei Makrofotografen, die mit einem Balgengerät arbeiten und kein Mikroskop-Okular zwischenschalten möchten. Die CF-Objektive dürften zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung deshalb einige durchaus sattelfeste, westliche Konkurrenten ziemlich nervös gemacht haben. In Anbetracht dieser Randbedingungen sollten wir vorsichtshalber annehmen, dass die Nikon-Spezifikationen bis in die Nachkommastellen hinein nummerisch bluternst, geradezu erbsenzählerisch-mikroskopikergreissicher ernst genommen werden sollten.Und hier die Anleitung zum Selber-Nachvollziehen - traut Euch einfach! |
Abb. 2: Die zur DIY-Brennweitenmessung
empfohlene Ausrüstung. Bei uns kam ein ca. 80 Jahre altes Spitzengerät aus
Frankreich zum Einsatz, und zwar ein "Nachet DXS Grand Microscope" mit
ausziehbarem, skaliertem Tubus und originalem Präparatführer. Man kann selbstverständlich
auf das "Grand" verzichten, sollte aber bei der Wahl des Mikroskopes
auf eine solide Mechanik und feinmechanische einwandfreie Konstruktion des
Tubusauszugs achten. Das Zwischenbild könnte man - theoretisch -
statt des hier gezeigen Mikrometerschraubenokulars auch mit einem einfachen
klassischen Okularmikrometer, d.h. einem Okular mit integrierter Skala
ohne Mikrometerschraube ausmessen. In diesem Fall muss unbedingt die
Okular-Feldlinse entfernt werden. Die Messgenauigkeit fällt
bei Verwendung des einfachen Okularmikrometers allerdings sehr viel geringer aus,
liegt schätzungsweise um Faktor 10 niedriger [Göke 1988].
|
Abb. 3: Ein wichtiger Kniff besteht in der sauberen, möglichst lichtdichten und lotrechten Adaption des jeweiligen Messobjektes an den Mikroskoptubus. Die Montage ist im Falle von RMS-Mikroskopobjektiven natürlich kein Problem, kann jedoch bei anderen, größeren und höheren Objekten Kopfzerbrechen bereiten. Die meisten für den Mikroskopiker interessanten Objekte lassen sich jedoch mit Hilfe des hier gezeigten Adapters direkt messen. Wir setzen zwei Standard Mikroskop(RMS)-Gewinde-Distanzadapter samt improvisierter Blende ein, verwenden dann zur temporären Befestigung des jeweiligen Prüfobjektes - man erschrecke nicht - simples Klebeband. Das Foto zeigt die Unterseite des Adapters mit der "Blende", einem einfachen Dichtring aus dem Sanitärbereich. Hier wird das Prüfobjekt aufgelegt und sauber befestigt, dann wie ein ganz normales Mikroskopobjektiv kopfüber am Mikroskoptubus eingeschraubt (mit dem im Bild unten liegenden Gewinde am schwarzen Zwischenring). |
Als Messhilfe auf dem Objekttisch kann ein beliebiges Objektmikrometer eingesetzt werden. Im Falle
des Nachet-Mikroskopes erwies sich ein uraltes, vertikal eingeklebtes Leitz 2 mm Objektmikrometer
als die beste Lösung. Man könnte jedoch wohl genauso gut ein aktuelles,
gewohnt unmoralisch preiswertes 1/100 mm Objektmikrometer aus Fernost einsetzen. |
Abb. 4: Der Blick in das Mikrometerokular zeigt die Objektmikrometerskala (vertikale 2 mm Skala mit feiner Teilung) neben der Zwischenbildskala (die sehr viel gröber unterteilte, vertikale Skala, weiter rechts). Wir erkennen, dass der Doppelstrichcursor der Zwischenbildskala auf einen Wert von 1,5 mm an der Objektmikrometerskala zeigt und gleichzeitig eine Zwischenbildgröße von Sechskomma-Irgendwas signalisiert, auf alle Fälle etwas mehr als 6,5 mm - Genaueres wissen wir noch nicht. Der exakte Wert muss nämlich nachträglich außen an der Mikrometerschraube des Mikrometerokulars abgelesen werden (siehe folgende Abb. 5). |
Abb. 5: Die Zwischenbild-Nachkommastellen (die Hundertstel
und Tausendstel (!) Millimeter) zwischen der "6" und der "7" im vorigen Bild) müssen außen an der Mikrometerschraube abgelesen
bzw. - bei den Tausendsteln - visuell interpoliert werden. Aus der Kombination
des groben Wertes ("irgendwas auf halber Strecke zwischen 6 und 7") und des Mikrometerwertes
(ziemlich genau 608) bauen wir eine Zwischenbildgröße
von 6,608 mm.
|
Und völlig klar, man muss nun etwas üben
um eine Messwertpräzision wie in Tab. 1 zu erzielen. Vermeintlich kleine methodische
Fehler können zu erheblichen Ergebnisabweichungen führen. Lediglich exemplarisch
sei als Fehlerquelle angeführt, wenn der Objektträger zwischen zwei Messungen plötzlich in eine
tiefere Position am Objekttisch einruckelt, wenn die beiden zu vergleichenden
Skalen nicht wirklich exakt parallel zueinander bzw. nicht exakt auf die
Nullwerte ausgerichtet sind, wenn der Tubus vor dem Ablesen einsinkt, wenn die
Tubus-Skalierung nichts taugt oder nicht gut abgelesen werden kann etc. |
Literatur |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |