Lupen für Fortgeschrittene (IX) |
Abb. 1: Das Octoscop in aufgeklappter Kreuzkonfiguration. Hier stehen (ohne jegliche Überlagerung) die vier Vergrößerungen 2x, 4x, 10x und 18x zur Verfügung. |
Abb. 2: Beim Drehen um die zentrale Achse kann durch Überlagerung des 10x- und des 18x-Elementes maximal eine 28fache Vergrößerung entstehen, auf die mit einer, nur in dieser Stellung erscheinenden, zusätzlichen Fensteranzeige feinsäuberlich hingewiesen wird. |
Und ja, 10 plus 18 ergibt doch wohl ganz eindeutig 28?
Ins Grübeln kommt man jedoch beim vergleichenden Blick auf eine aktuell
sehr teuer vermarktete Einschlaglupe, die unter der Bezeichnung "Weinschenklupe"
gehandelt wird. Diese Weinschenklupe ist übrigens, in für uns rätselhafter Weise aus
einer ziemlich ähnlichen Vorkriegslupe von W. & H. Seibert neuzeitlich wiedererstanden
(was deshalb keineswegs illegitim sein muss). Sie nimmt nun allerdings
für sich in Anspruch, aus der Überlagerung eines 10x- und 20x-Elementes
eine lediglich 28fache Vergrößerung zu synthetisieren! Hmm. |
Abb. 3: Formel aus der älteren Fachliteratur, zur Berechnung der Brennweite f eines Modellsystems aus zwei Sammellinsen [Fowles 1975]. f1 und f2 stehen für die Brennweiten der beiden Sammellinsen, d für den Abstand ihrer Hauptebenen. Der Abstand d haust im dritten Term - er bewirkt wegen des Minuszeichens eine bei zunehmendem Linsenabstand reduzierte Summenvergrößerung. |
Probieren Sie es einfach aus: Wenn man in die Formel als f1 25mm
(10fach Linse), bzw. als f2 13,9 mm (18fach Linse) einsetzt, so ergibt
sich bereits bei 3 mm Linsenabstand eine Brennweite f von 9,68 mm, die sich wiederum
in eine Vergrößerung V = 250mm/f, d.h., nur noch knapp 26fach
umrechnen lässt. Und, völlig klar, bei 5 mm Linsenabstand fällt
die Summenwirkungsabweichung noch größer aus,
die de-facto-Vergrößerung sinkt auf etwa 24fach. |
Laut der Fachliteratur geht die hier beschriebene Vorgehensweise auf Carl Friedrich Gauß zurück [Johnson 1960]. Sie ist radikal minimalistisch und deshalb so einfach, dass wir sogar hier im Bärtierchen-Journal Theorie und Praxis auf der Basis einer Handvoll Bilder und etwas Text darstellen können. Und die Methode funktioniert, unter günstigen Bedingungen mit einer Fehlermarge von deutlich unter einem Prozent! Wir versuchen uns hier zur Abwechslung mal mit etwas Strahlenoptik und einfacher Mathematik, in der Hoffnung, nicht allzu viele Leserinnen und Leser zu vergraulen! |
Abb. 4: Ein Mehrlinsenmodell, lediglich schematisch.
Man beachte, dass das Innenleben der Optik (die beiden blauen Linsen und
deren Zwischenraum) hier vorsätzlich ausgeblendet wird und die mathematische Betrachtung
sich auf den bildseitigen Teil der Optik beschränkt. Das
optische Kombinationssystem wird, wie aus dem Folgenden ersichtlich,
lediglich aufgrund seiner messbaren Vergrößerungswirkung bei
zwei unterschiedlichen instrumentellen Geometrien betrachtet!
|
Abb. 5: Das Vergrößerungsverhältnis m1 = g'/g ist im obigen "Abbildungsfall Grün" als einfache Proportionalität nach dem Strahlensatz direkt ablesbar. |
Abb. 6: Sinngemäß Gleiches gilt für den "Abbildungsfall Rot" ... |
Abb. 7: und die zugehörige Vergrößerung m2. |
Abb. 8: Man führt die beiden Formel aus Abb. 5 und 7 als Differenz zusammen. Dann ist es, nach einigen wenigen weiteren Umformschritten nicht mehr weit bis zum spektakulären Endergebnis (Abb. 9). |
Abb. 9: Als Resultat erhalten wir eine Formel,
die aus der unterschiedlichen Vergrößerung eines auf dem Mikroskop-Objekttisch
liegenden Objektmikrometers bei zwei unterschiedlichen Tubusauszügen die integrale Brennweite
des Untersuchungsobjektes ableitet!
|
Die gute Nachricht für die Amateure lautet nun, dass all dies an einem alten Hufeisen-Mikroskop mit ausziehbarem Tubus zu bewerkstelligen ist. Wie genau werden wir im nächsten Journal, auch anhand der Ergebnisse an standardisierten Objekten (Nikon "MPlan" Mikroskopobjektiven) zeigen. Die experimentelle Komplexität und der materielle Aufwand sind geradezu verblüffend gering: |
Abb. 10: Geräte-Setup
zur präzisen Bestimmung der Brennweite (somit auch der Vergrößerung)
von Mikroskop-Objektiven und hoch vergrößernden Lupen:
|
Und schwupps ist sie wieder da - eine für viele Anwendungen
hoch interessante Methode zur präzisen Brennweitenvermessung unterschiedlichster Optiken,
seien es nun stark vergrößernde Einzellinsen, Mikroskopobjektive
oder stark vergrößernde "wissenschaftliche" Lupen - egal. |
Literatur |
© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |