Da die Teilnehmer am Diskussionsforum des
Heise-Verlages meiner Meinung nach keine Spinner sind, möchte ich
ein wenig ausführlicher auf das Thema "Außerirdische"
eingehen.
Zunächst können wir uns natürlich fragen, welche Eigenschaften
ein Lebewesen haben müßte, um problemlos durch das Weltall zu reisen.
Es sollte selbstverständlich in gesundem und fortpflanzungsfähigen
Zustand auf der Erde ankommen können.
Um es diesem fiktiven Lebewesen nicht allzu leicht zu machen, setzen wir erschwerend voraus,
daß kein schützendes Raumschiff, sondern bestenfalls ein kahler Felsbrocken
als Transportmittel zur Verfügung steht.
Das Anforderungsprofil, welches der fiktive Reisende zu erfüllen hätte,
wirkt ziemlich abschreckend:
- Er muß das Vakuum des Weltalls vertragen
- Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt (minus 273°C) sollten ihm nichts ausmachen
- Gut wäre auch eine gewisse Resistenz gegen kosmische Strahlung
- Bei der Landung auf der Erde muß wohl ein wenig Hitze (z.B. 100°C) ertragen werden
- Einige Jahre Reisezeit ohne Luft, Wasser, Nahrung, Toilette usw. sollten kein Problem sein
Die meisten Kandidaten aus dem Reich der Zoologie einschließlich
des maßlos von sich selbst überzeugten Homo sapiens
würden die ungemütliche Reise nicht überleben.
Die Bärtierchen könnten es jedoch auf jeden Fall
schaffen. Ihre Trockenformen
haben alle genannten Eigenschaften für eine Weltraumdurchquerung:
Sie ertragen klaglos Vakuum, extreme Kälte
und extreme Hitze, hohe radioaktive Strahlung und viele weitere widrige Umstände.
Die Trockenformen der Bärtierchen können jahrelang ohne Luft, ohne
Wasser und ohne Nahrung überleben. Im angelsächsischen Sprachbereich
werden die Bärtierchen deshalb gerne als
extremophile Lebewesen
bezeichnet.
Lassen sich noch weitere Argumente anführen, welche die
Außerirdischen-Hypothese stützen?
In den weltraumähnlich-unendlichen Weiten der Fachliteratur finden
wir tatsächlich vertiefende Überlegungen. So weist VETTNER (siehe unten bei Literatur)
auf das Phänomen der sogenannten "over-adaptation" hin.
Die Argumentation lautet wie folgt:
Die Bärtierchen besitzen eine enorme Anpassungsfähigkeit an extreme
Bedingungen, welche auf dem Planeten Erde überhaupt nicht erforderlich ist,
quasi ein Übermaß an Vitalität. Der Werkzeugkasten des Überlebens
ist bei den Bärtierchen außergewöhnlich funktional und geschickt
gebündelt. Es ist die Fülle der erstaunlichen Eigenschaften,
welche auf der Erde luxuriös und übertrieben wirkt. Laut VETTNER
ist das Bündel der extremen Eigenschaften durch
einfache Evolutionsauslese unter irdischen Bedingungen nicht zu erklären.
Was könnte noch für die außerirdische Existenz sprechen?
Es gibt tatsächlich noch weitere Argumente. So ist es bislang trotz
zäher Bemühung nicht gelungen, eine klare Verwandschaft zwischen den
Bärtierchen und den übrigen Lebewesen nachzuweisen, was letztendlich
dazu geführt hat, ihnen die hohe Ehre eines eigenen biologischen
Stammes zuzugestehen.
Schließlich existiert nur ein einziger und obendrein umstrittener fossiler
Bärtierchen-Fund (in Bernstein). Auch dies könnte man als Indiz
einer relativ späten "Erdinvasion" deuten.
Es wird sicherlich nüchtern denkende und streitbare Leserinnen und Leser
geben, die zu allen Argumenten plausible Gegenargumente finden werden.
Letztendlich bleibt uns wohl ohnehin nichts anderes übrig, als die
Betrachtungsweisen beider Seiten zu überdenken
und uns dann wieder unserer eigenen, kuriosen Erdwurm-Situation mit dem
vielfach gepriesenen und angeblich außerordentlichen menschlichen
Bewußtsein zuzuwenden.
Literatur (zitiert nach Ian M. Kinchin: The Biology of
Tardigrades, S. 80):
Vettner, Joachim: The "little bears" that evolutionary theory can't bear!
Creation Ex Nihilo 12 (1990) 16-18.
|