Vom Nerv zum Muskel

Es ist erstaunlich, wieviel einige Spezialisten schon im 19. Jahrhundert über die Bärtierchen zu berichten wußten.

Die unten abgebildete, wunderbar detailgetreu ausgeführte Zeichnung geht vermutlich auf den französischen Zoologen Louis Doyère (1811 - 1863) zurück und dürfte vor 1850 entstanden sein. Sie zeigt detailliert die bauchseitige Muskulatur und den bauchseitigen Teil des Nervensystems eines  Milnesium tardigradum .

Erläuterungen:
a) (Insgesamt vier) Ganglienknoten, d.h. Nervenzentren, die über
b) Nervenfortsätze zu einer Art Strickleiter verbunden sind
c) Ansatzstellen von Nerven (punktiert) an den Muskeln (nicht punktiert)
d) die Muskeln
n) Nervenenden, die zu den Papillen am Kopf führen
o) Sehnerven, welche zu den Augenpigmentflecken führen.

Nervensystem und bauchseitige Muskulatur einer Bärtierchens (Milnesium tardigradum). Zeichnung, vermutlich von Doyère selbst, wahrscheinlich noch vor 1850 (!) entstanden.

Wir können den Verlauf der Muskeln und Nerven bei Milnesium tardigradum, am besten im Zustand der  Asphyxie , mit einfachen Mitteln selbst nachvollziehen. Die Muskeln und Nerven sind zwar etwas kontrastschwach, schon mit Hilfe einer einfachen schiefen Beleuchtung treten sie jedoch deutlich hervor.

Nervensystem und bauchseitige Muskulatur eines Bärtierchens (Milnesium tardigradum).
Die roten Pfeile markieren die Nerven, welche die Ganglienknoten miteinander verbinden. Die breiteren Stränge sind Muskeln.
Bildbreite ca. 250 µm.

Da Bärtierchen keine Knochen haben, müssen die Muskeln zwangsläufig an anderen anatomischen Strukturen ansetzen, typischerweise in Form von keulenförmig erscheinenden Verdickungen an der Cuticula, wie sie z.B. im Bild oben links außen und weiterhin ein wenig rechts von der Bildmitte zu erkennen sind.

Und, falls es Sie schon immer mal sehen wollten, wie ein Nerv einen Muskel ansteuert, hier können Sie es direkt sehen - ohne Froschmord:

Anbindung eines Nervs am Muskel (Bärtierchen Milnesium tardigradum).
Die mit dem roten Pfeil markierte Nervenfaser verbindet das 2. Ganglion mit einem Muskel, welcher zum Einziehen des Beines dient.

Angeblich wurde die oben gezeigte, hügelartige Anbindung des Nervs an den Muskel, der  Doyère'sche Nervenhügel   zuerst bei den Bärtierchen beobachtet. Lesen Sie hierzu das  Zitat des Monats .

Gute, weiterführende Literatur zum Thema Muskeln und Nerven, insbesondere zur, im Lichtmikroskop nicht mehr auflösbaren Feinstruktur:

H. Greven: Die Bärtierchen. S. 21 - 29. Wittenberg Lutherstadt 1980.
J. Müller: Zur vergleichenden Myologie der Tardigraden. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 147 (1936) S. 171-204.
und dann gibt natürlich noch den Video-Clip, welcher einen  Echiniscus-Muskel in Aktion  zeigt.

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© Text und Fotos von  Martin Mach