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Unsere Taxonomie-Serie - in Kooperation
mit Dr. Rolf Schuster** |
Bryodelphax parvulus wurde, genau wie der im vorigen Journal präsentierte Isohypsibius prosostomus, von Gustav Thulin im Jahr 1928 erstbeschrieben. Thulin hatte ein Händchen für besonders markante taxonomische Bezeichnungen: Der Name Bryodelphax parvulus lässt sich als "Kleines Moosschwein" übersetzen. Und in der Tat ist Bryodelphax parvulus ein ultrakleines Bärtierchen, ein ganz Kleiner unter den sowieso kleinen Bärtierchen. Insofern markiert das "parvulus" (lateinisch für "klein") nicht etwa einen Pleonasmus (wie etwa die Wortkombination "schwarzer Rappen"), sondern ein verdientes und treffsicher gewähltes Attribut. Das Wörtchen "Moosschwein" weist übrigens weit zurück in die Anfänge der Bärtierchenforschung: Es scheint erstmals 1795 von Johann August Donndorf verwendet worden zu sein, noch vor Lazzaro Spallanzanis "Tardigrada". |
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Abb. 1: Bryodelphax parvulus.
In der Ganzkörperaufnahme ist eine Ähnlichkeit mit
den oben durch unser Banner spazierenden Bärtierchen zu sehen, die wir der
Einfachheit halber gerne, aber ein wenig lax, allesamt pauschal als "Echiniscen" bezeichnen.
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Zur Größe eines sehr kleinen Bärtierchens |
Im Hinblick auf die Körperlänge von Bryodelphax parvulus stimmen die
Angaben der Spezialisten überein: |
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Abb. 2: Echt winzig: Bryodelphax parvulusDie schlechte Nachricht für die Mikroskopiker und Mikrofotografen lautet deshalb:
Ein derart winziges Bärtierchen ist in einer Petrischale leicht zu übersehen.
Hat man es erst einmal entdeckt wird klar, dass so ein Winzling nur noch etwa 600 qualitativ akzeptable Pixel Bildbreite liefert,
näherungsweise ein Fünftel von dem, was wir bei Fotos von Macrobiotus hufelandi oder Milnesium tardigradum erzielen!
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Die hier gezeigte Spezies teilt sich übrigens nicht nur das Publikationsjahr mit Isohypsibius prosostomus sondern auch den Fundort: Wir fanden sie ebenfalls auf der in Abb. 3 gezeigten Betoneinfassung einer Kanalisations-Einstiegsluke: |
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Abb. 3: Der Fundort der hier gezeigtn
Bryodelphax parvulus - Exemplare - die Betoneinfassung einer Blechklappe
in der Münchner Innenstadt. Die Betonoberfläche dient hier als magerer
Untergrund für ideal durchlüfteten Moosbewuchs. Bei Besonnung trocknet
das Moos dementsprechend schnell aus, wodurch sich die Gefahr eines, für die Bärtierchen
potentiell gefährlichen bakteriellen Befalls drastisch reduziert. Sehr wahrscheinlich
wird die periodische Austrocknung des Mooses durch den direkt benachbarten, sich
in der Sonne regelmäßig erwärmenden Metalldeckel
noch zusätzlich begünstigt.
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Noch zweikrallige Jungtiere von Bryodelphax parvulus (Abb. 4) sind laut [Cuénot 1932] maximal 84 µm lang. Sie könnten sich somit theoretisch, von der Größe her, locker hinter einem menschlichen Haar verstecken - wohlgemerkt quer! Wir müssen deshalb froh sein, wenn wir sie unter dem Präpariermikroskop, bei moderater Vergrößerung, überhaupt noch finden. Unter dem großen Mikroskop können wir trotz der Kleinheit immerhin noch eine Art Soft-Portrait aufnehmen: |
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Abb. 4: Ein Bryodelphax parvulus-Baby, knapp 80 µm klein! Man beachte vor allem den überproportional großen Kopf, ähnlich wie bei einem Homo sapiens-Baby. Die Jungtiere sind in diesem Entwicklungsstadium noch zweikrallig, entwickeln erst bei nachfolgenden Häutungen vier Krallen an jedem Bein. Gut zu sehen sind hier die ziegelroten Augen, die geraden Stilette und die Stilettfedern. Die Existenz von Stilettfedern ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber äußerlich ähnlichen Arten (insbesondere der besonders artenreichen Gruppe der Echiniscen). [Marcus 1929, Seite 3] berichtet von nur 51 µm "großen", frisch geschlüpften Bryodelphax parvulus-Winzlingen und deklariert sie als die kleinsten Bärtierchen überhaupt! |
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Abb. 5: Erwachsene Exemplare von Bryodelphax parvulus haben vierkrallige Beine. Bei höchster Auflösung sind an den Krallenbasen manchmal winzige Häkchen erkennbar. |
Im Unterschied zu den meisten anderen gepanzerten Bärtierchen trägt Bryodelphax parvulus lediglich zwei, weit vorne am Körper ansetzende Filamente (in der Fachsprache auf Position "A"; vgl. hierzu die bildliche Erklärung auf Abb. 2 in unserer Taxonomie-Einführung von August 2024). Etwaige weitere Filamente und Dornen fehlen. |
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Abb. 6: Die beiden, für Bryodelphax parvulus typischen, hier im Bild rot markierten Filamente befinden sich weit vorne am Körper, in der sogenannten Position "A". Sie sind bei diesem Individuum ca. 20 µm lang. Die sogenannte Kopfplatte (zwischen den A-Filamenten) sowie die Endplatte weisen eine sehr regelmäßige, im Vergleich mit der übrigen Körperoberfläche etwas vergröbert erscheinende Granulation auf. |
Bryodelphax parvulus legt seine Eier bei der Häutung in der Cuticula ab: |
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Abb. 7: Ein Gelege von Bryodelphax parvulus mit zwei Eiern. Man erkennt die extreme Raumnot in der verhältnismäßig kleinen Cuticula. Bei dem hier vorliegenden Ei-Durchmesser von 45 µm kann die Mutter nur etwa 100 µm groß gewesen sein! |
Hieronim Dastych [Dastych 1988] weist auf ein weiteres Artcharakteristikum hin - nämlich unregelmäßig verteilte, helle Flecken auf der Cuticula:. |
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Abb. 8: Auf der Cuticula von Bryodelphax parvulus befinden sich unregelmäßig verteilte, helle Flecken, hier auf dem Foto eines Geleges, durch rote Pfeile markiert. |
In stetem Bemühen um höchstmögliche Seriosität und "Wissenschaftlichkeit" hätten wir abschließend noch ein Praliné für besonders eifrige Taxonomen anzubieten: |
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Abb. 9: Wenn man sehr genau hinschaut, sind am letzten Beinpaar von Bryodelphax parvulus manchmal auch noch kleine Papillen zu erkennen. |
Und sollten Sie, werte Leserinnen und Leser, nun doch noch auf eine vertiefende Diskussion der filigranen Panzerplattenanordnung von Bryodelphax parvulus hoffen, so erlauben wir uns vorsorglich den Verweis auf folgenden Fanatismus-Dämpfer, den ein weiser Professor bereits vor Jahrzehnten an der LMU München von sich gab: "Sehr interessant - aber das soll bitte jemand anders machen!". |
Anmerkungen und Literatur
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© Text, Fotos und Filme von Martin Mach |