Dujardin veröffentlichte drei Zeichnungen seiner Microlyda und zementierte
auf diese Weise seinen bis heute unangefochtenen Ruf als früher Erstentdecker eines maritimen Bärtierchens. Ein
viel später lebender Forscherkollege kommentierte mit ehrfürchtigem Erschauern:
"Schon Dujardin kannte eine marine Art." Microlyda wurde nie wieder gefunden.
14 Jahre später, 1865 vermeldete Max Schultze in Ostende den ersten Fund
eines Echiniscoides. Echiniscoides
kommt auf den grünen Algen im leicht zugänglichen Meerwasser-Brandungsbereich
relativ häufig vor und war deshalb zwangsläufig einer der ersten
Verlierer im weltweiten Bärtierchen contra Mensch Versteckspiel.
Man könnte meinen, daß die Welt der maritimen Bärtierchen
spätestens mit der Entwicklung der apochromatischen Zeiss-Mikroskopoptiken
durch Ernst Abbe (1872) offen gelegen haben müßte. Merkwürdigerweise fanden jedoch
die vielen tüchtigen, fleißigen und hoch motivierten
Forschersammler des 19. Jahrhunderts so gut wie gar nichts. Erst hart
am Ende des Jahrhunderts rettete Lucien Cuénot noch knapp die Zunftehre,
und zwar durch seine Entdeckung des maritimen Tardigraden Tetrakentron synaptae
auf den Mundtentakeln der Seewalze.
Auch Prof. Ferdinand Richters, Entdecker zahlreicher neuer terrestrischer
Bärtierchen, hatte mit den maritimen Arten seine liebe Mühe:
"Im August 1908 hatte ich Gelegenheit, mich an einer Exkursion
des zoologischen Instituts zu Kiel mit dem Dampferchen <Frieda> unter Leitung
der Herren Prof. Apstein und Dr. Reibisch zu beteiligen. Unter anderem wurde auf
Stoller Grund bei Boje 2 in einer Tiefe von 20 m gedredscht und Steine mit
Fucus vesiculosus und serratus bewachsen, heraufbefördert.
... Bei der im Oktober vorgenommenen Untersuchung des Sedimentes fand ich drei
Exemplare eines neuen, sehr merkwürdigen Tardigraden, den ich als Batillipes mirus
in die Wissenschaft einführen möchte. Auf der Terminfahrt des <Poseidon>,
Ende November 1908, dredschte Prof. Apstein nochmals an derselben Stelle; während etwa
dreiwöchigen Suchens gelang es mir, in dem Material noch zwei Exemplare aufzutreiben.
Mithin scheint Batillipes auf Stoller Grund ziemlich selten zu sein. In Material
aus ähnlicher Tiefe aus dem kleinen Belt, von Fakkebjerg und von der Oderbank, das
ich auch Prof. Apstein verdanke, fand ich nicht ein einziges Stück,"
Nota bene: nach dreiwöchigem Suchen ... zwei Exemplare!
Erst nach 1945 kam der große Durchbruch. Heute kennt man Hunderte maritimer Bärtierchenarten und es ist anzunehmen,
daß die Ozeane noch viele einschlägige Überraschungen bereit halten.
Das Resümee aus der mühseligen Fundgeschichte
liegt auch für uns Amateure auf der Hand: so richtig einfach
kann das Suchen und Finden bei den maritimen Bärtierchen wohl nicht sein.
Auch einschlägige Internet-Bildrecherchen bei Picsearch oder Google
führen zu - gelinde gesagt - bescheidenen Ausbeuten.
Obwohl als weltweit individuenreichste Gliedertiergattungen anerkannt, mit
Individuenzahlen im Multimilliardenbereich, sind die Meerestardigraden
nicht einfach zu finden. Unter anderem liegt es daran, daß sie praktisch
alle schlank, transparent und ultraklein sind, typischerweise nur zwischen 0,1 und 0,2 mm lang,
sozusagen Zwerge zweiter Ordnung in der ohnehin schon irrwitzig miniaturisierten Kleinwelt der Bärtierchen.
Ab der nächsten Ausgabe werden wir von unseren eigenen Erfahrungen
am Meer berichten. Eine kleine Warnung möchten wir allerdings
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, schon jetzt ans Herz legen. Wenn Sie nicht
ganz besonders fleißig und ganz besonders schnell sind, werden Sie die
meisten marinen Tardigraden, wenn überhaupt, nur in der Witwe-Bolte-Brathähnchen-Perspektive, d.h.
von hinten sehen, bevor sie dann wieder unter einem schützenden Sandkorn
verschwunden sind, in etwa so:
|